zum Hauptinhalt

Tausendundein DEAL (97): Vielleicht im neuen Jahr

Zu Silvester wähnte ich mich eigentlich woanders, nämlich im Reihenhaus an der Beach Road, der Strandstraße. Stattdessen sitze ich am vorletzten Tag des Jahres im 23.

Zu Silvester wähnte ich mich eigentlich woanders, nämlich im Reihenhaus an der Beach Road, der Strandstraße. Stattdessen sitze ich am vorletzten Tag des Jahres im 23. Stock des Wohnturmes 20 Kilometer weiter südlich. Die Fenster sind noch nie geputzt worden seit Fertigstellung und so erkenne ich die Nachbar- Türme nur schemenhaft durch die Schicht getrockneten Baustaubs, wie mit zusammengekniffenen Augen.

Wohlwollend könnte es Midtown Manhattan sein, diese Siedlung von rund zwei Dutzend Wolkenkratzern, alle ganz neu. Mit bösem Willen kann man an Marzahn denken oder das Märkische Viertel. Realistisch ist es ein bisschen wie Nord- Miami-Beach, inklusive der drei Park-Etagen im Sockel, des künstlich aufgeschütteten Strandes, der Einkaufscenter auf der anderen Seite der Autobahn.

Dabei ist das Reihenhaus so luftig weiß, so gut geschnitten, so ideal gelegen. Meine Frau hatte dem Makler bei der Besichtigung spontan einen Handschlag gegeben, schon am nächsten Tag lieferte ich die Schecks für Courtage und erste Miet-Anzahlung. Das war am Anfang dieses Jahres, das sich nun dem Ende neigt. „Im Juli können Sie einziehen“, sagte der Makler damals, „allerspätestens im August. Mein Kollege Abdullah gibt Ihnen dann Bescheid!“

Im März bestellten wir einen neuen Esstisch. Im April luden wir unsere Schwägerin mit Mann und Kind zu Weihnachten ein. Im Mai machten wir Wochenendausflüge zu unserem neuen Heim; der Bauleiter hatte sein Büro in unserem Kinderzimmer eingerichtet, seine Leute schliefen zu Mittag in unserem kleinen Garten. Im Juni waren wir handelseinig mit dem Nachmieter für unsere alte Wohnung.

Im Juli rief ich zum ersten Mal Abdullah an. „Keine Sorge, mein Freund“, sagte der gelassen. „Ende August könnt ihr einziehen, so Allah will.“ Von nun an machte ich mir Sorgen, die in meinem dritten Jahr in Arabien durch beide Satzteile „mein Freund“ und „so Allah will“ ausgelöst wurden. Tatsächlich: Ab da war Abdullah nicht mehr zu erreichen. Im August schickte er eine SMS: „Es wird Oktober, mein Freund.“ Ab September machte der Nachmieter Druck, er wollte ja eigentlich im August einziehen. Im Oktober rückte Abdullah mit der Wahrheit ’raus: „Es wird wohl März.“ Im November mieteten wir die Hochhaus-Wohnung an. Im Dezember kam Ilka, die Schwägerin, und meinte berlinisch trocken: „Vielleicht meinten die August im neuen Jahr.“

Der Autor betreibt eine Medienfirma in Dubai und lebt abwechselnd dort und in Berlin.

Tewe Pannier, ein Geschäftsmann

aus Berlin, erzählt von Arabien

Zur Startseite