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Toyota

© dpa

''Toyota-Schock'': Japan doppelt unter Druck

Die weltweite Rezession und der starke Yen lassen den Export einbrechen. Die Folgen für die zweitstärkste Wirtschaftsnation der Welt sind noch nicht abzuschätzen.

Als Toyota-Chef Katsuaki Watanabe vergangene Woche vor die Presse trat, sprach er nicht nur für sein Unternehmen, sondern für das ganze Land. Der Autohersteller gilt als Symbol der japanischen Wirtschaftskraft, denn er bewältigte alle Krisen der vergangenen siebzig Jahre, ohne auch nur einmal in die roten Zahlen zu rutschen. Das ist vorbei. Watanabe musste ankündigen, dass Toyota im Geschäftsjahr 2008 zum ersten Mal seit 1938 einen operativen Verlust befürchtet. „Die Weltwirtschaft ist derzeit in einer so kritischen Weise angeschlagen, wie es nur einmal in hundert Jahren passiert“, erklärte Watanabe gleichsam zur Entschuldigung.

Seit dem „Toyota-Schock“, wie Japans Medien Watanabes Verlustmeldung nannten, scheint in der zweitgrößten Volkswirtschaft der Welt kein konjunkturelles Horrorszenario mehr unmöglich. Keiner will mehr ausschließen, dass die Krise das Land noch härter treffen wird als der große Crash von 1989, von dem Japan sich erst in den vergangenen Jahren langsam wieder erholt hatte. Die Statistiken sind verheerend. Im November lagen die Exporte, eine der Säulen der Wirtschaft, mehr als ein Viertel unter dem Vorjahreswert. Die Ausfuhren in die USA, dem wichtigsten Handelspartner, sanken sogar um ein Drittel. Auch asiatische Länder, von denen viele noch positives Wachstum haben, kauften ein Viertel weniger japanische Autos, Kameras, Elektronikartikeln und Computerzubehör. Dabei ist „Made in Japan“ gleich doppelt unter Druck: Nicht nur die gesunkene Weltmarktnachfrage lässt die Exporte einbrechen, sondern auch der in den vergangenen Wochen stark gestiegene Yen.

Die Auswirkungen auf Japans Industrie sind verheerend. Im November stürzte die Produktion innerhalb eines einzigen Monats um 8,1 Prozent ab, stärker als je zuvor. Im Vergleich zum Vorjahr lag der Einbruch sogar bei 16,2 Prozent. Allein die Stahlproduktion dürfte bis Anfang 2009 um ein Drittel zurückgehen und den tiefsten Stand seit 40 Jahren erreichen, heißt es in einer Regierungsprognose.

Noch versuchen Japans Unternehmen, die Krise ohne größeren Stellenabbau zu meistern. Kündigungen gelten in großen japanischen Konzernen als Tabu. Doch nach Regierungsangaben werden die derzeit auslaufenden Verträge von mehr als 80 000 Teilzeit- und Leiharbeitern nicht verlängert. So zum Beispiel in Toyota City, dem nahe Nagoya gelegenen Hauptsitz des Autoherstellers, wo mittlerweile Kurzarbeit herrscht. Man zahle den in die Arbeitslosigkeit entlassenen Angestellten Abgangsentschädigungen und erlaube ihnen, noch einen Monat in den Firmenwohnungen zu bleiben, erklärte Toyotas Finanzvorstand Mitsuo Kinoshita. „Wir möchten, dass sie wiederkommen, wenn wir sie brauchen.“ Die Stadtverwaltung hat angekündigt, Notunterkünfte und Übergangsjobs bereitzustellen. Doch ihr Handlungsspielraum wird immer kleiner. Da die 400 000-Einwohner-Stadt fast vollständig von Toyota und seinen Zulieferern lebt und deren Steuerzahlungen eingebrochen sind, sah sich die Lokalregierung gezwungen, ihr Budget kurzerhand in allen Bereichen um 15 Prozent zu kappen.

Der einzige Hoffnungsschimmer ist derzeit das auf 500 Milliarden Dollar aufgestockte Konjunkturprogramm, mit dem sich die Regierung in Tokio gegen die Rezession stemmen will. Es umfasst sowohl staatliche Investitionen als auch Steuerentlastungen für Unternehmen und Haushalte. Die Regierung hatte bereits im August und Oktober Maßnahmenpakete verabschiedet. Da die Notenbank die Leitzinsen mittlerweile auf nahezu null Prozent gesenkt hat, kann sie die Krise nicht mehr mit billigem Geld bekämpfen, sondern muss selbst Kapital in den Kreislauf pumpen. Vergangenen Mittwoch verabschiedete das Kabinett für das im April beginnende Haushaltsjahr ein Rekordbudget, das einen Anstieg von 6,6 Prozent auf insgesamt 88,5 Billionen Yen (978 Milliarden Dollar) vorsieht. Dabei ist Japans Staatsverschuldung schon heute im Vergleich zu anderen Industriestaaten eine der höchsten. Ob sich der Abwärtstrend damit stoppen lässt, dürfte sich allerdings nicht vor dem Frühsommer zeigen.

Wirtschaftsminister Kaoru Yosano kündigte an, die Regierung werde zur Not auch noch weitere Maßnahmen ergreifen. Dabei hat sie allerdings nicht nur die langfristige Gesundung der japanischen Wirtschaft, sondern vor allem ihren eigenen kurzfristigen politischen Profit vor Augen. Spätestens im September muss Premierminister Taro Aso Wahlen abhalten. Die Regierung seiner Liberaldemokratischen Partei (LDP) erreicht derzeit in Umfragen nur noch eine Zustimmung von 20 Prozent. Keine guten Voraussetzungen für ein Kabinett, das den Mut für harte und unpopuläre Entscheidungen bräuchte.

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