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Wirtschaft: Teure Zeiten für Gourmets

Die Dürre in Frankreich treibt die Trüffel-Preise in die Höhe

Jean-Marie Doublet sagt, vor drei Jahren habe er vor Freude geweint, als er eine 750 Gramm schwere Trüffel auf seinem Hof ausgegraben habe, die ihm 300 Euro einbringen sollte. In diesem Jahr hat er einen anderen Grund zu weinen: eine zweimonatige Dürreperiode hat Europas beste Trüffelgegenden ausgetrocknet und etwa 70 Prozent der europäischen Trüffelernte vernichtet.

Doublets Trüffel sind nur ein Opfer der Hitzewelle und der Trockenheit, die in ganz Europa das Land versengt hat, zu Stromausfällen in Italien führte und Londons Bürgermeister eine Belohnung in Höhe von 100 000 Pfund (142 000 Euro) für die Erfindung einer Klimaanlage für die tiefsten U-Bahn- Schächte der britischen Hauptstadt aussetzen ließ. Zu dem widrigen Wetter, schon allein schädlich für das Wachstum, kommt die schwierige wirtschaftliche Lage in Europa hinzu. Ökonomen gehen davon aus, dass die Lebensmittelpreise steigen werden, weil die Dürre den Ernteertrag gemindert hat. Das könnte die Inflationsrate um 0,2 Prozent ansteigen lassen, schätzt Sandra Petcov von Lehman Brothers.

Europa hat vor allem mit der wirtschaftlichen Schwäche Deutschlands zu kämpfen, was den Druck auf die Europäische Zentralbank (EZB) erhöht, die Kreditvergabe zu erleichtern. Doch das nun zu erwartende höhere Preisniveau wird die Bereitschaft der EZB, die Zinsen in diesem Herbst zu senken, nicht gerade fördern, was wiederum Firmen und Verbraucher um niedrigere Kreditkosten bringt.

Auch Frankreichs berühmte Trüffelindustrie ist betroffen. Michel Tournayre, ein Trüffelbauer in der dritten Generation, nennt die Dürre eine „Katastrophe“ für seinen Betrieb im Südosten Frankreichs. Im letzten Winter hat Tournayre 50 Kilo der „Perigord-Trüffel“ produziert, die wegen ihrer Seltenheit „Schwarze Diamanten“ genannt werden. Seine Prognose für dieses Jahr? „Null", sagt Tournayre, dessen rund 20 Hektar großer Trüffelbetrieb seit drei Monaten keinen Regen hatte. Es ist die schlimmste Dürreperiode seit 1976. Der Landwirt sagt, 40 Prozent seiner Einnahmen stammten aus dem Verkauf von Trüffeln. Weil durch die Trockenheit auch seine Getreideernte gering ausfallen wird, könnte sich sein Einkommen im Vergleich zum Vorjahr um mehr als die Hälfte verringern.

Seit zwei Monaten steht Tournayre vor Sonnenaufgang auf, um die Wurzeln seiner Steineichen zu bewässern, wo die Trüffel wachsen. Neun Stunden am Tag läuft er von Baum zu Baum und bewässert 15 Minuten lang die Bäume, bei denen noch eine Chance auf Ertrag besteht. Das Ergebnis seiner Bemühungen wird er nicht vor Ende November sehen, wenn die Trüffelernte beginnt, aber er erwartet nicht viel. „Vielleicht mache ich all diese Arbeit umsonst“, meint er. In La Brousse, 944 Kilometer nordwestlich, ist Doublet nicht viel optimistischer. Er kniet nieder und stochert mit seiner harten, ledrigen Hand in der Erde. Als er seine sandigen Finger herauszieht, schüttelt er den Kopf und runzelt die Stirn: „Sehen Sie? Total trocken." Dennoch ist er optimistisch genug, um die Trüffelsuche mit dem jüngsten seiner fünf Hunde zu üben, einer Hündin mit schlechten Manieren namens Tuber, der wissenschaftlichen Bezeichnung für Trüffel. Als die Hündin ihr Ziel aufspürt, eine gefrorene Trüffel, die an diesem Morgen von ihrem Herrchen vergraben wurde, belohnt Doublet sie mit einem kleinen Würfel Käse.

Die drohende Trüffelmissernte könnten die Gourmets in der Welt bald zu spüren bekommen. Der Großhandelspreis für Trüffel lag dem französischen Verband der Trüffelbauer zufolge im vergangenen Winter im Schnitt bei 295,75 Euro pro Kilo, nach einem Allzeithoch von 513,75 Euro im schlechten Winter 2001/2002. Der Verband erwartet, dass der Rekord in diesem Jahr wegen der Dürre noch übertroffen wird, möchte aber keine Preisprognosen abgeben.

Tournayre, Präsident des regionalen Trüffelbauernverbandes, meint, der Preis könne 1000 Euro pro Kilo erreichen. Die Einzelhändler beginnen, sich Sorgen zu machen. „Wir haben noch Hoffnung“, sagt Guy Monier, Inhaber des La Maison de la Truffe in Paris, das solche Delikatessen wie 80 Gramm Trüffelsaft in Gläsern für 48 Euro verkauft. „Aber wenn es so trocken bleibt, wird es ein sehr schlechtes Jahr“, sagt er. Tournayre bewässert immer noch seine Eichen in der Hoffnung, die Trüffelernte zu retten. „Selbst wenn es nicht klappt", sagt er, „dann habe ich es wenigstens versucht.“

Aus dem Wall Street Journal übersetzt und gekürzt von Svenja Weidenfeld .

Vauhini Vara

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