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Tausendundein DEAL (75): Abschied vom Großen Geist

Über viele Monate sind Mohammed und ich so etwas wie Freunde geworden. Mohammed betreibt nämlich eine Autowerkstatt – und ich habe mich vor zwei Jahren in eine große, alte Limousine der Mercedes S-Klasse verliebt.

Über viele Monate sind Mohammed und ich so etwas wie Freunde geworden. Mohammed betreibt nämlich eine Autowerkstatt – und ich habe mich vor zwei Jahren in eine große, alte Limousine der Mercedes S-Klasse verliebt. Wenn ich mal wieder wegen des Autos bei Mohammed bin, sitzen wir meist in seinem klimakontrollierten Büro und trinken Tee. Hinter Mohammed ist die Fahne Palästinas drapiert, auf dem Boden steht ein Rennwagen mit Fernsteuerung. Vor Mohammed, hinter Glas, erstreckt sich seine Autowerkstatt: Die Halle ist blitzeblank, überall stehen S-Klasse-Wagen, lange 7er BMW herum, ein einsamer Rolls Royce, mehrere Audi mit acht oder zwölf Zylindern. Unter und über, ja, in den Motorräumen der Autos ein Dutzend Männer, alle tragen mit Stolz den Namen der Werkstatt auf den Hemden: „VIP German Car Repair“.

Leider sind zwei der Männer über mein Auto gebeugt, das direkt vor dem Bürofenster in der Halle steht: die Klimaanlage, zum dritten Mal in diesem Sommer. Wieder einmal haben Mohammed und ich beim Tee Gelegenheit, über Palästina zu sprechen – Mohammed will endlich Frieden – am besten gleich mit allen. Über Autos – Mohammed scheint die Baupläne aller großen deutschen Autos in die Hirnrinde geätzt bekommen zu haben. Und über Kinder – Mohammed erläutert, welche Autos seine Söhne fahren. In einer Gesprächspause, den Blick auf meinem Auto, seufze ich: „Ach, er ist schon schön…“ Er blickt raus und seufzt dann auch: „Wir Araber nennen diese S-Klasse-Modelle aus den Neunzigern ,Al Schabach’ - den ‚Großen Geist'.“ Er wedelt mit dem Arm in Richtung Halle: „Die neueren, wie der da drüben, heißen ‚Die Träne des Vaters'. Wegen der Form der Scheinwerfer – und weil sie so teuer waren, dass die Besitzer beim Bezahlen weinen mussten.“ Plötzlich trägt das Gesicht von Mohammed die Züge eines Arztes in der Sprechstunde: „Mein Freund, Dein Auto ist zu alt. Ich sehe Dich gerne hier, aber mir blutet auch jedes Mal das Herz. Du hast Deinen Spaß gehabt mit dem Großen Geist – es ist Zeit für etwas Neues!“ Beim Rausgehen drehe ich mich noch mal um: „Was kriege ich denn für den Wagen?“ Mohammed: „Fast nichts. Außer Du findest einen anderen doofen Deutschen, der seinen Traum leben will. Hol' Dir doch so einen“, er zeigt auf einen brandneuen Mercedes S 500 und lacht, „Der hat auch schon einen Spitznamen. Wir nennen ihn ‚Viagra'!“

Tewe Pannier, ein Geschäftsmann

aus Berlin, erzählt von Arabien

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