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Treibhauseffekt: Umstrittene Moleküle

Wissenschaftliche Grundlagen: Ohne das Gas Kohlendioxid wäre die Erde ein Eisklumpen – gibt es zu viel davon, droht der Hitzeschock.

Rund 14 Euro betrug das Bußgeld in dieser Woche. So viel mussten Industriebetriebe für jede Tonne Kohlendioxid (CO2) bezahlen, die sie zusätzlich zu ihrem festgelegten Kontingent in die Atmosphäre entlassen wollten. Das farb- und geruchlose Gas hat es ziemlich schwer. Dabei wäre ohne die Moleküle ein Leben auf der Erde unvorstellbar. Sie sind nicht nur zentrale Bausteine der Energieversorgung der meisten Organismen, sondern verhindern aufgrund ihrer Struktur, dass der Planet zum Eisklumpen wird. Minus 18 Grad Celsius wäre es hier kalt, wenn es den natürlichen Treibhauseffekt nicht gäbe, bei dem das CO2 eine wichtige Rolle spielt.

Stattdessen ist es auf der Erde im Durchschnitt 15 Grad warm. Das verdanken wir den Treibhausgasen. Sie lassen die Sonnenstrahlung, vor allem die sichtbaren, kurzwelligen Teile des Lichts, fast ungehindert passieren. So erhält der Planet viel Energie, die er vor allem in Form langwelliger Strahlung wieder ins All zurückwirft. Die Treibhausgase jedoch nehmen einen Teil dieser Energie auf und geben sie kurze Zeit später als Wärmestrahlung ab – in Richtung All, aber auch in Richtung Erdoberfläche. Es wird wärmer.

„Den größten Anteil an diesem Treibhauseffekt hat Wasserdampf“, sagt Friedrich-Wilhelm Gerstengarbe vom Potsdam-Institut für Klimafolgenforschung. „Kohlendioxid kommt erst auf Platz zwei.“ Auch Methan, Lachgas und Ozon gehören zu den Einheizern. Diese Gase haben mitunter eine viel stärkere Klimawirkung als CO2. Weil ihre Gesamtmenge aber deutlich unter der von Kohlendioxid liegt und sie teilweise nach wenigen Jahren durch chemische Prozesse umgebaut werden – sie gleichsam „verschwinden“ – gilt der zunehmende CO2-Gehalt in der Atmosphäre als das dringlichste Problem.

In den vergangenen zwei Jahrhunderten ist die Konzentration des Gases um mehr als ein Drittel gestiegen. Vor allem durch das Verbrennen fossiler Energieträger wie Kohle, Erdöl und Erdgas, aber auch durch die Brandrodung großer Waldflächen. Aktuell liegt der Kohlendioxidgehalt bei 385 ppm (parts per million), also 385 Teile CO2 auf eine Million Luftteilchen. Das klingt wenig, reicht aber, um die globale Durchschnittstemperatur seit Beginn der Industrialisierung theoretisch um ein Grad pro Jahrhundert zu erhöhen.

Tatsächlich zeigen die Messreihen der Forscher aber eine Steigerung um „nur“ 0,8 Grad. „Das liegt an dem massiven Ausstoß von Schwefeldioxid, der ebenfalls eine Folge der Industrialisierung ist“, sagt der Klimaforscher Gerstengarbe. „Die Sulfatteilchen bilden eine Art Sonnenschirm und führen dazu, dass weniger Strahlung überhaupt zur Erdoberfläche vordringt.“ Allerdings geht dank moderner Filteranlagen der Schwefeldioxidausstoß langfristig zurück, sodass Experten künftig mit einer schnelleren Erwärmung rechnen. Das liegt auch daran, dass die Kohlendioxidemissionen noch immer steigen. Mehr als 30 Milliarden Tonnen waren es 2008.

„Die Erde pendelt auch ohne unser Zutun zwischen Kalt- und Warmzeiten hin und her“, ist ein häufig genanntes Argument von Menschen, die der Klimadebatte kritisch gegenüberstehen. Vor 53 Millionen Jahren zum Beispiel war es nördlich des Polarkreises so warm, dass dort sogar Palmen wuchsen, berichteten vor kurzem niederländische Forscher. Sie hatten Pollen der wärmeliebenden Pflanzen aus den Sedimenten des Arktischen Ozeans geborgen und schlossen daraus, dass auf den umliegenden Festländern sogar winters mehr als acht Grad geherrscht haben müssen. Vor nicht mal 20 000 Jahren hingegen war der Raum des heutigen Berlins unter einem dicken Gletscher begraben. Und selbst im Mittelalter gab es noch mal eine kleine „Eiszeit“, die zu Ernteausfällen und Hungersnöten in Europa führte.

Die natürlichen Schwankungen des Erdklimas haben mehrere Ursachen. Dazu gehört etwa die Änderung der Erdbahngeometrie: Die Umlaufbahn um die Sonne ist nicht kreisrund, sondern elliptisch. Sowohl die Gestalt der eiförmigen Flugroute als auch die Neigung der Erdachse zur Umlaufbahn ändern sich mit unterschiedlichem Rhythmus, sodass unser Planet mal mehr Sonnenstrahlung abbekommt und mal weniger. Die Effekte können sich aufheben oder verstärken. Auch Vulkanausbrüche, die massenhaft CO2 in die Atmosphäre blasen, tragen zu Klimawechseln bei, ebenso wie die wechselnde Aktivität der Sonne selbst.

„Solche Effekte spielen auch heute eine Rolle“, sagt Gerstengarbe. „Berechnungen haben jedoch gezeigt, dass mehr als zwei Drittel der Erwärmung in den letzten 100 Jahren eindeutig auf die menschgemachten Emissionen zurückgehen.“

Im Gegensatz zu anderen Gasen sind die CO2-Moleküle sehr robust. Sie werden in der Atmosphäre nicht abgebaut und befördern den Treibhauseffekt lange Zeit. Ein Teil des Kohlendioxids kann die Lufthülle allerdings wieder loswerden: Vor allem Pflanzen, die Fotosynthese betreiben und die Ozeane nehmen viel CO2 auf, weshalb sie auch als „Kohlenstoffsenken“ bezeichnet werden. Dennoch bleibt etwa die Hälfte des Kohlendioxids, das aus Schornsteinen und Auspuffrohren dringt, in der Atmosphäre und lässt den CO2-Gehalt weiter steigen.

So schnell lässt sich der Prozess nicht stoppen. „Das Klimasystem hat einen ziemlich langen Bremsweg“, sagt Gerstengarbe. Selbst wenn man sofort alle Kohlendioxidemissionen einstellte, würde es noch 50 bis 60 Jahre dauern, bis die Kohlenstoffsenken so viel Treibhausgas aufgenommen haben, dass der Temperaturanstieg aufhört. Die Probleme wären damit aber noch nicht gelöst. In den Weltmeeren führt der steigende Kohlenstoffgehalt nämlich zur Versauerung. Nach Ansicht von Ozeanografen werden sich die lebensfeindlichen sauerstoffarmen Zonen in Zukunft deutlich ausdehnen. Dadurch sind viele Ökosysteme bedroht – auch solche, in denen bisher große Mengen Fisch gefangen werden. Ralf Nestler

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