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Wirtschaft: Total zerrüttete Verhältnisse

Turbulente Springer-Hauptversammlung – der Verlag wehrt sich gegen die Vorwürfe von Leo Kirch

Berlin (usi). Bei der Vorstellung der Halbjahresergebnisse sagte Springer-Vorstandschef Mathias Döpfner vor wenigen Wochen, so eine Hauptversammlung habe durchaus folkloristischen Charakter. Das war untertrieben. Tatsächlich war die auf Druck von Leo Kirch beantragte außerordentliche Hauptversammlung, die am Dienstag im Springer- Hochhaus stattfand, eine Farce. Die Kleinaktionäre buhten, es gab zahlreiche Zwischenrufe und Zwischenapplaus, die Reden waren oft unsachlich und sogar beleidigend. Eines stand schnell fest: Unter den Springer-Kleinaktionären hat Leo Kirch nicht viele Freunde.

Leo Kirch war am Dienstag persönlich anwesend, er kam in Begleitung von Dieter Hahn, ehemals zweiter Mann im untergegangenen Medienimperium. Auf dem Podium saß Leo Kirch an der linken Seite von Verlegerwitwe Friede Springer. Auf ihrer rechten Seite hatte ihr Stiefenkel Axel Sven „Aggi“ Springer Platz genommen. Beide, Leo Kirch und Axel Sven Springer, führen mit der Großaktionärin zur Zeit juristische Auseinandersetzungen.

Die außerordentliche Hauptversammlung hatte die Print Beteiligungs GmbH beantragt. In diesem Unternehmen liegt Kirchs Anteilspaket an Springer, über das die Deutsche Bank offiziell seit wenigen Tagen verfügt. Kirch fordert bei Springer eine Sonderprüfung der Geschäftsführung und stellt Schadenersatzansprüche. Erstens wirft Kirch Springer vor, im Januar dieses Jahres von der so genannten Put-Option Gebrauch gemacht zu haben. Auf diese Weise wollte Springer seine Beteiligung über 11,5 Prozent an der Senderfamilie Pro Sieben Sat 1 Media AG für 767 Millionen Euro an Kirch verkaufen. Über diese Put-Option, die Kirch selbst mit Springer vereinbart hatte, sagt Kirch mittlerweile, sie sei unwirksam.

Kirchs Vertreter Ronald Frohne sagte am Dienstag, der Springer-Vorstand habe ein alternatives Angebot von Kirch im Januar abgelehnt und hätte damit den Verlag finanziell geschädigt. Diese Alternative hätte so ausgesehen: Kirch bot an, Springer solle für 210,5 Millionen Euro weitere 16,5 Prozent des Stammkapitals von Pro Sieben Sat 1 kaufen und damit die Anteile auf 28 Prozent aufstocken. Bezahlt hätte Kirch diesen zusätzlichen Anteil allerdings nur teilweise bar. Den Rest hätte er mit Aktien an der Kirch-Media bezahlt. Gleichzeitig sollte Springer eine Option bekommen, um aus der Kirch-Media wieder auszusteigen. Springer wäre heute also entweder Gläubiger oder Gesellschafter einer insolventen Kirch-Media.

Dass der Vorschlag Kirchs Springer in eine finanziell bessere Situation gebracht hätte, wollten weder der Vorstand noch die Kleinaktionäre am Dienstag glauben. Sie verwiesen auf den Kirch-Media-Gesellschafter Rewe, der nach der Insolvenz heute mit leeren Händen dasteht.

Der zweite Punkt, den Kirch Springer vorwirft, betrifft Friede Springer: Sie habe in ihrem persönlichen Interesse gehandelt, nicht aber in dem des Verlages und der Aktionäre. Sie habe ihren Einfluss auf den Vorstand unrechtmäßig ausgenutzt und ihn dazu gebracht, von der Put-Option auf die 11,5-Prozent-Beteiligung Gebrauch zu machen. Das sei deutlich geworden, sagt Kirchs Vertreter Frohne, da die Springer-Vorstände während der Verhandlungen im Januar ständig ins Nebenzimmer gelaufen seien, um mit Friede Springer zu telefonieren. Deren einziges Ziel sei gewesen, durch die Put-Forderung weiteren Druck auf den finanziell angeschlagenen Kirch auszuüben, um ihn als Großaktionär loszuwerden.

Dass Kirch zu dieser Zeit wegen des Formel-1-Kaufs kurz vor der Insolvenz stand, erwähnte Frohne nicht. Vielmehr warf er Friede Springer vor, sie habe bewusst das Alternativangebot von Kirch nicht angenommen. Sie habe damit sogar bewusst Springer-Verlag finanziell geschädigt, um zu einem günstigeren Preis weitere Springer-Aktien zu kaufen und so ihre Mehrheit zu sichern. Kirchs Vorwürfe wurden von den Kleinaktionären als abstrus abgetan. Die Hauptversammlung dauerte zum Redaktionsschluss dieser Ausgabe noch an.

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