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Tourismusbranche: Oldies on Tour

Die Zahl der älteren Reisenden wächst. Die Tourismusbranche freut sich über die zahlungskräftigen Gäste

10. bis 14. März 2010

Wer träumt nicht davon, dem Winter zu entfliehen und die kalten Monate in wärmeren Gefilden zu verbringen? In einem kleinen Häuschen am Strand und unter Palmen. Doch den meisten fehlt dafür die Zeit – und einigen auch das Geld. Viele Senioren hingegen scheinen heute genug von beidem zu haben. Deshalb hat die Tourismusbranche die Generation „60 plus“ als wichtigen Wachstumsmotor entdeckt.

Einer Studie des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW) zufolge besitzt die Gruppe der 56- bis 65-Jährigen in Deutschland mit knapp 145 000 Euro das höchste durchschnittliche Nettovermögen, bei Menschen ab 65 Jahren liegt es bei mehr als 120 000 Euro. In einer Umfrage des Deutschen Sparkassen- und Giroverbandes aus dem Jahr 2009 gaben knapp 40 Prozent der über 60-Jährigen an, im Haushalt ein Netto-Einkommen von mehr als 2000 Euro im Monat zu haben. „Bei vielen Senioren sind die Kinder aus dem Haus und die Wohnung ist abbezahlt“, sagt die Hauptgeschäftsführerin des Deutschen Tourismusverbandes (DTV), Claudia Gilles. Deshalb könnten sie es sich leisten zu verreisen. Und sie haben Zeit. Senioren sind öfter und auch länger unterwegs als jüngere Reisende. Jeder zweite über 60-Jährige reist zwei bis drei Mal pro Jahr, gerne auch ins Ausland.

Der größte Reiseveranstalter Deutschlands, die Tui, sieht im Seniorentourismus „ganz klar einen Trend“ und hat seit 2003 eigene Anlagen für die sogenannten Best Ager. Die Hotels unter dem Namen „Club Elan“, die meist von Paaren ab 60 besucht werden, sind bei der Infrastruktur und den Angeboten auf aktive Ältere ausgerichtet. Im Programm sind Nordic Walking, Wellness, Frühgymnastik und Radtouren, Tanzabende oder Diavorträge. „Die Zahl der Best Ager gemessen am gesamten Teilnehmeraufkommen steigt konstant und der Club Elan wird immer beliebter“, sagt Tui-Sprecherin Tanja Kraus. Darüber freut sich der Reiseveranstalter. „Die Best Ager haben mehr Zeit für Urlaub und geben einen hohen Anteil ihres Budgets dafür aus“, sagt Kraus. „Sie sind eine tolle Zielgruppe.“ Immerhin bleiben rund 30 Prozent aller Tui-Kunden sechs Wochen am Urlaubsort. „Viele Langzeiturlauber kommen, um im milden Klima zu überwintern“, sagt Kraus. Im Club Elan ist man ganz darauf eingestellt: Es gibt sogar Rabatte für Langzeitaufenthalte.

Auch beim Deutschen Hotel- und Gaststättenverband werden die Senioren als wichtige Zielgruppe gesehen. „Sie reisen nach Interesse und sind sehr anspruchsvoll“, sagt Sprecherin Stefanie Heckel. Das bestätigt auch Deutschlands dienstälteste Tourismuschefin, die Münchner Oktoberfestleiterin Gabriele Weishäupl. Vor allem die ältere Generation sei immer mobiler und reiselustiger. Das gelte sowohl für die Generation „60 plus“ als auch zunehmend für die Generation „70 plus“. „Mit der zunehmenden Fitness der älteren Generation und der erhöhten Mobilität steigt der Trend zum Reisen“, sagt Weishäupl.

Das Alter, so heißt es in einer Studie der Forschungsgemeinschaft Urlaub und Reisen (FUR) scheint kaum noch einschränkend auf die Reiselust zu wirken. Und auch das Ausland wird attraktiver für Senioren. 2007 reisten 61 Prozent der über 60-Jährigen ins Ausland, Ende der 80er Jahre waren es noch knapp 50 Prozent gewesen. Die Senioren, so die Studie, machten heute auch mehr Flugreisen und Kreuzfahrten.

Die Veranstalter haben keine Wahl, sie müssen sich auf die Senioren einstellen. Bereits heute sind 20 Prozent der Bevölkerung 65 Jahre oder älter. Im Jahr 2060 wird es jeder Dritte sein. Und auch die Zahl der Reisenden wird weiter steigen. Im Jahr 2020 sollen bereits 16,6 Millionen Urlauber älter als 60 Jahre sein, 24 Prozent mehr als 2007. Beim Veranstalter Studiosus, der Bildungsreisen anbietet, sind heute schon 85 Prozent der Kunden über 50 Jahre alt. „Der große Boom kommt noch, wenn die geburtenstarken Jahrgänge demnächst in Rente gehen“, sagt Gilles vom DTV. Dennoch warnt sie vor zu hohen Erwartungen an die Sparte. „Die jetzige Generation ist sehr zahlungskräftig“, sagt sie. Doch müsse man davon ausgehen, dass die Senioren der Zukunft weniger Geld zur Verfügung haben werden. „Die Gesundheitskosten werden extrem ansteigen, und das betrifft gerade die Älteren“, sagt Gilles.

Auch die Finanzkrise hat das Wachstum im Tourismus gebremst. Die Veranstalter der Tourismusmesse ITB hoffen aber auf eine Erholung: Die Zahl der Aussteller sei mit 11 000 so hoch wie im Vorjahr und die Messe sei „ein zuverlässiges Konjunkturbarometer für die Branche“.

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