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Treibstoff: Spediteure fürchten Pleitewelle

Diesel ist teuer geworden. Deswegen will die Branche die Preise anheben. Doch die kleinen Anbieter kommen da nicht mit.

Berlin - Die drastische Verteuerung des Dieselkraftstoffs treibt die Preise in der deutschen Speditionsbranche. Zugleich bedroht sie mittelständische Transportfirmen in ihrer Existenz. „Wir werden die höheren Treibstoffkosten an unsere Kunden weitergeben müssen“, sagte Karlheinz Schmidt, Geschäftsführer des Bundesverbands Güterkraftverkehr (BGL), dem Tagesspiegel. Die Auftraggeber der rund 11 000 im BGL organisierten Spediteure müssten mit Preissteigerungen von „zehn Prozent noch in diesem Jahr“ rechnen. Vor allem kleineren Spediteuren sei dieser Weg der Kostenweitergabe allerdings versperrt. Mit dramatischen Konsequenzen: „Fünf bis sechs Prozent der Unternehmen werden dieses Jahr Insolvenz anmelden – das sind doppelt so viele wie 2007“, sagte Schmidt.

Treibstoff macht zwischen 20 und 40 Prozent der Gesamtkosten des Transportgewerbes aus, in dem überwiegend Mittelständler tätig sind. Allein im laufenden Jahr ist der Preis für Diesel um 50 Prozent gestiegen, im vergangenen Jahr waren es rund 20 Prozent. Die gestiegenen Kosten anderweitig zu kompensieren, ist laut BGL-Chef Schmidt nicht möglich. „Wir haben zehn dürre Jahre hinter uns, mehr lässt sich aus den Unternehmen und Mitarbeitern nicht herauspressen.“

Auch Peter Fischer, Vorsitzender des Verkehrsverbands Pro Mobilität, in dem vor allem die Autoindustrie, die Automobilklubs und die Baubranche organisiert sind, fürchtet eine Pleitewelle. Durch den hohen Ölpreis verschärfe sich der Wettbewerb im Transportsektor. „Die Firmen, die auf der Kippe stehen, kommen nun weiter unter Druck“, sagte Fischer dieser Zeitung. „Ich befürchte, dass hier in den kommenden Monaten eine Menge Arbeitsplätze verloren gehen werden und Firmen aufgeben müssen.“

Im gewerblichen Güterkraftverkehr sind in Deutschland knapp 55 000 Unternehmen mit rund 600 000 Mitarbeitern tätig, davon mehr als 472 000 Fahrer. Der Umsatz lag zuletzt bei insgesamt 32,3 Milliarden Euro; die Umsatzrendite im Schnitt bei zwei bis drei Prozent.

Gerade im Gütertransport auf langen Strecken macht sich der hohe Spritpreis schmerzhaft bemerkbar. „Das trifft uns hart“, sagt Karl-Wilhelm Ullrich, Geschäftsführer der Ullrich-Gruppe, einem der größten deutschen Speditionsunternehmen mit Sitz in Berlin. Mit seinen 1000 Fahrzeugen an sieben deutschen Standorten verfährt Ullrich jedes Jahr 40 Millionen Liter Diesel. „Wenn der Liter Diesel 1,50 statt 1,20 Euro kostet, dann schlägt das bei 1100 Litern pro Tankfüllung voll durch“, sagt der Spediteur. Eine eigene Biodiesel-Produktion, mit der sich Ullrich früher komplett selbst versorgte, musste das Unternehmen schließen. „Die Rohstoffe sind so teuer geworden und die Steuer auf Biosprit steigt“, sagt Ullrich.

Die Preise würde er sehr gerne um zehn Prozent erhöhen, „wenn ich sie bekommen könnte“. Das sei aber längst nicht bei allen Auftraggebern möglich. „Die schauen sich im Internet um und sind morgen bei der Konkurrenz“, fürchtet der Geschäftsführer. Stattdessen versuche man, Schadensbegrenzung zu betreiben und auch mal mit „einem kalkulierten Minus“ zu fahren.

Auf Dauer geht das allerdings schief. „Wer lange unter seinen Kosten fährt, ist bald tot“, warnt Gerhard Ostwald, Geschäftsführer des Verbands Verkehr und Logistik Berlin und Brandenburg, in dem 150 Unternehmen mit 12 000 Mitarbeitern organisiert sind. Ostwald bestätigt, dass die Preise für Stückgut schon um mehr als sechs Prozent gestiegen sind. „Wer Güter auf der Langstrecke transportiert, muss sicher zehn Prozent mehr nehmen“, sagt Ostwald. Das sei allerdings eine Frage des Verhandlungsgeschicks.

Anlässe für massive Proteste, wie sie Spediteure in Spanien, Portugal oder Polen in der vergangenen Woche organisiert hatten, sehen die deutschen Trucker auch hierzulande. „Die Gründe liegen auf der Hand: die Explosion der Preise“, sagt Karl-Wilhelm Ullrich. Doch die Unternehmen halten vorerst still. „Wir müssen es aus eigener Kraft schaffen“, erklärt BGL- Hauptgeschäftsführer Schmidt. Ein Streik gegen die Mineralölkonzerne sei so aussichtslos wie die Hoffnung, dass der Staat für Erleichterung sorge und die Mineralölsteuer, die Ökosteuer oder die Mautgebühren senke.

Indirekt fordert Schmidt die Spediteure dennoch zum Streik auf – für den Fall, dass sie ihre Preisforderungen nicht durchsetzen können: „Wenn die Kunden nicht bereit sind, einen Kostenausgleich zu zahlen, raten wir den Kollegen, gar nicht zu fahren“, sagte Schmidt dem Tagesspiegel. Spediteur Ullrich zieht eine Parallele zu einer anderen Branche, für die sich unlängst ein Streik auszahlte: „Uns geht es eigentlich wie den Milchbauern.“ Mitarbeit: Carsten Brönstrup

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