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Wirtschaft: Tor zur Welt für die Bahn

Hamburgs Hafen wächst immer schneller. Der Logistikkonzern will sich beteiligen – zu Lasten Berlins?

Hamburg - Bananen müssen pünktlich sein. Grün wie Gurken, nur so dürfen die Tropenfrüchte vom Schiff auf den Großmarkt gelangen. Liegen die Bananen wenige Tage später reif und gelb im Supermarkt, sind die Frachtschiffe, die sie gebracht haben, längst wieder auf hoher See, nun beladen mit Autos oder Maschinen aus deutscher Produktion.

An wenigen Orten ist die Globalisierung so stark zu spüren wie im Hamburger Hafen. 20 000 Ozeanriesen legen hier pro Jahr an und wieder ab. Seit 1990 hat sich der Frachtumschlag mehr als verdoppelt. Kein Wunder, dass nun auch Bahnchef Hartmut Mehdorn ein Auge auf die Hamburger Hafen- und Logistik-AG (HHLA) geworfen hat, einem der wichtigsten Containerverlader an der Elbe. Mit Bürgermeister Ole von Beust verhandelt Mehdorn über einen Einstieg bei dem stadteigenen Unternehmen. Ein ertragreiches Geschäft: Bis 2015, rechnen die Hanseaten, wird sich der Umsatz des Hafens vervierfacht haben. „Dank seiner günstigen Lage zwischen Nord- und Ostsee rückt Hamburg immer mehr in das Blickfeld der wachsenden Märkte in Fernost und Osteuropa“, sagt Hamburgs Wirtschaftssenator Gunnar Uldall (CDU). Mittlerweile jagt Hamburg selbst dem großen Konkurrenten Rotterdam Marktanteile ab: Rund 30 Prozent des europäischen Containerverkehrs bestreitet Hamburg derzeit, Rotterdam ist seit den achtziger Jahren von mehr als 40 Prozent auf gut 33 Prozent zurückgefallen.

„Logistik ist das Wachstums-Zauberwort der Globalisierung“, sagt Wolfgang Maennig, Professor für Verkehrswissenschaft an der Universität Hamburg. Produktionsstandorte in Billiglohnländern, weltweite Zulieferketten und Vertriebswege lassen den Bedarf nach Transportkapazitäten immer weiter steigen. Beispiel Autoindustrie: Die wichtigste Branche der Exportnation Deutschland importiert Bauteile, fügt sie zusammen und verkauft fertige Autos in alle Welt. Der Einstieg der Bahn erscheint Maennig da nur folgerichtig: „Die Bahn hat es in den vergangenen Jahren nicht geschafft, vermehrt Güterverkehr auf die Schiene zu bringen“, erklärt Verkehrsexperte Maennig. „Weil die Logistiksparte aber profitabler ist als die Personenbeförderung, muss Mehdorn genau das nachholen, um den Konzern für den Börsengang vorzubereiten.“ Derzeit transportieren Lastwagen die meisten Waren vom Hafen zu ihrem endgültigen Ziel. Güterzüge sind im Vergleich dazu zu langsam und zu unflexibel.

Als HHLA-Eigner könnte die Bahn mitbestimmen, auf welchem Weg ein Container sein Ziel erreicht. Die Aussichten an der Elbe sind rosig: 2005 wurden acht Millionen Container umgeschlagen. „Für das Jahr 2015 stellen wir uns auf jährlich 18 Millionen Container ein“, sagt Senator Uldall. Eine Milliarde Euro will die HHLA in den kommenden Jahren in Ausbau und Modernisierung des Hafens investieren. Geld, das die Stadt Hamburg nicht hat, die Bahn aber mitbringen könnte.

Im Fruchtzentrum hieven noch Schichtarbeiter und Tagelöhner die Bananen in Kisten auf Fließbänder und Gabelstapler. Im 1992 erbauten Containerterminal Altenwerder hingegen, einem der modernsten der Welt, ist es meist menschenleer. Führerlose Transporter sortieren computergesteuert Container vom Kai in ein Zwischenlager. Die 700 Mitarbeiter des Terminals kümmern sich nur noch um Software und Computer, oder sie bedienen Containerbrücken und Greifarme per Joystick. Denn Container von einem im Wasser schwankenden Schiff zu fischen, damit sind Computer noch überfordert. Nur auf zwei traditionelle Hafenberufe kann auch das Terminal Altenwerder nicht verzichten: „Festmacher“, oft kräftige Männer mit Strickpulli und Wollmütze, vertäuen die Containerpötte mit riesigen Pollern am Ufer. „Lascher“ binden die Container auf dem Schiff vor dem Entladen los.

Kürzlich feierte die HHLA einen Rekord: Fünf Millionen Container hat die HHLA in diesem Jahr in ihren drei Terminals in Altenwerder, Tollerort und am Burchardkai schon umgeschlagen. Im Vergleich zum Vorjahr ist das ein Plus von 14 Prozent. „In einigen Jahren werden wir rund zehn Millionen Container in unseren Terminals umschlagen können“, sagt Gerd Drossel, Vorstand der HHLA. Der fünfmillionste Container gehört einer chilenischen Reederei.

Der Inhalt: Elektrogeräte aus China, die über Hamburg nach Helsinki verschifft werden. Ohnehin ist der Hamburger Hafen das Tor Asiens zu Europa. „Hamburg ist eine wichtige Drehscheibe zwischen Fernost und Osteuropa. Außerdem erfüllt der Hamburger Hafen unsere Ansprüche an Qualität und Zuverlässigkeit“, sagt Takashi Sakai, Geschäftsführer der deutschen Niederlassung der NYK, der größten Reederei Japans. Sie beschäftigt 33 000 Mitarbeiter und betreibt weltweit 80 Containerschiffe.

Ob die Bahn bei der Globalisierung per Hamburger Hafen tatsächlich mitspielen darf, wird sich im Februar entscheiden. Hat Bürgermeister Ole von Beust doch den Verkauf der HHLA an eine gewichtige Bedingung geknüpft: Die Bahn AG müsse ihre Zentrale von Berlin nach Hamburg verlegen. Verkehrspolitiker bezeichnen dies als „typische Maximalforderung“. Als wahrscheinlicher Kompromiss gilt, dass die Bahn ihre Logistiksparte in Hamburg zusammenzieht. Denn mit der Bahnpolitik ist es wie mit den Bananen: Am Ende einigt man sich auf einen Preis, mit dem alle Seiten leben können.

Philip Volkmann-Schluck

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