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Wirtschaft: Tourismusindustrie: Billig fliegt am besten

Als sie vor einigen Jahren nach amerikanischem Vorbild auf den europäischen Markt drängten, wurden die Billig-Airlines von den etablierten Konkurrenten mitleidig belächelt. Damals galten die Preisbrecher nur als Alternative für Touristen mit kleiner Brieftasche.

Als sie vor einigen Jahren nach amerikanischem Vorbild auf den europäischen Markt drängten, wurden die Billig-Airlines von den etablierten Konkurrenten mitleidig belächelt. Damals galten die Preisbrecher nur als Alternative für Touristen mit kleiner Brieftasche. Kein Manager würde sich bei schlechtem Service in eine eng bestuhlte Kabine zwängen, glaubten die großen Wettbewerber, doch inzwischen hat sich das Blatt gewendet. Die seit den Terroranschlägen vom 11. September bei vielen Menschen bestehende Flugangst scheint sich mit sinkendem Preis zu verflüchtigen.

Während die großen Luftverkehrsgesellschaften durch den Passagierschwund zunehmend in wirtschaftliche Bedrängnis geraten, erfreuen sich die so genannten Low-Cost-Carrier steigenden Zuspruchs auch von Geschäftsreisenden. Längst vom Tisch ist die Mär, dass die Niedrigpreis-Flieger mit uralten, schlecht gewarteten Jets an den Start gehen. So wirbt das britische Unternehmen Easyjet mit "einer der jüngsten Boeing 737-300-Flotten der Welt". Die irische Ryanair hat seit Mai fünf neue 737-800 in Dienst gestellt und wird in den nächsten beiden Jahren bis zu 13 weitere Jets beschaffen. "Wir investieren in den Bereichen, die am wichtigsten für den Passagier sind, qualifizierte Piloten, erfahrenes Bodenpersonal und erstklassige Wartung unserer Maschinen", wirbt die belgische Virgin Express.

Dafür verzichten die Billigflieger auf Tickets und kostenlosen Bordservice. Getränke und Snacks können während des Fluges nur zum Extrapreis gekauft werden. Kunden, die ihre Flüge im Internet buchen, erhalten bei einigen Airlines auf die Billigtarife noch einen Rabatt. Easyjet und Ryanair berechnen umgekehrt aber auch eine Gebühr, wenn mit Kreditkarte bezahlt wird.

Während große Airlines ihre Flugpläne zusammenstreichen oder den Betrieb komplett einstellen, setzen die Low-Cost-Carrier auf Expansion. Nach dem Zusammenbruch der Sabena nimmt Virgin Express in der kommenden Woche vier neue Flugverbindungen von Brüssel aus auf. Bis zu 15 weitere Linien sollen bald folgen. Ryanair hat erst kürzlich sein erstes kontinentales Drehkreuz mit zunächst sieben Verbindungen am Flugplatz Charleroi bei Brüssel eröffnet und sechs neue Routen ab London-Stansted gestartet. 2001 sollen neun Millionen Passagiere befördert werden.

So verfügen die Niedrigpreis-Airlines inzwischen über ein dichtes Streckennetz in Europa. Der Ryanair-Flugplan umfasst 56 Strecken zu Zielen in zwölf Ländern. Easyjet bietet 36 Routen zwischen 16 Wirtschafts- und Urlaubsmetropolen. Die britische Go steuert 22 Flughäfen an, die englische Buzz bringt es auf 18 Destinationen und Virgin Express verbindet 13 Städte. Und doch ist Deutschland mit den Billig-Flügen im Vergleich zu anderen Ländern noch unterversorgt. Buzz startet von Berlin-Schönefeld, Düsseldorf und Frankfurt jeweils dreimal täglich nach London-Stansted, der einfache Flug ab Berlin ist ab 115 Mark zu haben, ab Montag gibt es eine Woche lang für bestimmte Abflüge bis Februar einen Schnäppchenpreis von 88 Mark. Neu ins Geschäft kommt am Montag die Germania mit vier täglichen Flugpaaren zwischen Berlin-Tegel und Frankfurt für 193,92 Mark pro Strecke.

Ryanair vermarktet den 80 Kilometer westlich der hessischen Metropole gelegenen Flughafen Hahn als "Frankfurt" mit drei täglichen Flugpaaren nach London-Stansted (ab 24 Euro) sowie je einer Verbindung nach Glasgow (24 Euro) und Shannon (34 Euro). Zweimal täglich wird ab Lübeck (für Hamburg) nach London gestartet (34 Euro). Go bietet zwei tägliche Dienste zwischen München und Stansted, den Hin- und Rückflug gibt es ab 180 Mark. Für diese Billigst-Tarife gilt in der Regel eine Vorausbuchungsfrist.

Besonders seitdem die Lufthansa ihre Dienste nach Stansted wieder eingestellt hat, erfreuen sich die London-Flüge einer steigenden Nachfrage - auch bei Geschäftsleuten. Längst haben die Low-Cost-Carrier sich auf die neue Klientel eingestellt, können die Flüge gegen einen Aufpreis auch umgebucht werden. So verlangen Buzz und Easyjet pro Strecke zehn Pfund, während Ryanair 25 Euro in Rechnung stellt. Dazu kommt gegebenenfalls der höhere Preis, falls die gebuchte Tarifklasse auf dem neuen Flug nicht mehr verfügbar ist.

Die Billigflieger sind im Aufwind. Easyjet und Ryanair melden neue Rekordgewinne; Virgin Express kam ins Plus. Und die Low-Cost-Carrier wollen ihre Position weiter ausbauen. Jedes Land in Europa wolle seine nationale Luftverkehrsgesellschaft ungeachtet der Höhe ihrer Verluste, heißt es in einer Erklärung von Easyjet. Doch 14 nationale Airlines seien acht zu viel.

Rainer W. During

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