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Tarifstreit im Handel: Mehr Geld ist nicht genug

Der Tarifkonflikt im Handel spitzt sich zu. Der Zankapfel: Arbeitzeitregelungen und Zuschläge.

Berlin – In der Wilmersdorfer Straße in Berlin, wo sich die großen Handelsketten aneinanderreihen, wurden die Kunden am Freitag mit Transparenten und Trillerpfeifen begrüßt. Rund 1000 Beschäftigte von Firmen wie H&M, Thalia,Rewe, Ikea und anderen Einzelhändlern hatten sich nach Verdi-Angaben dort versammelt, um für mehr Gehalt und gegen den Ausstieg von Karstadt aus der Tarifbindung zu protestieren. Der Ausstand in Berlin ist Teil einer großen Streikwelle im Einzelhandel, die die Gewerkschaft zum Wochenbeginn angekündigt hatte.

Hintergrund des Streits ist die Kündigung der Tarifverträge der Branche durch den Handelsverband Deutschland (HDE). Gewerkschaften und Arbeitgeber müssen daher nun nicht nur das Entgelt, sondern auch die grundsätzlichen Arbeitsregelungen wie Kündigungsfristen oder Zuschläge neu aushandeln.

Die Arbeitgeber hatten die Kündigung aller Tarifverträge unter anderem mit der veralteten Entgeltstruktur begründet, die die moderne Berufswelt nicht mehr richtig abbilde. Die Struktur regelt, für welche Tätigkeiten welche Löhne im Handel gezahlt werden.

Ein Beispiel sind die so genannten Regalverräumer, die morgens oder nachts die Waren in den Geschäften einräumen. Hier greifen etliche Handelsunternehmen auf Werkvertragsbeschäftigte zurück, um Kosten zu sparen. Diese erhalten meist deutlich geringere Löhne als die Beschäftigten, für die ein Tarifvertrag mit Zuschlägen gilt. Der HDE möchte nun eine neue Gruppe der Regalverräumer in die Tarifverträge aufnehmen. Sie sollen 8,50 Euro pro Stunde und keine Zuschläge für Nachtarbeit bekommen. „Regale einräumen ist eine einfache Arbeit und wird besser bezahlt als eine kaufmännische Tätigkeit“, sagt Kai Falk vom HDE. Das sei nicht angemessen. Durch die Aufnahme dieser Gruppe in die Tarifverträge könne man die Zahl der Werkvertragsbeschäftigten reduzieren. „So könnte die Tarifbindung wieder für mehr Unternehmen attraktiv werden“, sagt Falk.

Tatsächlich ist die Tarifbindung im Handel niedrig, Schätzungen zufolge gilt nur für 40 Prozent der drei Millionen Beschäftigten in der Branche ein Tarifvertrag. Gerade erst hatte der Warenhauskonzern Karstadt mit 22 000 Beschäftigten eine „Tarifpause“ bekanntgegeben, um Kosten zu sparen.

Verdi hingegen befürchtet, dass neue Eingruppierungen nur dazu genutzt werden, um die Löhne zu drücken. Zwar wolle man ebenfalls eine Reform der Tarifverträge, „Billiglohngruppen“ werde man aber nicht akzeptieren, sagt Erika Ritter, Verdi-Fachbereichsleiterin für den Einzelhandel in Berlin und Brandenburg. Etliche Verkäufer, die sowohl verräumten als auch bedienten, könnten so niedriger eingestuft werden.

Bisher haben sich Gewerkschaften und HDE nicht einigen können. In NRW, wo etliche große Handelskonzerne wie Metro oder Rewe ihren Sitz haben, legte der Arbeitgeberverband ein erstes Angebot vor. Es sieht eine zweistufige Lohnerhöhung vor – zum 1. August um 2,5 Prozent und am 1. Mai 2014 um weitere 1,5 Prozent – in Kombination mit Einschnitten bei Zuschlägen für Abend- und Nachtarbeit sowie flexibleren Arbeitszeiten. Der Vorschlag für Baden-Württemberg sieht die gleiche Erhöhung bei leicht veränderter Laufzeit vor. Verdi hatte die Vorschläge als „Erpressung“ abgelehnt und fordert in NRW 6,5 Prozent mehr Geld.

In Berlin wollen beide Seiten die Gespräche am 14. August fortsetzen. Die Arbeitgeber haben noch kein Angebot vorgelegt, Verdi fordert neben einer Lohnerhöhung von einem Euro pro Stunde eine Angleichung des Weihnachts- und Urlaubsgeldes im Osten an das Westniveau sowie eine Beibehaltung aller Zuschläge. Die Streiks in Berlin sollen auch am heutigen Samstag fortgesetzt werden.

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