zum Hauptinhalt

Wirtschaft: Theorie trifft Praxis

Was man an den OSZ alles werden kann, für wen sie sich besonders eignen – und wie sie über Umwege zum Studium führen

Die Berliner Oberstufenzentren (OSZ) sind eine Konstante in der reformgeplagten Schul- und Ausbildungslandschaft der Stadt. Jeder vierte Berliner Schüler (rund 90 000 junge Menschen) besucht eines der 35 berufsbildenden Einrichtungen. Es gibt Angebote für Realschüler, Abiturienten und auch Schulabbrecher.

So können Schüler nach der zehnten Klasse dort etwa eine vollzeitschulische Berufsausbildung absolvieren, die Fachhochschulreife erwerben oder das Abitur. Außerdem sind die OSZ auch Berufsschule in der dualen Ausbildung und damit Partner für Betriebe, und das für mehr als 240 Berufe – vom Anlagenmechaniker über den Chemielaboranten und Mediengestalter bis zum Zimmermann.

Schulabbrecher können im einjährigen berufsqualifizierenden Lehrgang die Berufsreife erlangen. In einem weiteren Jahr können sie den Mittleren Schulabschluss anhängen. Und von dort aus sind Wege bis zum Abitur, der Fachhochschulreife oder einer Ausbildung möglich.

Nach der jüngsten Schulreform kommt für die OSZ noch eine Aufgabe dazu: Sie sind jetzt auch eine tragende Säule für die neuen Sekundarschulen. Diese bieten zwar alle Abschlüsse bis zum Abitur an. Wenn Sekundarschulen jedoch keine eigene Oberstufen haben, kooperieren sie künftig mit einem von 20 OSZ, erklärt Pit Rulff, der die berufsbildenden Schulen vertritt. Hier kann dann in 13 Jahren das Abi gemacht werden – mit Leistungsfächern wie Bautechnik, Wirtschaftswissenschaften oder Psychologie.

Wer einen Einblick in das vielseitige Angebot erhalten will, hat dazu in den kommenden Wochen die Gelegenheit. Die OSZ laden zu Tagen der offenen Tür. Die Termine sind im Internet unter Oberstufenzentrum.de zu finden. Bis Ende Mai können sich Interessenten für einen der Ausbildungswege bewerben.

LEHRE AN DER SCHULE

Nadin Monden, 22, hat am OSZ Ernährungs- und Lebensmitteltechnik in Wittenau das Abitur gemacht hat. Jetzt absolviert sie dort eine vollzeitschulische Ausbildung – und verbessert damit ihre Chancen auf einen Studienplatz.

Spätestens als sie die elfte Klasse des Gymnasiums wiederholen sollte, war Nadin Monden klar, dass ihr praktisches Arbeiten mehr liegt Theorie. „Dass mein späterer Beruf mit Biologie und Chemie zu tun haben sollte, wusste ich da längst“, sagt sie.

Bei ihrer Suche nach einem neuen Weg stieß sie auf eine Schule, an der sie das Abitur machen und zugleich ihren beruflichen Interessen nachgehen konnte: das OSZ Ernährungs- und Lebensmitteltechnik in Wittenau. „Ausschlaggebend für die Entscheidung war auch, dass es dort ein Gen- und ein Mikrobiologie-Labor gibt“, sagt sie. Auch das Verhältnis zwischen Lehrern und Schülern schien ihr sehr gut. Sie hat die Wahl nicht bereut.

Von Anfang an fühlte sich Nadin Monden an der Schule wohl. Sie belegte Chemie und Biotechnologie als Leistungsfächer, konnte praktisch arbeiten, färbte im Genlabor Enzyme, isolierte DNA aus Mundschleimhaut. Ihr Abitur bestand sie mit der Note 1,8.

Für ein Pharmazie-Studium reichte das aber nicht. So schloss sie eine Ausbildung als chemisch-technische Assistentin an ihrem OSZ an – auch um die Chancen auf einen Studienplatz zu verbessern. Jetzt ist sie im zweiten und letzten Lehrjahr, lernt Rohstoffkunde, Mikrobiologie und Chemie in Theorie und Praxis.

Ihre berufliche Zukunft kann sie sich in einem Unternehmen vorstellen, das Lebensmittel herstellt oder untersucht. Noch lieber aber würde sie Pharmazie studieren – und Apothekerin werden.

ABI PLUS IT

Martin Mitschke, 21, absolviert am OSZ Informations- und Medizintechnik (IMT) sein Abi. Danach will er studieren.

Für Martin Mitschke lief es am Gymnasium lange Zeit nicht gut. Er war ständig müde, konnte den Anschluss an die Klasse nicht halten. Er wiederholte die neunte und wiederholte die elfte. „Je länger ich in der Schule nicht zurecht kam, desto größer wurde der Abstand zu den Mitschülern“, sagt er. Schließlich fand man in einem Schlaflabor heraus, dass er unter der Krankheit Narkolepsie, auch Schlafkrankheit genannt, leidet und deshalb ständig kurz vorm Einschlafen war. Er bekam Medikamente, fühlte sich endlich wieder wie ein Mensch.

Zurück aufs Gymnasium wollte er aber nicht. Zu viele Vorurteile von Lehrern und Mitschülern, zu schlechte Erfahrungen gegenüber Menschen, die nicht auf direktem Weg zum Ziel kommen, sagt er.

Da er sich seit jeher mit Computern und Programmiersprachen beschäftigte, schien das OSZ Informations- und Medizintechnik in Neukölln eine gute Alternative. Er stellte sich mit einem Attest vor – und wurde sehr verständnisvoll aufgenommen. Am OSZ herrsche ein anderes Lernklima, ein besseres Verhältnis zwischen Schülern und Lehrern. „Das habe ich vorher nicht so erlebt“, sagt Mitschke. Nach zwei Probewochen bekam er Bescheid. Er konnte bleiben.

Auch fachlich ist der Abiturient begeistert. „Wir haben sehr kompetente Lehrer. Viele sind Quereinsteiger aus der Informatik-Industrie und wissen, worauf es später ankommt.“ Neben den allgemeinbildenden Fächern hat er Unterricht in Technik, Programmieren und Medizininformatik. Praxis wird dort groß geschrieben. Wer in der Oberstufe wisse, welche Richtung er später einschlagen will, für den seien die praktisch orientierten OSZ ein guter Einstieg, sagt er.

Nach dem Abitur will der Schüler Medizininformatik studieren und später in die Forschung gehen – auch wegen seiner Krankheit. Bis heute gilt sie als unheilbar.



PRAXIS IM BÜRO, THEORIE AM OSZ

Christian Seel, 24, macht eine Ausbildung zum Verwaltungsfachangestellten im Bezirksamt Neukölln. Am OSZ Bürowirtschaft und Verwaltung in Lichterfelde lernt er die Theorie.

Anfangs sah alles nach einem geraden Berufsweg aus: Nach dem Abitur und dem Wehrdienst begann Christian Seel ein Studium der Energie- und Verfahrenstechnik an der Technischen Universität Berlin. „Aber damals war ich noch nicht so fleißig wie heute“, sagt er. Auch inhaltlich war es nicht das Richtige. Er brach ab – und orientierte sich um. „Mir war dann doch lieber, meinen Berufsweg auf einer sicheren Ausbildung aufzubauen.“

Freunde berichteten ihm begeistert von einer Ausbildung in der Verwaltung. Um sich zu informieren, sprach Seel mit Dozenten an der Verwaltungsakademie. Schließlich bewarb er sich für eine dreijährige Ausbildung im Neuköllner Bezirksamt. Und es hat geklappt. Seit fast einem halben Jahr ist Seel nun Azubi in Neukölln. Alle sechs Monate wechselt er die Abteilung. Zur Zeit beschäftigt er sich im Sozialamt mit Wiedereingliederungshilfen für Behinderte. Er prüft Anträge, liest Akten. Danach wechselt er ins Bürgeramt, in die Personalabteilung oder die IT-Abteilung.

Den theoretischen Teil der Ausbildung lernt er an der Berliner Verwaltungsakademie und der Berufsschule des OSZ Bürowirtschaft und Verwaltung in Lichterfelde. Dort geht es um Informations- und Verwaltungstechnik, Haushalts-, Staats- und öffentliches Recht, Wirtschaft und allgemeinbildende Fächer. Das Unterrichtsniveau sei hoch. Fast alle seiner 23 Kommilitonen haben Abitur, sagt Seel.

Der Azubi hofft, übernommen zu werden. Die Aussichten sind grundsätzlich gut: „In der Verwaltung werden junge und engagierte Menschen gebraucht.“ Inzwischen ist für ihn aber auch ein Studium wieder verlockend – diesmal zum Verwaltungsfachwirt. Damit könnte er auch im gehobenen Dienst einsteigen.

www.oberstufenzentrum.de

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false