zum Hauptinhalt
In einer Bucht bei Rio de Janeiro hat Thyssen-Krupp das Stahlwerk gebaut. Und dabei Milliarden in dem sumpfigen Boden versenkt. Foto: p-a/dpa

© picture alliance / dpa

Thyssen-Krupp: Raus aus Amerika

Thyssen-Krupp will die neuen Stahlwerke in Brasilien und in den USA verkaufen. Rund zehn Milliarden Euro hat der Essener Konzern investiert - ein Milliardengrab.

Berlin - So sieht das also aus, wenn „die Talsohle durchschritten“ ist: Die Aktie verliert fünf Prozent und liegt am Ende der Dax-Tabelle. Die gut gemeinten Worte von Heinrich Hiesinger, Vorstandsvorsitzender des Thyssen-Krupp-Konzerns, wirkten am Dienstagmittag verheerend an der Börse. Dabei „blicken wir verhalten optimistisch auf die zweite Jahreshälfte“, hatte Hiesinger anlässlich der Veröffentlichung der Halbjahreszahlen verlauten lassen. Ein paar Stunden später kam der Knaller: Der Konzern kündigte den Verkauf der beiden Stahlwerke in Übersee an – und der Aktienkurs drehte ins Positive.

Das Geschäftsjahr des größten deutschen Stahlkonzerns läuft vom 1. Oktober bis zum 30. September – und es läuft wieder einmal nicht rund. Es sind vor allem die riesigen Anlaufverluste der neuen Stahlwerke in Brasilien und den USA, die Thyssen-Krupp nun schon das zweite Jahr in Folge das Ergebnis verhageln. Jetzt zieht der Vorstand die Notbremse bei den Anlagen, die zusammen rund zehn Milliarden Euro gekostet haben – eine der teuersten Fehlinvestitionen der deutschen Industriegeschichte.

Unter der Führung des Stahlmannes Ekkehard Schulz entschied Thyssen-Krupp 2006 den Bau eines Stahlbrammenwerks in Brasilien, weil es dort Eisenerz gibt. Die brasilianischen Brammen sollten anschließend in den USA weiterverarbeitet werden. Vor rund zwei Jahren ging Brasilien in Betrieb, ein halbes Jahr später folgte die neue Fabrik in den USA. Und es ging schief. Aus Preisgründen bekam ein chinesischen Unternehmen den Auftrag für den Bau der Kokerei. Eine teure Entscheidung, die Kokerei musste nachgerüstet werden und funktioniert noch immer nicht richtig. Aber das ist es nicht allein.

„Seit der Planung des Projektes haben sich die wirtschaftlichen Rahmenbedingungen in Brasilien wie auch in den USA anders entwickelt als ursprünglich angenommen“, schreibt Thyssen-Krupp am Dienstag in einer Mitteilung. Angeblich steigen „die Produktionskosten in Brasilien überproportional“. Die steigenden Löhne belasten ebenso wie die höheren Erzpreise sowie die Aufwertung der brasilianischen Währung. Und in den USA ist die Nachfrage schwach, sodass Thyssen- Krupp die erhofften Preise „mittelfristig voraussichtlich nur in bestimmten Stahlgütern und in bestimmten Sektoren erzielen“ kann. Vor diesem tristen Hintergrund habe der Vorstand nun beschlossen, „für beide Werke strategische Optionen in alle Richtungen zu prüfen“ – Partnerschaft oder Verkauf.

Viel Geld wird der Essener Konzern indes nicht für die neuen Anlagen bekommen, schon gar nicht die Investitionskosten wieder erlösen können. Auch deshalb hatte Hiesinger im vergangenen Jahr bereits Milliarden auf die beiden Anlagen abschreiben lassen. Eigentlich hatte Thyssen-Krupp in dem Geschäftsjahr einen Gewinn vor Zinsen und Steuern von 1,76 Milliarden Euro gemacht, doch wegen der Abschreibungen stand dann unter dem Strich ein Verlust von 1,8 Milliarden Euro. Ganz so schlimm wird es im laufenden Jahr wohl nicht kommen. „Der technische Hochlauf kann bis zum Ende des laufenden Geschäftsjahres abgeschlossen werden. Im Anschluss wird die Optimierungsphase eingeleitet“, teilte Thyssen-Krupp mit.

Die Anlaufverluste beider Stahlwerke konnten immerhin in den ersten sechs Monaten des neuen Geschäftsjahres reduziert werden, doch trotzdem blieb für den Konzern unterm Strich ein Minus von gut einer Milliarde Euro. Im ersten Halbjahr des Vorjahres hatte es noch ein Plus von 334 Millionen Euro gegeben. Für das zweite Halbjahr erwarte man eine „moderate Verbesserung“ und dann für das Gesamtjahr ein bereinigtes Ergebnis vor Steuern und Zinsen „im mittleren dreistelligen Millionen-Bereich“.

Das wird schwierig genug, denn auch in Europa verdient der Konzern wegen der Wirtschafts- und Finanzkrise kaum noch Geld mit Stahl. Dagegen laufen die Geschäfte in der zweiten Konzernsparte, dem Industriebereich mit Anlagenbau, Aufzüge und U-Booten, deutlich besser. Der aktuelle Schuldenstand von 6,5 Milliarden Euro erklärt sich auch mit den beiden Stahlwerken in Übersee. Um die Schulden zu drücken und um Mittel für den Ausbau des Industriebereichs zu bekommen, hatte Konzernchef Hiesinger vor einem Jahr den Verkauf von Firmen und ganzen Sparten mit insgesamt 35 000 Mitarbeitern angekündigt. Nach Konzernangaben ist dieses Verkaufsprogramm weitgehend abgeschlossen.

Zur Startseite