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Hoch spezialisiert, hochproduktiv und sehr teuer: die deutsche Industrie.

© dpa

Trendwende: Deutschland wird teurer

Die Arbeitskosten steigen stärker als in der Nachbarschaft. Das erhöht auch die für die Wettbewerbsfähigkeit wichtigen Lohnstückkosten. Am teuersten ist die Arbeit in der Industrie.

Wenn es nach bestimmten Ökonomen geht, dann haben die Arbeitnehmer hierzulande gute Jahre vor sich. „Gesamtwirtschaftlich wäre es deutlich besser, wenn die Löhne in Deutschland für eine absehbare Zeit jährlich um deutlich mehr als drei Prozent zulegten“, heißt es in einer aktuellen Studie des Instituts für Makroökonomie und Konjunkturforschung (IMK) über Arbeitskosten in Europa. Danach stiegen die Kosten im vergangenen Jahr und im ersten Halbjahr 2013 hierzulande um 2,8 Prozent und somit stärker als im Euro-Raum und der EU mit jeweils 2,2 Prozent.

Damit hat sich ein Trend gedreht, der über gut ein Jahrzehnt zu beobachten war: Zwischen 2000 und 2012 nahmen die Arbeitskosten der deutschen Privatwirtschaft um durchschnittlich 1,9 Prozent zu, im Euro-Raum waren es hingegen 2,8 Prozent und in der gesamten EU 3,2 Prozent, schreibt das gewerkschaftseigene Institut.

„Viele Ökonomen und Politiker in Deutschland waren extrem fixiert auf möglichst niedrige Arbeitskosten“, blickte IMK-Direktor Gustav Horn am Montag zurück. Die Lohnentwicklung hierzulande habe dann „zur Krise im Euro-Raum beigetragen“; nun spricht Horn von einer „vorsichtigen Korrektur dieser Fehlentwicklung“. Die hohen Überschüsse in der deutschen Leistungsbilanz – 2012 waren es 185 Milliarden Euro –, die „für breite internationale Kritik sorgen“, seien auch eine Folge der vergleichsweise schwachen Lohnentwicklung. Als Gegenmittel empfiehlt das IMK einen Mindestlohn „und eine gesetzliche Stabilisierung des Tarifsystems“.

Anstieg der Lohnstückkosten stärker als im EU-Schnitt

Am teuersten ist die Arbeit in der Industrie. Im Schnitt kostete eine Arbeitsstunde im vergangenen Jahr 35,10 Euro; dazu gehören neben dem Bruttolohn die Arbeitgeberanteile an den Sozialversicherungen sowie Aufwendungen für Aus- und Weiterbildung. Höher liegen die Kosten nur in der schwedischen Industrie (44 Euro), in Belgien (42), Dänemark (38) und Frankreich (36,40). Deutlich schlechter wird im Dienstleistungsbereich gezahlt, hier lagen die durchschnittlichen Arbeitskosten zuletzt bei 28,40 Euro und somit an neunter Stelle hinter den Beneluxländern, den nordischen EU-Staaten, Frankreich und Österreich. Von den relativ niedrigen Dienstleistungslöhnen profitiert die Industrie beim Bezug von Vorleistungen: Die IMK–Wissenschaftler haben eine Kosteneinsparung für das verarbeitende Gewerbe von rund drei Euro je Arbeitsstunde ausgerechnet.

Für die Wettbewerbsfähigkeit einer Volkswirtschaft sind die Lohnstückkosten entscheidend, welche die Arbeitskosten in Relation zur Produktivität setzen. Zwischen 2000 und 2012 gab es einen bescheidenen Anstieg um 0,7 Prozent, während es im Euro-Raum insgesamt um 1,7 Prozent nach oben ging. In der Mehrzahl der übrigen Euro-Länder sind die Löhne also deutlich stärker gestiegen als in Deutschland. Das ändert sich nun wegen der Einbrüche in Griechenland, Spanien, Irland und Portugal. Doch auch hierzulande tut sich etwas: 2012 stiegen die Lohnstückkosten um 2,9 Prozent und im Euro-Raum-Durchschnitt nur noch um 1,9 Prozent.

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