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Wirtschaft: Telekom: Ron Sommers teure Irrtümer

Der Glanz des Aktienverkäufers Ron Sommer ist verblasst. Seit Monaten strapaziert der Telekom-Chef die Geduld seiner Aktionäre, die Tag für Tag die Entwertung der 1996 mit viel Tamtam verkauften T-Aktie verfolgen: Ihrem Ausgabepreis von 14,57 Euro (28,50 Mark) ist die "Volksaktie" inzwischen bedrohlich nahe gekommen.

Der Glanz des Aktienverkäufers Ron Sommer ist verblasst. Seit Monaten strapaziert der Telekom-Chef die Geduld seiner Aktionäre, die Tag für Tag die Entwertung der 1996 mit viel Tamtam verkauften T-Aktie verfolgen: Ihrem Ausgabepreis von 14,57 Euro (28,50 Mark) ist die "Volksaktie" inzwischen bedrohlich nahe gekommen. Am Donnerstag stürzte das Papier zeitweise auf 16,07 Euro - den tiefsten Stand seit dreieinhalb Jahren. Auch der kräftige Kursgewinn vor dem Wochenende war für Anleger kein Anlass zum Durchatmen. Die Aktionäre fragen sich vielmehr, was der T-Aktie dauerhaft Auftrieb geben kann?

Unter den Ratlosen finden sich immer mehr Kritiker, die daran zweifeln, ob Ron Sommer der richtige Mann an der Konzernspitze ist, der das verlorene Vertrauen der Börse zurückgewinnen kann. Sein Unternehmen habe Substanz, beteuert Sommer. Nur der Markt habe dies noch nicht verstanden. Ein Missverständnis, das die Anteilseigner der Telekom Milliarden gekostet hat: Ende März 2000 hatte die Telekom einen Börsenwert von 135 Milliarden Euro. An diesem Freitag lag er bei 75 Milliarden Euro.

In der kommenden Woche wird die Telekom Zahlen für das erste Halbjahr 2001 vorlegen. Analysten erwarten jedoch keine großen Überraschungen. Bereits Ende Juli gab das Management bekannt, dass der Umsatz im Vergleich zum ersten Halbjahr 2000 um 17,4 Prozent auf 22,6 Milliarden Euro gestiegen sei. Dabei lief in den ersten sechs Monaten 2001 ein Verlust von 400 Millionen Euro auf. Die Schulden des Unternehmens sind unterdessen auf einen neuen Höchststand geklettert: 68,8 Milliarden Euro.

Den Schuldenberg abzutragen, das war eines der Versprechen, das Sommer bei seinem Amtsantritt den Aktionären gab. In den ersten vier Jahren gelang ihm das auch. Heute steht der Konzern aber wieder so schlecht da wie damals. Die Verbindlichkeiten sind zuletzt vor allem durch die Übernahme des US-Mobilfunkanbieters Voicestream - und dessen Schulden - in die Höhe geschnellt. Dabei hatte der Telekom-Chef doch mit dem Zukauf in den USA eigentlich ein weiteres Versprechen einlösen wollen, nämlich aus der Telekom einen internationalen Konzern zu machen. Auf der Hauptversammlung im Jahr 2000 hatten ihm Aktionärsvertreter noch vorgeworfen, mit seiner Internationalisierungsstrategie nicht voranzukommen. Die Telekom sei eher ein "Local Hero" denn ein "Global Player", hieß es.

Im Jahr zuvor hatte Sommer bereits unter Beweis gestelllt, dass die Kritik berechtigt war. Die Fusion mit Telecom Italia platzte. Das Debakel versperrte Sommer nicht nur den Zugang zum italienischen Markt, sondern beendete auch die langjährige Partnerschaft mit France Télécom. In Frankreich haben sich die Deutschen damit nicht nur den wichtigsten Player zum Feind gemacht, sondern auch den gemeinsamen Engagements bei der amerikanischen Telefongesellschaft Sprint und dem internationalen Anbieter Global One die Grundlage entzogen. Mittlerweile ist die Telekom nach Osteuropa ausgewichen, wo sich der Konzern eine Vielzahl von Beteiligungen zugelegt hat. Doch diese Märkte müssen sich erst entwickeln.

Mit dem Kauf von Voicestream in diesem Jahr hat die Telekom den wichtigen Schritt in die USA geschafft. "Zu spät und zu einem überzogenen Preis", sagt Klaus Nieding von der Deutschen Schutzvereinigung für Wertpapierbesitz (DSW). Tatsächlich wird Voicestream noch Jahre lang nicht in die schwarzen Zahlen kommen, und für den Netzaufbau sind auch noch erhebliche Investionen notwendig. Aber nicht allein der hohe Kaufpreis drückt den Aktienkurs. Auch die Tatsache, dass zu einem erheblichen Teil in T-Aktien bezahlt wurde, lastet schwer auf dem Papier. Zwar setzt der Firmenkauf per Aktientausch nicht das Budget unter Druck. Aber das Risiko ist groß, dass Altaktionäre die ihnen angedienten Aktien wieder abgeben. Auf der Hauptversammlung in diesem Jahr habe Sommer den Aktionären zugesichert, dass der Aktienrückfluss kontrolliert und kursschonend passieren werde, sagt Nieding. "Das Gegenteil ist der Fall." Der jüngste Kurssturz wurde durch den Verkauf eines Aktien-Pakets ausgelöst, die zum Großteil vom ehemaligen Voicestream-Anteilseigner Hutchison Whampoa stammten.

Belastet wird der Kurs der T-Aktie schon länger vom Milliarden-Engagement der Telekom für die Lizenzen des neuen Mobilfunkstandards UMTS. Sommer hat vor allem dort Lizenzen gekauft, wo sie besonders teuer waren: in Deutschland und in Großbritannien. Wer künftig im Mobilfunkgeschäft erfolgreich sein wolle, müss bei UMTS dabei sein, hatte es im vergangenen Jahr noch geheißen. Mittlerweile ist die Euphorie für die neue Mobilfunktechnik nicht nur abgeflaut, es wird wohl auch viel länger als erwartet dauern, bis damit Geld verdient werden kann. Die Telekom rechnet damit erst 2003.

Inzwischen greift Sommer auf seinen Immobilienbestand zurück, um mit dem Verkauf einen Teil der Schulden zu reduzieren. Den Wert der Immobilien musste das Unternehmen allerdings im Februar erst einmal um zwei Milliarden Euro nach unten revidieren. Daraufhin reichten mehrere Aktionäre eine Prospekthaftungsklage ein. Der Vorwurf: Der Vorstand habe bereits seit längerem von der Überbewertung gewusst und hätte dies bei der Emission der dritten Tranche im Sommer 2000 im Prospekt erwähnen müssen. Inzwischen ermittelt die Staatsanwaltschaft. Aktionärsvertreter befürchten, dass weitere Wertberichtigungen notwendig werden.

Der Druck auf Ron Sommer wächst. Ebenso wie die Kleinanleger leidet auch der größte Telekom-Aktionär, der Bund, unter dem Kursverfall der T-Aktie. Bislang stärken Bundeskanzler und Finanzminister Sommer den Rücken. Und auch wenn Elmar Müller, Telekom-Experte der CDU/CSU-Fraktion, sagt, "die Deutsche Telekom hat in ihrer langfristigen Strategie kein Angebot, das die Aktionäre beruhigen kann", fordert er nicht den Rücktritt des Telekom-Chefs. Ein Wechsel an der Spitze, sei jetzt nicht die vordringlichste Aufgabe. Und sein Parteikollege, der Haushaltsexperte Dietrich Austermann, fügt hinzu: "Ich sehe im Moment niemanden, der es besser machen könnte."

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