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Wirtschaft: Totgesagte leben länger - wenn sie bei Arbeitszeit und Lohn flexibel sind (Kommentar)

Totgesagte leben länger: Seit über einem Jahr wurde immer wieder das Ende des Adtranz-Werkes in Pankow verkündet, wenig später folgte meist eine Entwarnung. Mal mehr, mal weniger überzeugend.

Totgesagte leben länger: Seit über einem Jahr wurde immer wieder das Ende des Adtranz-Werkes in Pankow verkündet, wenig später folgte meist eine Entwarnung. Mal mehr, mal weniger überzeugend. Nun endlich scheint die Existenz des Montagewerkes gesichert. Denn Adtranz, einer der weltweit führenden Anbieter von Bahntechnik, gibt zwei Drittel seiner Anteile an die Stadler AG ab, ein Mittelständler aus der Schweiz. Künftig soll der viel kleinere Partner die unternehmerische Führung übernehmen und das Werk in die Gewinnzone führen. Die Chancen dafür stehen nicht schlecht: Entgegen des Markttrends ist Stadler in den vergangenen Jahren gewachsen. Mit dem Einstieg in Pankow verdoppelt das Unternehmen nun seine Belegschaft und steigt innerhalb der Branche von der Regional- in die Bundesliga auf. Gleichwohl ist noch unsicher, ob der kleine, agile Newcomer auch in Pankow das Ruder herumreissen kann. Denn Stadler produziert für die Nische: Die Schweizer setzen auf Einzelfahrzeuge und Sonderanfertigungen wie Zahnradbahnen. Ob das reicht, um ein Pankower Kompetenzzentrum Verkehrstechnik zu begründen, wie der Wirtschaftssenator hofft, ist zweifelhaft. Schließlich war auch Adtranz 1992 in Pankow mit großen Zielen gestartet. Milliardenaufträge standen in Aussicht, das Werk wurde noch neuesten Standards gebaut - doch die Aufträge blieben aus.

Nun wird das Unternehmen zur Ruhe kommen. Von derzeit noch 350 Arbeitplätzen sollen 200 in Pankow übrig bleiben. Ein Bündnis für Arbeit auf betrieblicher Ebene wird geschlossen. Die Belegschaft wird künftig für weniger Geld länger arbeiten: Statt 38,5 Stunden wird eine 40-Stundenwoche vereinbart, Lohnabschläge von fünf Prozent sind wahrscheinlich. Für die IG Metall ein harter Brocken. Aber: Wenn sie jetzt in Pankow beweist, dass weder Arbeitszeit noch Tariflohn ein Dogma sind, wenn es um das Überleben geht, können auch die anderen ostdeutschen Betriebe hoffen: Auch wenn die kommende Tarifrunde schon jetzt mit harten Worten intoniert wird, ist die IG Metall zu kreativen Lösungen auf betrieblicher Ebene immer öfter fähig.

Jenny Niederstadt

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