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Über die Höhe der Dividende entscheiden die Hauptversammlung, im Bild die von RWE.

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Tricks mit der Ertragssteuer: Steuerstreit um Milliardengeschäft mit Dividenden

Der Bundesfinanzhof befasst sich mit einem umstrittenen Steuerschlupfloch, das die Politik inzwischen geschlossen hat. Möglicherweise haben Banken und Großinvestoren bis zu zehn Milliarden gespart.

Schätzungen zufolge geht es um bis zu zehn Milliarden Euro. Diese Summe sollen Banken, Großanleger und Börsenbroker über Jahre bis Ende 2011 dem Fiskus vorenthalten haben - über Aktien-Geschäfte rund um den jeweiligen Termin der Dividendenzahlung. Bei den Finanzämtern laufen mehr als 50 Verfahren. Es geht um sogenannte „Cum/Ex“-Geschäfte, bekannt auch als Dividendenstripping. Dabei wurde zunächst Kapitalertragssteuer auf die Dividende abgeführt, dann aber zusätzlich zur gezahlten Dividende wieder erstattet. Und dies gleich mehrfach. Am 16. April wird sich der Bundesfinanzhof (BFH) in München mit der Materie befassen. Ein Urteil wird frühestens im Juni erwartet. Dies gilt aber nur für den Einzelfall. Es drohen weitere Verfahren.

Offenbar geht es im aktuellen Fall um die Hypo-Vereinsbank (HVB), die Firma Rajon Financial Enterprises des im vergangenen Jahr verstorbenen Berliner Unternehmers und Mäzens Rafael Roth und eine Brokerfirma in London. Und dabei um angeblich zu Unrecht erstattete Steuern in Höhe von 124 Millionen Euro. Im Eigenhandel soll die Bank Dividendenstripping genutzt haben und sich zwischen 2005 und 2008 Steuervorteile von 273 Millionen Euro gesichert haben. Auch Carsten Maschmeyer, der ehemalige Eigentümer des Finanzvertriebs AWD, soll, wie andere Prominente, auf „Cum/Ex“-Geschäfte gesetzt haben, wegen der Zusicherung der beauftragten Bank in der Schweiz, dass dies seriös und legal sei. Jetzt streitet er mit dem Institut.

Ob die Geschäfte wirklich illegal waren, ist unklar. Mit dem Dividendenstripping sollte die Dividende von der Aktie abgestreift und so ein zusätzlicher Gewinn eingefahren werden. Dabei ging es nicht um Privatanleger, sondern Banken und größere Anleger, die im Ausland sitzen. Sie verkauften die Aktie kurz vor der Ausschüttung an einen Anleger im Inland. Der bekam die Dividende samt Steuergutschrift, der Ausländer kaufte die Aktie danach wieder billiger zurück und strich damit einen Gewinn ein. Interessant wurde das Geschäft aber erst dadurch, dass einer der Beteiligten die Aktie leer verkaufte, sie also beim Verkauf gar nicht besaß und erst später dem Käufer lieferte. Über diesen Weg gab es auf einmal zwei Bescheinigungen der Bank über ein Steuerguthaben. Am Ende erstatteten die Finanzämter dadurch mehr Steuern, als sie überhaupt vorher eingenommen hatten. Anfang 2012 hat das Bundesfinanzministerium das Schlupfloch geschlossen. Dividendenstripping in Verbindung mit mehrfacher Steuererstattung ist seitdem nicht mehr möglich.

An der bis Ende 2011 nicht eindeutigen Rechtslage entzündet sich der Streit. Die Lage ist unübersichtlich, zumal zumindest eine der beschuldigten Banken, die HSH Nordbank, schon knapp 130 Millionen Euro an den Fiskus zurückgezahlt hat. Möglicherweise voreilig. Bis Ende 2011 seien solche Geschäfte statthaft gewesen, sagen Steueranwälte. „Die Finanzverwaltung versucht ... offensichtlich zu kaschieren, dass die eingetretenen Steuerausfälle auf die jahrelange Untätigkeit des Gesetzgebers zurückgehen“, schreibt ein Anwalt. „Angesichts der Rechtmäßigkeit ... sind die erhobenen Vorwürfe der schweren Steuerhinterziehung haltlos".

In Bankenkreisen heißt es, Ex-Bundesfinanzminister Peer Steinbrück (SPD) habe die Dinge schleifen lassen und das Schlupfloch zu spät geschlossen. Joachim Englisch, Professor für Steuerrecht an der Uni Münster, spricht von einer „wohl haltlosen Kriminalisierung“. Er sieht den Fall HVB aber auch nur als Spitze eines Eisbergs. Andererseits gibt es im Fall der HVB, der Berliner Rajon und eines Brokers in London Gutachten, wonach sich alle Beteiligten für die Geschäfte abgesprochen haben, „um einen Gewinn zu erzielen und untereinander aufzuteilen“. Jedes Jahr vor der Dividendensaison seien Strategie und Verantwortlichkeit festgelegt worden.

Finanzämter bezweifeln in vielen Fällen die Berechtigung zur Erstattung der gezahlten Steuern und haben die Rückzahlung verweigert. In anderen Fällen sind sie wegen der genutzten Leerverkäufe hellhörig geworden. Auch Englisch räumt ein, dass die Schwelle zur Illegalität überschritten wäre, wenn es sich nur um Luftgeschäfte gehandelt habe, bei denen Aktien nur zum Schein gehandelt worden seien.

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