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Tarifstreit: Es geht wieder los

Die Tarifverhandlungen für den öffentlichen Dienst beginnen. Eine schnelle Einigung wird nicht erwartet.

Berlin - Das Theater von 2006 ist kaum noch zu übertreffen: Drei Monate streikten im Frühjahr Beschäftigte der Bundesländer für mehr Geld und gegen längere Arbeitszeiten, der längste Arbeitskampf im öffentlichen Dienst Deutschlands. Jetzt geht es wieder los. Heute beginnen in Berlin die Tarifgespräche für 700 000 Angestellte der Länder und damit mittelbar auch für 1,2 Millionen Beamte; der Abschluss für die nach Tarif Bezahlten wird voraussichtlich übertragen auf die Beamten der Länder und in den Kommunen. Deshalb hat der Tarifkonflikt eine erhebliche Tragweite und wird sicher von umfangreichen Warnstreiks geprägt. Womöglich sogar von einem Arbeitskampf.

Zwischen der zweiten Runde am 26. Januar – da werden die Arbeitgeber ein erstes Angebot vorlegen – und den vorentscheidenden Verhandlungen am 14. und 15. Februar wollen Verdi, Beamtenbund, Polizei- und Lehrergewerkschaft Druck machen auf die Arbeitgeber. Doch wenn es dann Mitte Februar kein Ergebnis gibt, dann lassen die Gewerkschaften abstimmen über einen Arbeitskampf. Und wie 2006 würde sich der Konflikt um die Prozente über Monate hinziehen.

Die Forderung der Gewerkschaften entspricht genau dem Volumen, das sie vor einem Jahr für die Arbeiter und Angestellten bei Bund und Kommunen aufgestellt hatten: acht Prozent mehr Geld, mindestens aber 200 Euro und 120 Euro mehr für Azubis. Das Ergebnis für 1,3 Millionen Beschäftigte sah dann so aus: 2008 stiegen die Tarifeinkommen um 3,1 Prozent, außerdem wurde auf jedes Monatsgehalt ein Betrag von 50 Euro aufgeschlagen. 2009 steigen die Tarife um weitere 2,8 Prozent. Dazu gibt es in diesem Jahr für alle noch eine Einmalzahlung von 225 Euro. Schließlich wurden die Ausbildungsentgelte rückwirkend zum 1. Januar 2008 um 70 Euro erhöht.

An diesen Daten orientieren sich die Verhandlungsführer der Gewerkschaften: Verdi-Chef Frank Bsirske und die Vorsitzenden der dbb-Tarifunion für den Beamtenbund, der Lehrer- und der Polizeigewerkschaft. Auf der anderen Seite gibt Niedersachsens Finanzminister Hartmut Möllring (CDU) den Ton an, assistiert von seinen Stellvertretern und Finanzministerkollegen aus Brandenburg und Nordrhein-Westfalen. Die wollen so wenig wie möglich zahlen und führen als Argumente die niedrige Inflationsrate in diesem Jahr und überhaupt die Krise an. Keinesfalls wollen sie sich orientieren an dem Abschluss für Bund und Kommunen: „Die Kommunen haben im vergangenen Jahr einen zu hohen Tarifabschluss gemacht, jetzt laufen ihnen in etlichen Bereichen die Kosten davon“, sagte Möllring dem „Handelsblatt“. „So etwas werden wir in den Ländern nicht zulassen.“

Dennoch ist das die Orientierungsmarke. Auch, um den Abstand zwischen den Beschäftigten nicht zu groß werden zu lassen. Ein Straßenwärter etwa, wie er in den Straßenmeistereien arbeitet, bekommt nach drei Jahren im Job 2030 Euro im Monat – wenn er bei einem Bundesland angestellt ist. Arbeitet er für eine Kommune, gibt es 111 Euro mehr. Noch größer sind die Differenzen bei Krankenschwestern in Unikliniken. Hier hat die Landesbeschäftigte ein Einstiegsgehalt von 1905 Euro brutto, nach Verdi-Angaben sind das fast 200 Euro weniger als eine Schwester bekommt, die in einem kommunalen Krankenhaus arbeitet.

Nach Gewerkschaftsangaben haben die öffentlichen Arbeitgeber zunehmend Probleme, qualifiziertes Personal zu bekommen – auch wegen der Bezahlung. Verdi zufolge lockt der Bund inzwischen EDV-Kräfte mit vierstelligen Zulagen. Auch wenn die Arbeitgeberseite den Vorwurf als falsch zurückweist, könnte der Fachkräftemangel womöglich in den Verhandlungen helfen. Streiks dagegen lassen die Arbeitgeber eher kalt: Beamte dürfen nicht streiken, bleiben als Kampftruppe vor allem die Gewerkschaftsmitglieder in statistischen Landesämtern, Staatstheatern und diversen Ministerien und Landesverwaltungen. Müllmänner und Erzieherinnen, die auf der kommunalen Ebene die stärksten Streiktruppen bilden, gibt es eben nicht bei den Ländern.

Und dann ist da noch die Krise. Ein Arbeitskampf in einer Zeit, in der etliche Angst um ihren Job haben, sei „emotional absolut ungünstig“, räumt man bei Verdi ein. Das wissen die Arbeitgeber. „Wir haben keine Angst vor einem Streik“, heißt es bei der Tarifgemeinschaft der Länder. Die Wahrscheinlichkeit für eine Einigung Mitte Februar ist also gering.

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