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Wirtschaft: The Wall Street Journal: Der Traum vom großen Erben

Ohne Frage sprechen eine Menge handfester Gründe für eine Privatisierung des staatlichen Rentenversicherungssystems. Sowohl in Europa als auch jenseits des Atlantiks in den Vereinigten Staaten.

Ohne Frage sprechen eine Menge handfester Gründe für eine Privatisierung des staatlichen Rentenversicherungssystems. Sowohl in Europa als auch jenseits des Atlantiks in den Vereinigten Staaten. Besonders freilich sollten die Amerikaner in dieser Diskussion ihr eigenes Interesse in den Vordergrund stellen. Denn sobald die geburtenstarken Jahrgänge ins Pensionsalter kommen, werden sie jeden Penny für die Sicherung ihrer Rente benötigen.

In den vergangenen Jahren hielt sich die beruhigende, doch kaum je ernsthaft untersuchte Vorstellung, dass die so genannten Babyboomer im Alter einen üppigen Geldregen zu ihren Renten erwarten könnten. Die jetzigen Rentner und diejenigen, die kurz vor der Pensionierung stehen, sind mit einem Reinvermögen von etwa 20 Milliarden US-amerikanischen Dollar immerhin wohlhabender als jede Generation zuvor. Dieses Geld, so die Annahme, werde letztlich den Babyboomern vererbt - für sie ein nicht unbedeutender Zuschuss zur Altersversorgung, um den Traum des vorzeitigen Ruhestands in der Toskana zu realisieren.

Bei genauerer Betrachtung liegen die Dinge allerdings etwas anders. Wie die Wirtschaftswissenschaftler Jagadeesh Gokhale und Laurence Kotlikoff zu Tage gefördert haben, kann von einem warmen Geldregen ernsthaft keine Rede sein. Das Vermögen der jetzigen Rentnergeneration existiert. Darin sind sich alle einig. Doch gibt es auch bislang noch weitgehend unberücksichtigte Umstände, die die in Aussicht gestellte hohe Hinterlassenschaft merklich zusammenschrumpfen lassen.

Erstens: Jeder zukünftige Rentenempfänger muss sich den Kuchen mit relativ vielen Mitgliedern seiner geburtenstarken Generation teilen. Das Verhältnis zwischen den 35jährigen bis 45jährigen zu den 60jährigen bis 70jährigen lag vor vierzig Jahren, 1960, bei 1,8. Heute entspricht die Quote der Babyboom-Generation zu den Eltern bereits 2,3.

Zweitens: Seit dem Zweiten Weltkrieg wurde der Betrag der Vermögenswerte der älteren Generation in den Vereinigten Staaten zunehmend in Rücklagen für das Alter gesteckt. Private Rentenversicherungen, Sozial-, Kranken- und Pflegeversicherungen versorgen die Senioren mit einem regelmäßigen Einkommen, das aber mit dem Tag ihres Todes versiegt. 1960 wurden beispielsweise unter den 65jährigen männlichen Amerikanern etwa 16 Prozent ihrer finanziellen Mittel für die Rente zurückgelegt, während es 1990 bereits 41 Prozent waren - Tendenz steigend.

Drittens: Heutzutage konsumieren die Rentner wesentlich mehr als in vergangenen Tagen. 1960 beispielsweise verbrauchten Pensionäre jährlich sechs bis sieben Prozent ihrer finanziellen Mittel, 1990 hat sich diese Zahl auf zwölf bis 14 Prozent verdoppelt. Hinzu kommt, dass die Bereitschaft, den Nachkommen Geld zu hinterlassen, allgemein nachlässt. Allein in den Neunziger Jahren sank die Anzahl der US-amerikanischen Haushalte, die es für wichtig erachteten, der Nachwelt ein Erbe zu hinterlassen, von 52 auf 48 Prozent.

Alles in allem bedeutet das für die Babyboomergeneration, dass sie zum eigenen Vorteil größeres Interesse an besseren Leistungen eines privatisierten Rentenversicherungssystems zeigen sollten - insbesondere diejenigen, die ihren Altenteil eines Tages tatsächlich in einer schönen Villa in der Toskana genießen wollen.

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