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Wirtschaft: Tourismusindustrie: Krank vor Angst. Eine Stornowelle überrollt die Reiseversicherer

Die beispiellose Stornowelle nach den Terroranschlägen vom 11. September belastet die Anbieter von Reiserücktrittskostenversicherungen mit einem zweistelligen Millionenbetrag.

Die beispiellose Stornowelle nach den Terroranschlägen vom 11. September belastet die Anbieter von Reiserücktrittskostenversicherungen mit einem zweistelligen Millionenbetrag. "Es ist unglaublich, wie viele Leute plötzlich unerwartet krank geworden sind", erklärt Claudia Hoffmann, Sprecherin des Marktführers "Europäische", die Verdoppelung der Schadensfälle in den vergangenen zwei Monaten. "Da ist vermutlich auch viel Betrug dabei."

Reiserücktrittskostenversicherungen ersetzen einen Großteil der Stornogebühren, wenn ein Reiseteilnehmer unerwartet so schwer erkrankt, dass er nicht in seinen Urlaub aufbrechen kann. Angesichts der Flut der eingehenden Atteste wittert die Branche jetzt massenhafte Schummelei. "Ein flaues Gefühl gilt nicht als schwer wiegende Erkrankung," sagt Jutta Zedelmaier, Chefin der Gerling-Tochter "Travelsafe". Neu ist das Phänomen nicht, wie die Münchner Juristin klar stellt: "Wir hatten schon den Öcalan-Schnupfen und den Birgenair-Husten, aber was wir jetzt erleben, übertrifft alles Dagewesene."

Dass Urlauber angesichts der gegenwärtigen Weltlage davor zurückschrecken, langfristig gebuchte Reisen anzutreten, finden die Versicherer zwar verständlich, aufkommen wollen sie dafür aber nicht. Verständnis für diese Haltung äußern sogar die Verbraucherschützer, wie deren Reise-Expertin Beate Wagner sagt: "Viele Menschen haben verdrängt, dass es ein allgemeines Lebensrisiko gibt, welches gerade in dieser Situation deutlicher als sonst zu Tage tritt." Beim vagen Unbehagen, in ein Flugzeug zu steigen, könne tatsächlich niemand von einer akuten Erkrankung sprechen.

Bei "uneindeutigen Attesten" müssen Versicherungsnehmer jetzt mit bohrenden Nachfragen der Unternehmen rechnen. Travelsafe hat für Zweifelsfälle psychologische Gutachten und vertrauensärztliche Untersuchungen angekündigt. Die "Europäische" Reiseversicherung verlangt neben dem Attest inzwischen von Angestellten eine Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung mit Bestätigung des Arbeitgebers. Und schon jetzt steht fest, dass Reiserücktrittskostenversicherungen im Dezember um etwa zehn Prozent teurer werden. Einerseits als Folge der Stornowelle nach dem 11. September, andererseits weil die Reiseveranstalter seit kurzem von sich aus die Storno-Gebühren kräftig erhöht haben: Wer einen gebuchten Urlaub spätestens 30 Tage vor Abreise annulliert, zahlt nämlich jetzt nicht mehr 15 Prozent, sondern 20 Prozent des gesamten Reisepreises - 33 Prozent mehr als bisher.

Olaf Krohn

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