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Transaktionssteuer: Der Preis des Marktes

Die Politik in Deutschland streitet über das Für und Wider einer Finanzmarkttransaktionssteuer. Warum?

Das Weltfinanzsystem wird nicht neu aufgestellt am kommenden Montag im Raum 3 S 001 des Reichstagsgebäudes. Wissenschaftler, Lobbyisten und Kapitalismuskritiker befassen sich in einer öffentlichen Anhörung des Bundestages mit Ursachen und Folgen der Krise. Im Mittelpunkt dabei: die Forderung nach einer Finanztransaktionssteuer. Eher nebenbei wird über eine Bankenabgabe diskutiert, mit der die Bundesregierung einen Notfallfonds für die nächste Krise einrichten will. Rund 1,2 Milliarden Euro pro Jahr soll die Finanzbranche in den Topf zahlen; es wird also ein paar Jahrzehnte dauern, bis ein wirksames Volumen erreicht ist. Das Verbot von Leerverkäufen, mit denen Spekulanten auf den Wertverlust von Aktien oder Währungen setzen, steht ebenso zur Debatte wie die Reglementierung von hochkomplexen (und gefährlichen) Finanzprodukten wie Credit Default Swaps (Kreditausfallsversicherungen), eine schärfere Bankenaufsicht und unabhängige Ratingagenturen.

Im Mittelpunkt der deutschen Debatte steht die Finanzmarkttransaktionssteuer. Bei einem Steuersatz von 0,05 Prozent auf jedes Finanzgeschäft werden allein in Deutschland die Einnahmen auf zehn bis 20 Milliarden Euro geschätzt. SPD, Grüne und Linke sind dafür, in der Union gibt es Bewegung, seitdem die EU-Finanzminister eine solche Steuer prüfen wollen. Nur die FDP ist dagegen. Und natürlich die Banken.

Was spricht gegen eine solche Steuer?

Die deutschen Banken bemühen in ihrer Argumentation gern den Internationalen Währungsfonds, der von einer internationalen Transaktionssteuer nichts hält. Das häufigste Argument hierzulande: Die neue Steuer würde wirken wie eine Verbrauchssteuer und am Ende den Verbraucher belasten. Ferner, darauf weisen die Volks- und Raiffeisenbanken hin, wäre es bei einer internationalen Steuer problematisch, „einen allgemein akzeptierten Schlüssel zur Verteilung des Steueraufkommens zu finden, da die Finanztransaktionssteuer im Wesentlichen nur an wenigen Finanzhandelsplätzen der Welt anfiele“. Zum Beispiel in Luxemburg, einem der größten Fondshandelsplätze.

Den Ansatz der Befürworter, Spekulationen einzuschränken, weisen die Banken gewissermaßen als systemwidrig zurück. Denn Spekulation bedeute nichts anderes, als „Preisunterschiede zwischen zwei Zeitpunkten zu nutzen“. Eine Unterscheidung zwischen kurzfristiger und damit schlechter Spekulation und einer langfristigen, guten Spekulation sei unmöglich. Und überhaupt sei Spekulation gesamtwirtschaftlich positiv zu sehen, leiste sie doch „einen wesentlichen Beitrag zur Anpassung von Preisen an neue Marktlagen und sorgt auch für eine bessere Informationseffizienz der Märkte“, heißt es bei den Volks- und Raiffeisenbanken. So ist dann der Umkehrschluss nicht überraschend: Eine Transaktionssteuer „kann sogar zur Destabilisierung der Finanzmärkte beitragen“.

Der Verband der öffentlichen Banken befürchtet schließlich noch die Einschränkung der Risikoabsicherung. „Für Unternehmen, die von Preisen für Währungen und Rohstoffe abhängig sind, ist es überlebenswichtig, sich gegen Preisschwankungen abzusichern.“ Speziell für die Landwirtschaft, „vor allem in Entwicklungsländern“, sei die Absicherung gegen Risiken durch Preis- und Klimaschwankungen unverzichtbar.

Teilen die Bauern diese Einschätzung?

Nein, Gerd Sonnleitner, Präsident der deutschen Bauern, sieht das anders. Die immer stärker gewordenen Preisschwankungen an den internationalen Rohstoffmärkten „haben mich dazu bewegt, eine Transaktionssteuer für spekulative Geschäfte mit Agrarprodukten zu unterstützen“. Und der Bauernpräsident plädiert für höhere Eigenkapitalanforderungen, „um spekulative Übertreibungen einzudämmen“. Wenn die Anleger, Spekulanten oder Zocker mehr Eigenkapital für ihr Tun brauchen, dann bietet das aus Sicht Sonnleitners „eine große Gewähr dafür, dass sich sowohl die realen Rohstoffhändler als auch die Spekulanten wie ordentliche Kaufleute verhalten“.

Wie argumentieren die Befürworter?

Die Befürworter der Transaktionssteuer wollen kurzfristige Spekulationen „bestrafen“ und unattraktiver machen gegenüber langfristigen, nachhaltigen Investments. So würde die Steuer „einen Beitrag zur Stabilisierung von Aktienkursen, Rohstoffpreisen und Wechselkursen leisten“, meint der Deutsche Gewerkschaftsbund (DGB). Im Übrigen sei auch nicht einzusehen, warum alle Güter mit einer Umsatzsteuer belegt würden, Finanzprodukte aber steuerfrei handelbar seien. DGB und das globalisierungskritische Netzwerk Attac argumentieren mit gigantischen Einnahmen und verweisen dabei auf entsprechende Berechnungen des österreichischen Wirtschaftsforschungsinstituts: Ein Steuersatz von 0,05 Prozent würde demnach in die öffentlichen Kassen mindestens 447 Milliarden Dollar spülen – weltweit. Bestenfalls könnte es sogar 1022 Milliarden Dollar sein. „Eine einfache Software könnte an der Börse die Steuer automatisch der jeweilig zuständigen Finanzbehörde überweisen“, heißt es bei Attac. Bedenken, wonach eine nicht weltweit eingeführte Steuer den eigenen Standort schwächt, weist der DGB als „Vorwand für Nichtstun“ zurück. Vielmehr gebe es bereits ähnliche Steuern in einigen Staaten der USA, in England und weiteren europäischen Ländern. Die Börsenumsatzsteuer habe der britischen Staatskasse zuletzt fünf Milliarden Euro gebracht.

Was sagen die Experten?

Professor Roland Vaubel von der Uni Mannheim ist dagegen und sieht in so einer Steuer sogar „Sand im Getrieb der Marktwirtschaft“. Spekulation sei nämlich durchaus eine „volkswirtschaftlich nützliche Tätigkeit“, weil der Spekulant seine Erwartungen offenlegt, danach handelt und mithin Preissignale an andere sendet, „die sich kein eigenes Urteil zutrauen“. Schließlich greift Vaubel zu einem komplizierten Bild: „Man kann nicht dadurch, dass man das Thermometer (die Spekulation) verteuert, die Krankheit (den Irrtum) oder das Fieber (die Krise) bekämpfen.“

Das Sozialwissenschaftliche Institut der Evangelischen Kirche (EKD) führt gleich vier Gründe für eine Transaktionssteuer an: Sie sei ein Instrument zur Korrektur von Marktversagen, bringe „substanzielle Staatseinnahmen“, führe zu einer gerechten Steuerlastenverteilung und mache schließlich, viertens, „das Auftreten von Finanzkrisen für die Zukunft unwahrscheinlicher“. Für die EKD-Wissenschaftler hängt ein Erfolg der Finanztransaktionssteuer davon ab, wie diese international koordiniert werde. Das Mindeste sei, dass sie EU-weit eingeführt werde. Aber dann sei die Steuer auch möglich: „Der EU-Emissionsrechtehandel zeigt, dass Eingriffe in die Wirtschaftspolitik der EU-Mitgliedsstaaten und eine Übereinkunft über die Verwaltung und Verwendung fiskalischer Erträge möglich ist.“

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