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Zeitdruck: Gebäudereiniger sind strengen Vorgaben unterworfen.

© dpa

Tarifverhandlungen im Gebäudereinigerhandwerk: „Wir sind das unterste Glied in der Kette“

Der Wettbewerb unter den Gebäudereinigern ist hart. Zu spüren bekommen das vor allem die Mitarbeiter – beim „Tempoputzen“.

Mit dem roten Lappen reinigt Andreas Döhnert ausschließlich die Toiletten. Er kontrolliert die Stehbecken, hebt die Klobrillen kurz an und wischt nach. Es ist elf Uhr an einem Montagvormittag, als der 58-Jährige mit seiner Arbeit beginnt. Nach der zehnten Toilettenkabine auf dem fünften Stockwerk ist der erste Arbeitsgang erledigt – nach einer Stunde. Der Gebäudereiniger ist außer Atem. Er hat sich beeilt. Wäre nicht jeder Handgriff so routiniert, nicht jeder Gang durch das Schulgebäude in Wilmersdorf schon bekannt, hätte das nicht in der Zeit hingehauen, sagt Döhnert. Eine Stunde, zehn Toiletten: Das schreibt ihm sein Arbeitgeber so vor.

Vierte Tarif-Runde im Gebäudereinigerhandwerk

Der Gebäudereiniger putzt bereits seit 17 Jahren. Die Bedingungen seien in dieser Zeit immer schlechter geworden, sagt er. Deshalb steht er hinter den Forderungen der Industrie Gewerkschaft BauenAgrar-Umwelt (IG Bau). Die will am Dienstag in der bereits vierten Verhandlungsrunde mit dem Innungsverband in Essen einen Tarifvertrag gegen Leistungsverdichtung durchsetzen und „noch härter gegen Tempoputzen vorgehen“, wie IG Bau-Vorsitzende Ulrike Laux sagt.

Innung findet Forderungen übertrieben

Der Vorwurf der Gebäudereiniger: Die Unternehmen zahlten zwar über dem Mindestlohn (9,55 Euro im Westen, 8,50 im Osten), setzten dafür aber weniger Leute für das gleiche Arbeitspensum mit verkürzter Zeit ein. Schuld an den knappen Zeitvorgaben der Reinigungsfirmen ist der Druck in der Branche, sagt Gebäudedienstleister-Innungssprecher Johannes Bungart. Er findet die Forderungen der IG Bau übertrieben. „Turboputzen ist doch gar kein Thema, wenn es um die Verhandlung von Löhnen geht“, sagt er.

Berliner Immobilien Management für Vergabe zuständig

Andreas Döhnert zeigt den Zettel mit den Vorgaben seines Arbeitgebers. Da steht zum Beispiel etwas vom Reinigungsfaktor 12 bei Türrahmen: Das heißt, er muss die Rahmen dreimal in der Woche putzen. „Das habe ich mir alles selbst errechnet“, sagt Döhnert. Er findet die Anweisungen intransparent. Die verstehe er nun nach jahrelanger Erfahrung. Für die Schule, die er tagtäglich reinigt, ist die Berliner Immobilienmanagement GmbH (BIM) zuständig. Die BIM arbeitet bei der Vergabe ihrer Aufträge mit dem RAL-Institut zusammen. Das hat Gütekriterien entwickelt. Anhand dieser Kriterien tüftelt das Institut genaue Ausschreibungen zusammen: Was muss die neue Firma leisten, sprich wie viele Quadratmeter müssen wie viele Gebäudereiniger in welcher Zeit putzen? Wer dann die günstigsten Preise zu den besten Konditionen liefert, bekommt den Zuschlag.

Rüstungsarbeiten „fressen Zeit“

„Wir sind das unterste Glied in der Kette“, sagt Döhnert und füllt den Frischwassertank der roten Scheuermaschine. Das dreckige Wasser vom Vortag hat einer der Kollegen wohl vergessen abzupumpen. Also kniet sich Döhnert neben die Maschine und führt den Schlauch zum Abfluss. Eben solche Arbeiten seien es, die „Zeit fressen“. Er habe bereits für Unternehmen gearbeitet, die bis zu drei Stunden für die Vor- und Nachbereitungszeiten einrechneten. Doch das sei heute fast nirgendwo mehr üblich, wenngleich nötig. In dem Schulgebäude in Wilmersdorf sind vom Arbeitgeber genau 29,75 Stunden pro Tag für die Reinigung vorgesehen. Mit sieben Mann.

Mehr Reinigung in weniger Zeit

Döhnert ist die einzige Vollzeit-Kraft, der Rest ist für 15 bis 20 Stunden die Woche angestellt. Die Auflagen seien im Juli geändert worden. Die Zwischenwände der Schultoiletten sollen Döhnert und seine Kollegen nun wöchentlich reinigen. Früher war das nur monatlich Pflicht. Doch mehr als 29,75 Stunden pro Tag gäbe es auch dafür nicht.

„Duckmäusertum“ in der Branche verbreitet

Die Scheuermaschine gleitet den langen Schulflur entlang. So fährt er hin und her, alle Flure auf drei Stockwerken. Die Ecken übernehme später seine Kollegin Jutta mit dem Wischer. Das sei zeitlich effektiver, sagt Döhnert. Der 58-Jährige versteht seine Kollegen nicht. „Das Duckmäusertum in der Branche ist verbreitet“, sagt er. Viele würden sich aus Angst vor einer Kündigung nicht gegen die „miesen Bedingungen“ wehren. Diese Scheu kennt er nicht. Bereits mehrere Male ist er vor Gericht gezogen – bislang immer erfolgreich. Bis zu 38 000 Euro habe er dabei rausgeholt.

Döhnert hilft seinen Kollegen

Döhnert bekommt einen Anruf. Zwei Kollegen in der Sporthalle brauchen Hilfe. Die Scheuermaschine dort scheint nicht zu funktionieren. Im anderen Gebäude angekommen zeigt sich, dass einer der Männer – ein junger Serbe, der nur gebrochen Deutsch spricht – den falschen Knopf betätigt hat. Er ist sichtlich erleichtert, nachdem Döhnert ihm zu Hilfe geeilt ist.

Eine angemessene Bezahlung fehlt

Er habe ihn auch eingelernt, ihm alles gezeigt und eingewiesen, quasi wie ein Vorarbeiter. Bezahlt wird Döhnert allerdings zum gleichen Lohn wie alle anderen. 300 Euro mehr im Monat würde es seinen Arbeitgeber kosten ihn seiner Rolle angemessen zu bezahlen. Jetzt hoffe er aber erst einmal auf eine Klausel gegen die Leistungsverdichtung, sagt Döhnert.

Es gibt „immer mal jemanden, der über rot geht“

Johannes Bungart von der Gebäudedienstleister-Innung hält einen Tarifvertrag gegen Leistungsverdichtung für abwegig. „Die Unternehmen wären ja blöd sich selbst was vorzugeben, was sie gar nicht einhalten können“, sagt er. Schließlich sei die Branche einem ständigen Wettbewerb ausgesetzt, ein solcher Vertrag sei da nur beschränkend. „Natürlich gibt es immer mal jemanden, der über rot geht“, gibt er zu. Die Situation der Gebäudereiniger sei allerdings lange nicht so schlimm wie oft dargestellt.

An die Erhöhung der Löhne um drei Prozent glaubt Andreas Döhnert nicht so richtig. Mehr Geld würde er sich trotzdem wünschen. Auch wenn das zulasten der Zeitrechnung ginge. Das hieße: Mehr Geld, aber weniger Zeit, mit weniger Leuten.

Janina Schreiber

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