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Wirtschaft: Tourismus: Ein Mallorquiner erobert die Hotelwelt

Ein junger Mallorquiner beschloss vor über 40 Jahren, die Welt des Tourismus zu erobern. Der damals 21-jährige Gabriel Escarrer übernahm 1956 sein erstes Hotel: Das "Altair" auf Mallorca, eine 60-Betten-Absteige, die er zunächst mietete.

Ein junger Mallorquiner beschloss vor über 40 Jahren, die Welt des Tourismus zu erobern. Der damals 21-jährige Gabriel Escarrer übernahm 1956 sein erstes Hotel: Das "Altair" auf Mallorca, eine 60-Betten-Absteige, die er zunächst mietete. Der ambitionierte Bursche, der als Bote seine ersten Brötchen verdiente, dann über Nacht in die Direktion einer Mallorca-Reiseagentur aufstieg, hatte den richtigen Riecher: Das "Altair" füllte sich mit wohlhabenden ausländischen Touristen - der Grundstein für eine der größten Hotelketten der Welt war gelegt. Heute besitzt Escarrers Familienunternehmen "Sol Melia" mehr als 400 Hotels mit über 100 000 Betten in 32 Ländern der Welt.

Der Unternehmergeist des Reisemanagers erwachte zur goldrichtigen Zeit am richtigen Ort: Auf Mallorca rollte das Tourismusgeschäft gerade an. Die Europäer hatten nach den Wirren des Zweiten Weltkrieges wieder Lust auf Urlaub bekommen, der allgemeine Wirtschaftsaufschwung spülte Geld in die Portemonnaies. Und die erholungssuchenden Ausländer entdeckten zu Escarrers Glück das idyllische Mallorca, wo damals vom heutigen Massentourismus noch keine Spur war. Vor allem Individualtouristen schätzten die Ruhe auf der Baleareninsel. Dann landeten die Pauschaltouristen. Der ersten Urlauberwelle folgte die Flut. 1960 reisten mehr als 300 000 Urlauber nach Mallorca, 1970 über zwei Millionen. Im Jahr 2000 werden es rund zehn Millionen Menschen sein.

Mit dem Sturm auf Mallorca wuchs das Hotelgeschäft von Gabriel Escarrer. Dem "Altair" folgte das "Marbella", dann kaufte er das "El Paso", baute in der Inselhauptstadt das "Rivera" und fasste seine über die Insel verzweigten Aktivitäten 1960 in der Gruppe "Hoteles Mallorquines" zusammen: Dies wurde seine Zentrale in Palma de Mallorca, von der aus der damals 25-Jährige begann, Hotelmonopoly zu spielen. Er machte es so gut, dass seine Konkurrenten zitterten und die Familie Escarrer binnen vier Jahrzehnten zu einer der reichsten und berühmtesten Unternehmerdynastien Spaniens aufstieg. Sein heutiges Privatvermögen schätzt die amerikanische Zeitschrift "Forbes" auf 1,1 Milliarden Euro - Tendenz steigend: Der Konzern peilt im Jahr 2000 einen Rekordgewinn von 145 Millionen Euro an.

Die Etappen der Erfolgsstory: Der Eroberung Mallorcas in den 60er Jahren folgte die Eroberung des spanischen Festlandes in den 70ern. Die Firmengruppe wurde in "Sol - Sonne" umgetauft. Mit dem Sonnenhunger der Europäer wuchs der Hotelkonzern explosionsartig. In den 80er Jahren übernahm "Sol" die Edelkonkurrenz "Melia". Die ersten Hotels in Übersee kamen hinzu. In der Karibik, Asien, Lateinamerika und besonders auf Kuba ist das Unternehmen groß im Geschäft. 1998 kam Staatschef Fidel Castro höchstselbst zur Hotel-Eröffnung in Havanna, wie immer im grünen Kampfanzug, und beglückwünschte Gabriel Escarrer, den Pionier des Kuba-Tourismus, zu seinem neunten Hotel auf der Zuckerinsel. 1990 blies man dann zur Offensive in Europa: Dutzende Stadthotels sprossen in den urbanen Geschäftszentren aus dem Boden - in Deutschland unter dem Namen "Sol Inn".

"Sol Melia", wie der diverse Marken umfassende Hotelmulti heute heißt, beherrscht inzwischen die gesamte spanischsprachige Welt. In Europa ist der seit 1996 an der Börse notierte Konzern das drittgrößte Hotelunternehmen nach der französischen Accor-Gruppe und dem britischen Hilton-Konzern. Unter den Ferienhotels rühmt sich "Sol Melia" heute schon als europäische Nummer eins. Im weltweiten Hotelwettbewerb lauern die Mallorquiner derzeit auf Platz zehn und warten auf ihre Chance, auch die letzten Konkurrenten auf dem globalen Markt noch zu überholen.

Der jüngste Streich von Gabriel Escarrer war Ende August der Kauf der spanischen "Tryp"-Kette mit 75 Hotels für 436 Millionen Euro. Gut 200 Hotels unterhält "Sol Melia" nun allein in Spanien, dem wohl wichtigsten Tourismusmarkt Europas. Und die Kampfstrategie lautet, unter allen Umständen die Invasion der ausländischen Konkurrenz auf dem heimischem Territorium abzuwehren. Dies gelang bisher. Dank der konsequenten Reinvestitions-Strategie des Kapitals kann der Konzernchef derzeit jede Woche mindestens ein neues Hotel eröffnen.

Doch der wirklich große Coup, mit dem Escarrer seine Gruppe an die Weltspitze katapultieren will, steht wohl noch bevor: "Innerhalb eines Jahres", so kündigte der listige Hotelier gerade an, "werden wir eine Operation von großer Bedeutung mit einer der wichtigsten internationalen Hotelketten abgeschlossen haben." Dem Vernehmen nach laufen Gespräche mit deutschen und britischen Reisemultis, die in eine Allianz oder Fusion münden könnten. "Wenn es irgend einen Sektor gibt, der klare Antworten auf die Globalisierung geben muss, dann ist es die Tourismus- und Reisebranche", sekundiert der Vizechef von "Sol Melia", Sebastian Escarrer, der Sohn des Präsidenten.

Firmenpatriach Gabriel Escarrer, der sich mit 65 Jahren nun im Rentenalter befindet, hat rechtzeitig die Weichen dafür gestellt, dass sein Unternehmen in der Hand der Familie bleibt. Das Tagesgeschäft führt heute bereits Sohnemann Sebastian. Und der 34-Jährige brachte von seinem Bildungsausflug an amerikanische Universitäten und Spitzenunternehmen moderne Ideen mit in die Firmenzentrale nach Palma de Mallorca. Auch sein jüngerer Bruder Gabriel junior sitzt in der Führung und managt das Hotelgeschäft innerhalb Spaniens. Die Schwester Maria leitet das Personalressort. Juniorchef Sebastian Escarrer preist die "Revolution der Jugend" im Konzern. Dem Vater, der freilich immer noch das letzte Wort hat, gefällt diese Revolte der Youngster offenbar gut. Ein Hotelunternehmen mit Zukunft brauche ein junges und dynamisches Management, meint der Alte - und läßt den Nachwuchs fleißig am mallorquinischen Imperium mitbasteln.

Ralph Schulze

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