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Wirtschaft: Tierisch guter Umsatz

In Deutschland gibt es immer mehr Haustiere. Discounter und Luxusgeschäfte ziehen daraus Profit

Berlin - Katzen als Kuschelersatz, Hunde, die wie Kleinkinder verhätschelt, gepflegt und ausstaffiert werden – Haustiere sind längst nicht mehr nur Familienmitglieder. Sie sind auch ein Wirtschaftsfaktor. In jedem dritten deutschen Haushalt lebt ein Tier, europaweit sind nur die Briten und Franzosen noch tierverrückter als wir. Im vergangenen Jahr stieg die Zahl von Hunden, Katzen, Vögeln und Kleintieren in Deutschland um 1,3 Prozent auf 23,1 Millionen – Zierfische und Terrarientiere noch nicht mitgerechnet. Allein 5,3 Millionen Hunde waren es Ende 2004, 300 000 mehr als im Jahr zuvor, und 7,5 Millionen Katzen.

Geld lässt sich dabei schon mit der Geburt der Tiere verdienen – und das Geschäft endet auch nicht mit deren Tod. Für Shar-Pei-Welpen, chinesische Rassehunde, oder einen Schäferhund geben Liebhaber schon einmal 1000 Euro beim Züchter aus. Dafür gibt’s dann aber auch den reinrassigen Stammbaum-Nachweis. Und wenn Bello oder Miezi aus dem Leben geschieden sind, können ihre Herrchen und Frauchen sie auf bundesweit 120 Tierfriedhöfen beerdigen oder einäschern lassen.

Bevor es so weit ist, verschlingen die kleinen Lieblinge ein halbes Vermögen: Pro Jahr werden hierzulande 2,15 Milliarden Euro für industriell gefertigtes Tierfutter ausgegeben. Einfach nur Essensreste wie früher – das sei nicht gut genug, meinen 90 Prozent der Deutschen. Inzwischen gibt es Bio-Tierfutter, Nahrungsergänzungsmittel, Diät- und Life-Stage- Produkte, damit jede Altersgruppe den genau abgestimmten Speiseplan erhält.

Erfolgreich ist, wer Neues auf den Markt bringt. „Die Hersteller versuchen, sich durch Produktdifferenzierung neue Segmente zu erschließen“, sagt der Tierfutter-Experte der Gesellschaft für Konsumforschung (GfK), Ralf Mertes. „Die meisten Trends aus dem Humanbereich kommen mit drei bis fünf Jahren Verspätung auch im Heimtierbereich an“, ergänzt Axel Henschke von der Franchise-Kette Fressnapf.

Die Auswahl ist gigantisch – und wächst immer weiter. Allein Fressnapf – mit über 530 Märkten, rund 508 Millionen Euro Umsatz und einem Marktanteil von 18 Prozent Deutschlands führender Fach- Discounter für Haustierbedarf – hat mehr als 10 000 Artikel im Sortiment. Zuwächse versprechen vor allem die günstigen Eigenmarken. So bietet Fressnapf einen speziellen Hundesnack aus vorwiegend tierischen Bestandteilen an. Der sei nicht nur besser zu verdauen, sondern auch für Allergiker geeignet, sagt Henschke. „Aber auch die teuren Premiumprodukte verkaufen sich gut.“ So gut, dass ständig weitere Fressnapf-Märkte eröffnen, allein in diesem Jahr waren es 50 neue. Der Umsatz soll dadurch 2005 um zehn Prozent wachsen.

Auch das Geschäft mit der Gesundheit boomt: So gibt es für gestresste Vierbeiner Bachblüten-Produkte und besondere Kuren. Und neben den bundesweit 9000 Tierarztpraxen kümmern sich studierte Tierpsychologen um das seelische Wohl der kleinen Patienten. Auch eine Hunde- Krankenversicherung kann für wenige Euro im Monat abgeschlossen werden. Das kann sich durchaus lohnen: Denn für ein neues Hüftgelenk müsste Herrchen sonst schon mal 2000 Euro hinblättern.

Auch der Staat verdient gut an seinen tierlieben Bürgern: In Berlin beträgt die Hundesteuer zum Beispiel 120 Euro pro Jahr. Daneben müssen Hundebesitzer seit diesem Jahr eine Haftpflichtversicherung für ihr Tier abschließen, die zwischen 50 und 150 Euro kostet.

Doch damit nicht genug. Auch Zubehör wie Hundeknochen oder Katzenstreu muss bezahlt werden. Dafür geben die Deutschen jährlich noch einmal 760 Millionen Euro aus. Größere Steigerungen sind nach Schätzungen des Industrieverbands Heimtierbedarf (IVH) vorerst aber nicht zu erwarten. Schließlich mache die Konsumflaute auch vor dem Geschäft mit dem Tier nicht halt.

Den zunehmenden Preiskampf spüren vor allem die Fachhandlungen – besonders seit auch Discounter wie Aldi und Lidl an dem profitablen Kuchen teilhaben wollen. Laut Zentralverband Zoologischer Fachbetriebe (ZZF) beträgt der Anteil der No-Name-Produkte inzwischen knapp 30 Prozent. Das ist ein Grund, weshalb der Gesamtumsatz der Branche im vergangenen Jahr erstmals um 2,3 Prozent auf 2,9 Milliarden Euro zurückging. Dramatisch sei das nicht, sagt IVH-Sprecher Detlev Nolte. „Aber steigen werden die Preise auch in Zukunft eher nicht.“

Dabei nimmt die Zahl der Haustiere zu. „Hunde und Katzen werden immer mehr zum Partner- oder Kinderersatz“, sagt Nolte. Ein Viertel der Tiere lebe in Single-Haushalten. Sorgen müsse sich die Branche daher nicht machen: „Die Menschen sparen zuerst an sich selbst“, glaubt Nolte.

Der größte deutsche Tierfutterhersteller ist Masterfoods, eine Tochter des amerikanischen Mars-Konzerns, die unter anderem Whiskas, Pedigree, Chappi und Sheba vertreibt. Auch hier spürt man die Konkurrenz der No-Name-Produkte. Daher suchen 50 Wissenschaftler im konzerneigenen, weltgrößten Zentrum für Heimtierforschung, dem „Waltham Centre for Pet Care Nutrition“ 150 Kilometer nördlich von London, nach immer neuen Trends. Medienberichten zufolge wird hier an 1000 Test-Tieren nach Mitteln für frischeren Hunde-Atem geforscht.

Alle Probleme lassen sich dadurch jedoch nicht lösen. Denn dass Geld nicht automatisch zum Tierfreund qualifiziert, zeigt das Beispiel Paris Hilton: Die milliardenschwere Hotelerbin wurde von zwei New Yorker Fachmagazinen zur lieblosesten Hundebesitzerin gekürt. Der Grund: Sie wechselt ihre Hunde ähnlich oft wie Handtaschen.

Juliane Schäuble

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