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Telekom-Affäre: Schwerer Vertrauensschaden

Nach Bekanntwerden der Datenspionage und den Strafanzeigen gegen Zumwinkel und Ricke befürchtet die Dienstleistungsgewerkschaft Verdi, dass Kunden sich vom Unternehmen abwenden werden. Aber auch Arbeitnehmervertreter stehen in der Kritik.

Berlin - Der stellvertretende Aufsichtsratschef der Telekom befürchtet, dass die Bespitzelungsaffäre weitreichende Konsequenzen für das Unternehmen haben wird. „Die Auswirkungen auf den Konzern sind katastrophal. Die Kunden sagen sich, die Daten sind bei der Telekom nicht mehr sicher“, sagte Lothar Schröder am Donnerstag in Berlin. Schröder, der auch im Vorstand der Gewerkschaft Verdi sitzt, hält es für möglich, dass Kunden abwandern werden. Ihn rege auf, dass Zehntausende von Mitarbeitern redlich ihre Arbeit bei der Telekom erledigten und nun unter den Fehlentscheidungen Weniger zu leiden hätten. Bei der Telekom, einem Konzern der Beschäftigten den Lohn kürze, streikende Mitarbeiter mit Entlassung bedrohe und Aufsichtsräte bespitzele, sei noch einiges an Kulturarbeit zu leisten, sagte der Verdi-Vorstand.

Auch um Einblick in die Ermittlungsakten erhalten zu können, erstatteten die Arbeitnehmervertreter Anzeige gegen die Telekom und gegen unbekannt. Der Vorwurf lautet auf Verletzung des Fernmeldegeheimnisses, der Pressefreiheit und des Rechts auf informationelle Selbstbestimmung. Die Bonner Staatsanwaltschaft ermittelt gegen mindestens acht Personen, unter ihnen der frühere Vorstandschef Kai-Uwe Ricke und Ex-Aufsichtsratschef Klaus Zumwinkel.

Die Befürchtung, selbst Opfer der Bespitzelung gewesen zu sein, kommt nicht von ungefähr. Die Arbeitnehmervertreter in Aufsichtsräten geraten immer wieder – auch in anderen Unternehmen – unter Verdacht, interne Informationen in die Öffentlichkeit zu bringen. Denn ihre Interessen stehen oft diametral gegen die der Konzernspitze. Der Hamburger Wirtschaftsjurist Michael Adams sieht in den Vorgängen bei der Telekom daher auch Symptome einer „Krankheit der Mitbestimmung“. Da die Aufsichtsräte großer Aktiengesellschaften zur Hälfte mit Arbeitnehmervertretern besetzt seien, müssten Betriebsräte und Gewerkschafter kaum Sanktionen fürchten, wenn sie Vertrauliches nach außen trügen – etwa drastische Sparmaßnahmen, Verkäufe oder Pläne zum Stellenabbau. „Obwohl es strafbar ist, Gremiengeheimnisse zu verraten, bleibt kaum etwas geheim“, sagte Adams dieser Zeitung. „Das schadet deutschen Unternehmen erheblich.“ Adams plädiert deshalb für eine Verkleinerung der Aufsichtsräte und eine Reduzierung des Arbeitnehmeranteils auf ein Drittel.

Nach Paragraf 404 Aktiengesetz drohen Vorständen oder Aufsichtsräten börsennotierter Gesellschaften bis zu zwei Jahren Freiheitsstrafe oder eine Geldstrafe, wenn sie „ein Geheimnis der Gesellschaft, namentlich ein Betriebs- oder Geschäftsgeheimnis… unbefugt offenbaren“. Die Entscheidung des Telekom- Vorstands, undichte Stellen im Aufsichtsrat zu finden, sei deshalb nachvollziehbar, sagte Adams. Der Entschluss jedoch, auch Kontaktinformationen zu sammeln und auszuwerten, sei „katastrophal falsch“ gewesen und ein Bruch des Fernmeldegesetzes. „Der Vorstand hat sich offenbar gesagt: wir haben die Daten doch im Haus – da bedienen wir uns einfach“, sagte Adams. Das Vertrauen der Telekom-Kunden in die Sicherheit ihrer persönlichen Daten sei erschüttert. „Davon lebt die Telekom eigentlich.“

Auch Aktionärsvertreter befürchten Schaden für die Telekom: Die Deutsche Schutzvereinigung für Wertpapierbesitz (DSW) und die Schutzgemeinschaft der Kapitalanleger (SdK) bekräftigten ihre Forderung nach einer möglichst raschen Aufklärung der Spitzelaffäre. Der Fall sei beispiellos. „Es gibt nichts Vergleichbares“, sagte ein DSW-Sprecher dem Tagesspiegel. Die DSW sehe Telekom-Chef René Obermann in der Rolle des Aufklärers. SdK-Vorsitzender Klaus Schneider forderte eine „juristische Aufklärung ohne Ansehen von Ämtern und Personen“. Für ihn wiegt der Bruch des Fernmeldegeheimnisses schwerer als die Verletzung von Geheimhaltungspflichten des Aufsichtsrates.

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