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Wirtschaft: Tariftreue wird ein Wahlkampfthema

Das Tariftreuegesetz der Bundesregierung droht am Widerstand des Bundesrates zu scheitern. Davor warnten am Freitag die Vorsitzenden der Gewerkschaften Verdi und IG Bau.

Das Tariftreuegesetz der Bundesregierung droht am Widerstand des Bundesrates zu scheitern. Davor warnten am Freitag die Vorsitzenden der Gewerkschaften Verdi und IG Bau. Das umstrittene Gesetz wurde Ende April im Bundestag mit den Stimmen der Regierungskoalitionen verabschiedet. Ende Mai soll der Bundesrat darüber entscheiden.

Zum Thema Fototour: Wahlkampf 2002 Der Kanzlerkandidat der Union, Edmund Stoiber (CSU), habe ihm "keine verbindliche Zusage" über sein Abstimmungsverhalten im Bundesrat gegeben, sagte Verdi-Chef Frank Bsirske am Freitag in Berlin. Dies müsse als Hinweis darauf gedeutet werden, dass das Tariftreuegesetz "aus wahltaktischen Gründen" am 31. Mai im Bundesrat von den CDU-regierten Bundesländern abgelehnt werde. Sowohl er als auch SPD-Bundestagsabgeordneter und IG-Bau-Chef Klaus Wiesehügel warnten die Union deshalb am Freitag davor, sich dem Gesetz in den Weg zu stellen.

Wiesehügel, dessen Gewerkschaft Bundeskanzler Gerhard Schröder (SPD) im Oktober 2001 das Gesetz versprochen hatte, bezeichnete die Einhaltung von Tariflöhnen, die an dem Ort gelten, an dem der öffentliche Auftrag vergeben wird, als "einzigen Weg, Lohndumping in Deutschland zu verhindern". Vor dem Hintergrund der laufenden Verhandlungen zur Liberalisierung des Vergaberechts in der Europäischen Union sagte der Gewerkschafter, Deutschland "dürfe kein offenes Land bleiben, während sich die anderen abschotten". Noch immer würden in der Baubranche und im öffentlichen Nahverkehr Beschäftigte aus Süd- und Osteuropa zu Dumpinglöhnen arbeiten. Mit dem Tariftreuegesetz gelte es vor allem, Wettbewerber aus den EU-Beitrittsländern daran zu hindern, öffentliche Aufträge in Deutschland mit heimischen Tarifbedingungen zu gewinnen. "Das gefährdet deutsche Arbeitsplätze".

Das umstrittene Gesetz soll festschreiben, dass öffentliche Aufträge im Bau und ÖPNV-Bereich nur noch an solche Unternehmen vergeben werden dürfen, die den am Ort der Auftragsvergabe geltenden Tarifvertrag einhalten. Weil im vergangenen Halbjahr insbesondere ostdeutsche Bundesländer befürchtet hatten, dass damit ihren Unternehmen der Zugang zu Aufträgen im Westen versperrt werde, hat der Bundestag im April ein Gesetz mit zahlreichen Übergangsregelungen verabschiedet. Vor allem Abgeordnete der Grünen standen dem Gesetz auch wegen der Gefahr für eine Verteuerung der Aufträge für die finanziell klammen Kommunen skeptisch gegenüber. Der IG-Bau-Vorsitzende verwahrte sich Freitag gegen eine vermeintliche Benachteiligung ostdeutscher Unternehmen. Es sei ohnehin "nicht wünschenswert", dass so viele ostdeutsche Unternehmen im Westen Aufträge erhielten. "Man darf diese endlose Karawane nach Westen nicht auch noch unterstützen", sagte er. Seit der veränderten Parteigewichtung im Bundesrat durch den Wahlsieg der CDU in Sachsen-Anhalt gilt das Gesetz als erster Lackmustest für die Handlungsfähigkeit der rot-grünen Bundesregierung.

Das Bundesland Sachsen hatte bereits in der vergangenen Woche eine Initiative zur Ablehnung des Gesetzes in der Länderkammer angekündigt. Im Dresdner Wirtschaftsministerium hieß es dazu, man sei zuversichtlich, einige Bundesländer, die dem Gesetz (vor allem, weil sie selbst solche Landesregelungen besitzen) ursprünglich zustimmen wollten, nun umstimmen zu können. Die CDU-FDP-Landesregierung in Sachsen-Anhalt will sich am Ende der kommenden Woche mit dem Gesetz beschäftigen. Es sei bisher "kritisch bewertet" worden, hieß es in Magdeburg am Freitag.

Sollte das Gesetz den Bundesrat nicht passieren, kündigten Bsirske und Wiesehügel Demonstrationen der Gewerkschaftsmitglieder an. "Das ist ein Gesetz von grundlegender sozialer Bedeutung", sagte Wiesehügel. Verdi-Chef Bsirske schloss nicht aus, dass seine Gewerkschaft das Stimmverhalten des bayerischen Ministerpräsidenten und Kanzlerkandidaten Edmund Stoiber im Bundesrat mit einer Empfehlung an seine Gewerkschaftsmitglieder zur Bundestagswahl verknüpfen werde. "Das Tariftreuegesetz ist ein Indikator für den sozialpolitischen Standort des Kandidaten", sagte Bsirske. Beide Gewerkschafter forderten den Bundeskanzler zudem auf, sich seines Versprechens im Herbst zu erinnern und dafür zu sorgen, dass das Tariftreuegesetz umgesetzt wird.

asi

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