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Wirtschaft: Tower gegen Stellwerk

Der Streit bei den Fluglotsen wirft erneut die Frage auf: Warum gibt es in der Wirtschaft so beträchtliche Gehaltsunterschiede? Fachleute führen Ausbildung und unterschiedliche Belastung an. Es gibt aber noch andere Gründe

Die einen kontrollieren den Himmel, die anderen das Schienennetz und beide sprechen von einem nervenaufreibenden Stress-Job – trotzdem sind die Gehaltsunterschiede der beiden Berufsgruppen gewaltig. Die Fluglotsen, die nun am kommenden Dienstag streiken, verdienen mit Brutto-Jahresgehältern von 70 000 bis 130 000 Euro das Doppelte bis Dreifache eines Fahrdienstleiters in Stellwerken der Deutschen Bahn. Die Fluglotsen selbst sehen gute Gründe für ihren vergleichsweise hohen Verdienst. Arbeitsmarktforscher beurteilen die Einschätzung der Fluglotsengewerkschaft differenzierter.

Bahn-Fahrdienstleiter bringen es nach Angaben der Eisenbahn- und Verkehrsgewerkschaft (EVG) je nach Stellwerkgröße auf Einstiegsgehälter zwischen 21 600 und 32 400 Euro. Das Maximalgehalt liegt nach EVG-Angaben bei knapp 45 000 Euro im Jahr. „Das ist dann allerdings ein Bahnmitarbeiter mit komplexen Aufsichtsaufgaben, der mehrere Stellwerke leitet und verantwortlich für die Lösung schwieriger Störfälle ist“, erläutert ein EVG-Tarifexperte. Den Stress seiner Kollegen hält er für durchaus vergleichbar mit dem der Fluglotsen: „Viele sind mit 50 Jahren fertig“. Warum sie dennoch weniger verdienen als die Fluglotsen, hat für Volker Meier vom Münchner Ifo-Institut viele Gründe. Einer davon ist die komplexere Ausbildung der Fluglotsen. „Das muss sich später auch im Entgelt niederschlagen“, sagt der Volkswirt.

Keineswegs unbedeutend sei ein anderer Faktor, der mit der Arbeitsleistung allerdings nicht unbedingt etwas zu tun habe: Fluglotsen profitierten davon, dass viele Menschen für Flugreisen höhere Preise zahlen. Parallelen dafür sieht Meier im Profi-Sport: „Fußballer haben höhere Einkommen als Handballer; dabei leisten Handballer körperlich dasselbe wie Fußballer. Die Leute zahlen aber mehr für Fußball.“ Dass die Menschen höhere Kosten fürs Fliegen und damit höhere Löhne akzeptierten, hat für den Arbeitssoziologen Markus Promberger vom Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (IAB) in Nürnberg vor allem einen Grund: „Fliegen ist für viele gefühlt ein Hochtechnologiefeld mit Risiken. Leute, die dort arbeiten, dürfen daher in der Meinung vieler Leute auch gut verdienen“, so der Arbeitsmarktforscher.

Auf Dauer lassen sich aber hohe Gehälter nur sichern, wenn eine Berufsgruppe über ausreichend Drohpotenzial verfügt, so Ifo-Forscher Meier. Und das sei bei Fluglotsen stärker der Fall als etwa bei Bahn-Beschäftigten. „Fluglotsen können mit einem Streik einen dramatischen wirtschaftlichen Schaden anrichten“, betont er. Zudem hätten Fluglotsen innerhalb der Luftfahrtbranche eine Art Monopolstellung – womöglich stärker als Beschäftigte bei der Bahn: „Sie unterliegen nur einem geringen Risiko, von Mitarbeitern oder Maschinen ersetzt zu werden“.

Damit die Fluglotsen wie die Piloten „exorbitant hohe Gehaltsforderungen“ durchsetzen können, braucht es laut Promberger jedoch eine eigene Berufsgewerkschaft. Denn große Spartengewerkschaften müssten die Interessen aller Branchenbeschäftigten vertreten. Extrem hohe Forderungen ließen sich dort intern nicht durchsetzen. Um die Solidarität zu wahren, seien die großen Gewerkschaften an extremen Lohnunterschieden auch gar nicht interessiert. dpa

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