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Umsätze sinken: ein Kaiser's Markt in Berlin.

© picture alliance /dpa/Arno Burgi

Update

Tengelmann verliert Geduld: Jeder zweite Kaiser's-Job in Berlin in Gefahr

Die Übernahme von Kaiser's Tengelmann durch Edeka kommt nicht voran. Nun droht der Kahlschlag. Die Hälfte der Berliner Kaiser's-Filialen macht Verlust. Wirtschaftssenatorin Yzer ist alarmiert.

Seit zwei Jahren versucht der Chef von Kaiser’s Tengelmann, Karl-Erivan Haub, die Supermarktkette an den Branchengrößten, die Edeka-Gruppe, zu verkaufen. Erst sagte das Bundeskartellamt nein, dann hob das Oberlandesgericht Düsseldorf im Eilverfahren die Ministererlaubnis auf, mit der Bundeswirtschaftsminister Sigmar Gabriel (SPD) die Supermarktehe doch noch möglich machen wollte. Seitdem liefern sich die Anwälte eine juristische Schlacht nach der nächsten. Die Tengelmann-Juristen versuchen, einen schnellen Termin beim Bundesgerichtshof zu bekommen, um das Düsseldorfer Oberlandesgericht zu überstimmen. Die Anwälte von Rewe, der Nummer zwei im Lebensmittelhandel und ebenfalls an Kaiser’s Tengelmann interessiert, wollen dagegen den Deal endgültig zu Fall bringen.

Karl-Erivan Haub hat drastische Pläne

Tengelmann-Chef Haub scheint von dem Geschacher und der Hängepartie jetzt die Nase gestrichen voll zu haben. Glaubt man der „Westdeutschen Allgemeinen Zeitung“, will Haub bei einer außerordentlichen Aufsichtsratssitzung am 23. September einen Plan vorlegen, der einem Kahlschlag gleichkommt. 5000 der derzeit noch knapp 16.000 Arbeitsplätze sollen abgebaut, Filialen geschlossen werden, schreibt die Zeitung. Nach Recherchen der Nachrichtenagentur dpa sollen sogar 8000 Jobs wegfallen, möglicherweise noch mehr.

Auch Berlin wäre betroffen

Nach Tagesspiegel-Informationen wäre auch Berlin betroffen. Hier arbeiten derzeit 5600 Menschen für Kaiser’s, die Hälfte der Stellen ist in Gefahr, heißt es aus unternehmensnahen Kreisen. Auch der Betriebsratsvorsitzende von Kaiser’s in Berlin, Volker Bohne, ist in Sorge. „Die Umsätze sind gesunken“, sagte Bohne dem Tagesspiegel, dass wirklich jede zweite Stelle in Gefahr ist, glaubt Bohne aber nicht. Der Gewerkschafter führt die Umsatzrückgänge nicht nur auf die Hängepartie über die Zukunft der Kette, sondern auch auf die Ferienzeit zurück. Die Drohung von Haub, Stellen zu streichen, nimmt Bohne dennoch sehr ernst. „Die Zeit läuft gegen uns“. Auch Wirtschaftssenatorin Cornelia Yzer (CDU), die sich für die Ministererlaubnis ausgesprochen hatte, sieht die Entwicklung jetzt mit Sorge. Der Vorgang sei zu einer "unerträglichen Hängepartie" für die Beschäftigten geworden, meint Yzer. Sie hoffe, dass die Verfahrensfehler in Zusammenhang mit der Ministererlaubnis nicht zum Aus für die Beschäftigten führen. "Da das Verfahren von den Gerichten abhängig ist, sind die Mittel der Politik erschöpft", dämpft die Senatorin mögliche Erwartungen an die Politik.

Kaiser's Tengelmann macht jeden Monat Miese

Das Problem: Das Familienunternehmen verliert Geld. Zehn Millionen Euro Miese macht Kaiser’s Tengelmann jeden Monat. Die Kundenzahlen gehen zurück, Mietverträge für Läden werden nicht verlängert, wichtige Mitarbeiter etwa aus der IT kehren dem Unternehmen den Rücken. „Es geht ans Eingemachte“, heißt es in Branchenkreisen. Haub will sich schon seit langem von der Supermarktkette trennen, die gegen die großen Konkurrenten nicht ankommt. Obwohl auch Rewe angeboten hatte, alle Filialen und Mitarbeiter zu übernehmen, hatten sich die Mühlheimer frühzeitig an den Branchenriesen Edeka gebunden.

Ministererlaubnis, um Jobs zu sichern

Wirtschaftsminister Gabriel hatte den Deal im Frühjahr trotz heftiger Proteste von Wettbewerbshütern, Grünen, Bauern und Lebensmittelproduzenten erlaubt, um die Arbeitsplätze bei Kaiser’s Tengelmann zu sichern. Entsprechende Tarifverträge sind inzwischen in Berlin, Bayern und Nordrhein-Westfalen, wo Kaiser’s Tengelmann überhaupt noch vertreten ist, geschlossen worden.
Alle Tarifverträge seien vorgelegt und alle aufschiebenden Bedingungen erfüllt, teilte das Bundeswirtschaftsministerium am Sonntag auf Anfrage mit. Zur unternehmerischen und geschäftlichen Situation von Kaiser’s Tengelmann will sich das Ministerium zwar nicht äußern, wohl aber zu den Rahmenbedingungen der Ministererlaubnis. Und hier ist man nach Meinung des Wirtschaftsministeriums am Ziel. Der Zusammenschluss von Kaiser’s Tengelmann und Edeka könnte vollzogen werden, wenn nicht der Beschluss des Oberlandesgerichts Düsseldorf dies verhindern würde, sagte eine Sprecherin.

Hauptsacheverfahren im November

Das Oberlandesgericht hatte die Ministererlaubnis im Juli per Eilverfahren außer Kraft gesetzt und war mit Gabriel hart ins Gericht gegangen. Der Kartellsenat hatte dem SPD-Vorsitzenden Befangenheit zugunsten von Edeka und seinen Mitarbeitern grobe, handwerkliche Fehler bei der Ministererlaubnis vorgeworfen. Am 16. November beginnt das Hauptsacheverfahren, doch dass die Richter ihre Meinung ändern, ist nicht zu erwarten. Deshalb versuchen die Tengelmann-Anwälte, noch vor November eine Stellungnahme der höheren Instanz, des Bundesgerichtshofs, zu erwirken. Doch ob das klappt, ist ungewiss. Auf Tagesspiegel-Anfrage teilte das Gericht mit, es gebe derzeit keine Informationen bezüglich des Termins. Juristen halten es für möglich, dass sich die Sache noch Jahre hinzieht. Neben dem Verfahren um die Ministererlaubnis ist auch noch eine Klage von Edeka gegen das Bundeskartellamt anhängig, das die Fusion verboten hatte. Zuständig ist auch hier das Oberlandesgericht Düsseldorf.

Werden Filialen jetzt einzeln verkauft?

Haub scheint den Glauben daran, die Sache vor Gericht erfolgreich durchfechten zu können, verloren zu haben. Und nun? Mit Rewe scheinen die Mülheimer nach wie vor nicht ins Geschäft kommen zu wollen, stattdessen – erwartet man in der Branche – würden die Filialen, die nicht geschlossen werden, wohl an verschiedene Konkurrenten verkauft. Neben Rewe hatten auch die Migros oder coop Interesse gezeigt. Die wettbewerbspolitische Sprecherin der Grünen, Katharina Dröge, forderte Gabriel auf einzulenken. Statt sich in Gerichtsverfahren zu verkämpfen, sollte der Minister „über rechtssichere Alternativen“ – den Verkauf an verschiedene Ketten – verhandeln. „Diesen Weg sollte Gabriel endlich einschlagen“, meint sie.

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