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Absteiger. Für Tengelmann und den Chef Karl-Erivan Haub ist die Pleite ein weiterer Schritt in Richtung Mittelfeld.

© dpa

Tengelmann: Dynastie in Turbulenzen

Für die Tengelmann-Gruppe ist die Insolvenz der US-Tochter A&P ein schwerer Rückschlag. Binnen zehn Jahren hat sich der Umsatz halbiert.

Düsseldorf - Ohne die US-Flagge am Revers geht Karl-Erivan Haub, 50, selten aus dem Haus. Der Chef der Mülheimer Handelsgruppe Tengelmann ist bekennender Amerikafan. Er besitzt nicht nur eine Ranch in Wyoming, sondern auch die amerikanische Staatsbürgerschaft.

Haub und seine Verwandten haben den USA viel zu verdanken: Das Selbstbedienungskonzept etwa, das ihren Supermarktkonzern nach dem Zweiten Weltkrieg zu einem der Marktführer in Deutschland aufsteigen ließ, schauten sich die Tengelmann-Eigner 1953 bei den Amerikanern ab.

Doch Amerika hat es nicht nur gut gemeint mit der Familiendynastie. Zum Wochenbeginn erlebte das Unternehmen einen der schwersten Rückschläge in der 143-jährigen Firmengeschichte. Tengelmanns umsatzstärkste Beteiligung, der Supermarktkonzern The Great Atlantic & Pacific Tea Company (A&P), beantragte am Sonntagabend das Insolvenzverfahren nach Chapter 11.

Karl-Erivan Haub reagierte gefasst. Er kündigte im Gespräch mit dem Handelsblatt eine Abschreibung „unterhalb eines dreistelligen Millionenbetrags“ an. „Damit kommen wir zwar nicht in die Verlustzone, aber für uns ist das natürlich trotzdem schmerzhaft“, sagte er.

A&P betreibt in den USA 395 Filialen und machte im jüngsten Geschäftsjahr 9,5 Milliarden Dollar Umsatz – mit 40 000 Beschäftigten. Für Tengelmann, einst eines der größten Handelsunternehmen in Deutschland, ist die Pleite ein weiterer Schritt in Richtung Mittelfeld: Noch vor zehn Jahren setzten die Mülheimer 26 Milliarden Euro im Jahr um. Sie spielten damit in derselben Liga wie Edeka, Rewe oder Aldi.

Ende der 90er-Jahre begann der Abstieg aus der Königsklasse der Handelsriesen. Damals war Tengelmann selbst fast insolvent. Seither trennt sich das Unternehmen konsequent von seinen Verlustbringern – zuletzt von seinem Discounter Plus und der Drogeriekette KD. Die Erlöse des Konzerns schrumpften bis 2009 auf 11,3 Milliarden Euro – ohne A&P, die Tengelmann nicht mitgerechnet hat, weil er nur 38 Prozent an der US-Tochter hält. Zum Vergleich: Edeka und Metro kommen jeweils auf weit mehr als 40 Milliarden Euro.

Auch in den USA verzettelte sich Tengelmann. A&P gilt seit Jahren als Sanierungsfall, der börsennotierte US-Konzern hatte sich 2007 an der Übernahme des Rivalen Pathmark verhoben. Danach verschärfte die Wirtschaftskrise die Ertragslage. Nach einem Verlust von 143 Millionen Dollar im Vorjahr beendete A&P das Geschäftsjahr 2009/2010 im Februar mit einem Minus von 857 Millionen Dollar.

Man habe auf einen „völlig falschen Vorstandschef“ gesetzt und „ein totales Desaster“ erlebt, sagte Tengelmann-Chef Haub bereits vor vier Monaten. Sein Bruder Christian, der A&P als Chairman leitet, entließ damals den kompletten Vorstand und besetzte die Posten neu – ohne den erhofften Erfolg, wie man heute weiß.

Tengelmann selbst ist zwar kleiner als früher, steht wirtschaftlich aber solide da. Dank der vielen Verkäufe besitzt das Unternehmen 250 Millionen Euro an liquiden Mitteln. Die Eigenkapitalquote liegt bei 33 Prozent. Karl-Erivan Haub gibt sich kämpferisch: Er will nun wieder investieren – vor allem in die Baumarktkette Obi.

Auf Deutschlands Supermarktregale hat die Insolvenz jedoch erst mal keine Auswirkungen. Zwischen der Marke A&P und der US-Tochter gebe es außer den Anfangsbuchstaben keinen Zusammenhang, erklärte ein Sprecher. HB

Christoph Schlautmann, Dieter Fockenbrock

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