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Wirtschaft: Teurer Rat

Rot-Grün hat seit Regierungsantritt fast 190 Millionen Euro für Berater, Gutachten und Kommissionen gezahlt

Die Bundesregierung hat seit Antritt der rot-grünen Koalition im Jahr 1998 fast 190 Millionen Euro für Berater, Gutachten und Expertenkommissionen ausgegeben. Hinzu kommt die Finanzierung der so genannten Beauftragten des Bundes, für die allein im Haushaltsjahr 2003 gut 108 Millionen Euro eingeplant waren. Das meiste Geld ging nach einer Aufstellung des Bundes an Gutachter. In den fünf Jahren Regierungszeit wurden mehr als 1700 Analysen und Studien für 128 Millionen Euro bestellt und abgeliefert. Das geht aus Aufstellungen der Bundesregierung vor, die dem Tagesspiegel am Sonntag vorliegen.

Nach dem Bekanntwerden des umstrittenen Beratervertrages für die Bundesanstalt für Arbeit, deren Chef Florian Gerster die PR-Firma WMP Eurocom für 1,3 Millionen Euro Honorar angeheuert hatte, waren auch mehrere Minister in die Kritik geraten. Sie hatten zum Teil millionenschwere Beraterverträge vergeben. Politiker aller Fraktionen störten sich vor allem daran, dass viele Aufträge ohne vorherige Ausschreibung herausgegangen waren – wie etwa der Gerster-Vertrag. Der CDU-Haushaltspolitiker Albrecht Feibel vermutet sogar, „dass die Regierung bislang nicht die ganze Wahrheit gesagt hat“. Allein das Bekanntwerden der Verträge für das umstrittene Maut-System in einem Gesamtvolumen von 16,3 Millionen Euro zeigt nach seiner Meinung, dass die Auflistung der Regierung für das Parlament „unvollständig ist“. Feibel kündigte deshalb gegenüber dem Tagesspiegel eine erneute Anfrage im Bundestag an. Damit will der Abgeordnete klären, „was es noch an versteckten Beraterverträgen gibt“. Nach Angaben des Ministeriums sollen die Maut-Beraterverträge dem Haushaltsausschuss des Bundestages aber seit 1999 bekannt gewesen sein.

Die Aufträge an die Unternehmensberater spielen nicht einmal die größte Rolle. Seit Beginn der 14. Wahlperiode wurden laut Aufstellung der Regierung für das Parlament 361 Berater von den einzelnen Ministerien herangezogen. Kostenpunkt: 47,82 Millionen Euro. Allein das Wirtschaftsministerium unter der Leitung von Wolfgang Clement (SPD) und seinem parteilosen Vorgänger Werner Müller engagierte im Laufe der Jahre 62 Beratungsfirmen, die teilweise gleich mehrere Aufträge abwickelten. Die Palette reicht dabei nach einer dieser Zeitung vorliegenden internen Aufstellung von der Akademie für Technikfolgenabschätzung („Emerging Systems Risks“) über Deutschlands bekanntesten Unternehmensberater Roland Berger („Beitrag der Neue-Markt-Firmen für Beschäftigung in Deutschland“) über das Hamburgische Weltwirtschaftsarchiv („Sozialpolitische Ziele in der Welthandelsordnung“) bis zu Dr. Wieselhuber & Partner („Strukturanalyse der deutschen Zulieferindustrie in der Luft- und Raumfahrt“).

Roland Berger war, wie sich herausstellte, auch gut im Geschäft mit Verteidigungsminister Peter Struck (SPD). Alle Verträge summierten sich auf 14 Millionen Euro. Gleich eine ganze Gruppe von Beratern kassierte im Hause des Verkehrsministers Manfred Stolpe (SPD) 15,6 Millionen Euro. Mitarbeiter der Wirtschaftsprüfung Price Waterhouse Coopers, der Ingenieur-Firma ILF Beratende Ingenieure, der TÜV Inter Traffic sowie der Anwaltskanzlei Freshfields Bruckhaus Deringer gingen bei Stolpe und seinem Vorgänger Kurt Bodewig in Sachen Maut ein und aus. Der Erfolg ihres Bemühens ist zweifelhaft – bisher jedenfalls.

CDU-Politiker Feibel fragt sich jedenfalls, warum die Minister „kein Vertrauen“ in ihre eigenen Leute haben. „Da sitzen doch kompetente Mitarbeiter in den Ministerien.“ Gutachter und Berater seien inzwischen zur Regel geworden. Hier würden Steuergelder für fragwürdige Zwecke verschleudert. Im Hause Stolpe wird das natürlich ganz anders gesehen. Den millionenschweren Beratervertrag verteidigt Stolpes Sprecher als „marktüblich und angemessen“. Er sei 1999 nach einer europaweiten Ausschreibung und einem ordentlichen Verfahren vergeben worden. Weil die Maut in Deutschland ein völlig neuartiges Projekt sei, habe das Ministerium nicht auf Kenntnisse im eigenen Beamtenapparat zurückgreifen können. Und: „Wir fühlen uns auch gut beraten“, sagt der Sprecher.

Dieter Fockenbrock

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