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Die Post wird ab Montag wieder bestreikt.

© dpa

Tarifstreit mit Verdi: Wie sich die Deutsche Post auf Gewinn trimmt

Ausgliedern, Ausdünnen, Gewinn steigern: Die Post hat sich in den vergangenen Jahren sehr verändert. An diesem Montag verhandelt Verdi erneut über Tariflöhne - von denen im Konzern immer weniger profitieren.

Von Maris Hubschmid

Einen Brief zu erhalten sei wie unangemeldet Besuch zu bekommen, schrieb Friedrich Nietzsche um 1880: Der Briefbote sei der „Vermittler unhöflicher Überfälle“. Er empfahl daher, „man sollte alle acht Tage eine Stunde zum Briefempfangen haben, und danach ein Bad nehmen.“

135 Jahre später treffen Briefe nicht nur täglich, in manchen Unternehmen sogar mehrmals täglich ein, es blinken Textbotschaften sekündlich per E-Mail, SMS oder Sofortnachricht bei ihrem Empfänger auf. Die Welt dreht sich schneller, und die Post dreht sich mit – die Dynamik der vergangenen Jahre scheint beispiellos. Im Ergebnis kann einem schon mal der Kopf schwirren: Heute wirbt die Post mit dem „E-Post- Brief“ für ein elektronisches Format, das einst ihr größter Feind war, sie schließt Filialen, während sie gleichzeitig die Zahl ihrer Standorte erhöht.

Postchef Appel hat Einsparungen angekündigt

Auf den ersten Blick steht das Unternehmen gut da. Mit einem Preis von über 30 Euro erreichte die Aktie im März einen Rekordwert, der Gewinn betrug im zurückliegenden Jahr drei Milliarden Euro. Dennoch hat Konzernchef Frank Appel drastische Einsparungen angekündigt, mit deren Hilfe er die Erträge um jährlich acht Prozent steigern will.

Die Post ist in Bewegung – seit jeher und naturgemäß. Die Post bewegt aber auch die Gemüter, und das derzeit vielleicht stärker denn je. Glaubt man der Gewerkschaft Verdi, dann bereichert sich das Unternehmen zunehmend auf Kosten seiner Mitarbeiter. Dann hat die Post nicht erst mit der Einführung von Paketbriefkästen und Packstationen, die eine Abwicklung ohne Kundenkontakt ermöglichen, an Menschlichkeit verloren. „Unsozial und schäbig“ sei die Post, formulierte es Volker Geyer, Vorstand der Kommunikationsgewerkschaft DPVKOM. Die Post breche bestehende Verträge, wirft Verdi ihr vor.

Ab Montag wird die Post wieder bestreikt

Am Montag gehen nach Warnstreiks, deren Folgen in Berlin noch Wochen danach nicht beseitigt waren, die Tarifverhandlungen mit dem Unternehmen in eine neue Runde. Der größte Streitpunkt ist dabei seit Monaten die Einrichtung von 49 Tochtergesellschaften für die Paketzustellung. Beschäftigte verdienen dort laut Gewerkschaft 20 Prozent weniger als Postmitarbeiter bisher.

Pakete können Kunden heute einfach am Automaten abgeben.
Pakete können Kunden heute einfach am Automaten abgeben.

© Imago

Kritik gibt es jedoch auch von anderen Seiten. Dem Postagenturnehmerverband zufolge droht jedem Dritten der insgesamt 25 000 Paketshops und Annahmestellen in Deutschland das Aus, weil der Konzern sie mit neuen Verträgen an den Rand der Wirtschaftlichkeit drängt. Demnach erhalten Partnerbetriebe wie Bäckereien und Kioske künftig keine festgelegten Zuschüsse mehr für Angebote wie Postfächer oder Geldauszahlungen, sondern lediglich Provisionen, die an die Einnahmen gekoppelt sind – und tragen damit das volle unternehmerische Risiko.

Auch die Kunden beschweren sich häufiger über die Post

Zu guter Letzt scheint auch der Unmut bei den Kunden zu wachsen. Wohl jeder kennt die eine oder andere Geschichte – geöffnete Briefe, Boten, die nicht klingeln, oder Pakete, die ihr Ziel nie erreichen. Nachweislich steigt die Zahl der Beschwerden rasant an. Im Vergleich zum Vorjahr verzeichnete die Bundesnetzagentur ganze 60 Prozent Zuwachs von Kundenklagen. Das Porto hat der Konzern binnen kurzer Zeit dafür sogar mehrfach erhöht.

Sonnengelb ist das Bild so gar nicht, das da entsteht. Was ist aus der Post geworden? Tatsache ist, dass sie den Großteil ihrer Geschäfte längst andernorts macht. Nicht mehr an hohen Schaltern in altehrwürdigen Gebäuden, wo Arbeitseifer und Hilfsbereitschaft versprühende Damen auf Kundenwünsche eingehen – wie es vor langer Zeit wohl einst gewesen sein soll. Durch zahlreiche Zukäufe hat sich die Deutsche Post World Net zu einem der größten Logistikkonzerne der Welt entwickelt. 114 Millionen Euro lässt sich der Konzern derzeit den Bau eines neuen Luftdrehkreuzes in Brüssel kosten.

Der Brief - das früherer Kernprodukt - ist aus der Mode

Die Post ist international geworden, und so heißt auch das gute alte Briefgeschäft nicht mehr Briefgeschäft, es heißt „Post – eCommerce – Parcel“, Post, elektronischer Handel und Pakete. Was einmal ihr Kernprodukt war, ist aus der Mode geraten: der Brief, der handschriftliche zumal, der mit Bedacht formulierte Gedankengänge überträgt und Liebesschwüre flüstert. Was zunimmt, mit anhaltend zweistelligen Wachstumsraten, ist das Paketgeschäft, das weit Profaneres befördert: Schuhe, T-Shirts, nahezu alle übrigen Gebrauchsgegenstände des Alltags, hin und retour. Infolge dieses kulturellen Niedergangs werden in den Postfilialen unserer Zeit bestenfalls Schreibwaren angeboten, die mit dem Begriff Papeterie nichts gemein haben.

Früher war die Post eine Behörde.
Früher war die Post eine Behörde.

© Bildarchiv Pisarek / akg-images

Unromantisch stellt sich in unserer Zeit gleichwohl auch die Wettbewerbssituation für die Deutsche Post da. Namen wie UPS, das zu Otto gehörende Unternehmen Hermes, die britische Post-Tochter GLS oder der von der französischen La Poste unterhaltene Paketdienst DPD bedrängen die Post in ihrem Heimatmarkt. Sie alle wollen vom Geschäft des einstigen Monopolisten etwas abhaben – und locken deshalb mit längeren Annahmezeiten und Niedrigpreisen.

Die Post ist der bestzahlende Arbeitgeber

Die sind nur möglich, weil sie den Menschen, die für sie Tonnen bewegen, deutlich weniger bieten – die Post ist, das darf nicht vergessen werden, im Vergleich noch immer nicht nur der mit Abstand größte, sondern auch der mit Abstand bestbezahlende Arbeitgeber. Pro Mitarbeiter, das ist eines ihrer Hauptprobleme, verdient sie weit weniger als ihre Mitbewerber. Dass sie sich derart scharfer Kritik ausgesetzt sieht, weil sie daran zu schrauben versucht, hat vor allem auch damit zu tun, dass man das nicht von ihr gewohnt ist: In der Anspruchshaltung der Nutzer muss die Post das Vorbild bleiben, die Gemeinnützige, die Beamtengehälter zahlt. Aus mehr als 156 Milliarden Euro Umsatz resultiert eine Verantwortung, der die Post sich nicht entziehen darf und kann. Aber auch der Schluss, dass drei Milliarden Euro Gewinn schnell verloren sind, wenn an dem einen oder anderen Punkt eine Weichenstellung versäumt wird.

2015, nach der Ära des handgeschriebenen Briefes, post scriptum also, ist die Post ein Logistik- und Kommunikationsunternehmen, an das nicht nur Millionen Kunden, sondern auch zahlreiche Aktionäre Erwartungen haben. Vorstandschef Klaus Zumwinkel galt seinerzeit als Zauderer, als Verhinderer. Frank Appel packt Dinge nun an. Das gefällt nicht jedem – aus gutem Grund. Dies immerhin aber hat er verinnerlicht, und ganz verkehrt kann es in seiner Welt nicht sein: Wer sich nicht bewegt, veraltet. Seine Botschaft auch.

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