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Blick über die neue Osthafenbrücke in Frankfurt am Main auf die Bankentürme. Der Ruf der Branche ist derzeit wieder miserabel.

© dpa

Tricksereien der Banken: Bankenaufsicht will strengere Regeln

Libor, Euribor, Gold: Wenn Banken bei Zinsen oder Preisen mauscheln, können die Kunden nichts dagegen tun.

Wer den Schaden hat, braucht für den Spott nicht zu sorgen. Kaum hatte EU-Wettbewerbskommissar Joaquin Almunia in der vergangenen Woche verkündet, dass die EU Großbanken als Strafe für Zinsmanipulationen mit 1,7 Milliarden Euro zur Kasse bittet, kursierten schon hämische Kommentare im Netz. „Banken suchen fieberhaft neue Betrugsmaschen, um die Strafe für Libor-Manipulationen zu kompensieren“, titelte etwa die Satire-Zeitschrift „Der Postillon“. Ein vermeintlicher Sprecher der Deutschen Bank, die allein 725 Millionen Euro zahlen muss, wurde mit den Worten zitiert, man betrachte die Zahlung nicht als Strafe, sondern als Ansporn, durch noch ausgefeiltere Tricksereien noch höhere Renditen zu erzielen.

Über solche Scherze wird man bei der Deutschen Bank und anderen großen Instituten nicht lachen können. Seit Monaten wird wegen möglicher Manipulationen auf den Devisenmärkten, beim für außerbörsliche Geschäfte wichtigen Zins Isdafix und bei der Festsetzung des Goldpreises ermittelt. Auch die Fälle Libor und Euribor sind trotz der hohen Strafen aus Brüssel längst nicht ausgestanden. Mit der französischen Crédit Agricole, der britischen HSBC, der US-Investmentbank J.P. Morgan sowie der Brokerfirma Icap haben vier Beschuldigte einen Vergleich und damit eine Strafzahlung an die EU-Kommission abgelehnt. In den USA und Singapur drohen auch der Deutschen Bank weitere Strafen.

Aufgrund der bislang gezahlten Milliardenstrafen scheint klar, wer von den Zins-Manipulationen in den Jahren 2005 bis 2010 profitiert hat: Jene 15 bis 18 Groß- und Investmentbanken, die weitgehend unbeobachtet in London jeden Tag den Interbankenzins festgelegt und an die British Bankers Association (BBA) gemeldet hatten. Unabhängig von der BBA haben die Banken aber weitere Kartelle zur Festlegung der Zinssätze gebildet, Händler hatten sich dazu in „Chat- Rooms" abgesprochen. „Heute also wieder handgemachte Libors. O je, meine armen Kunden, hehe“, war in E-Mails zu lesen, die das US-Justizministerium veröffentlicht hat. Solchen Manipulationen soll jetzt in Europa per Gesetz der Garaus gemacht werden. Die EU-Kommission will Libor und Euribor ab 2015 unter behördlicher Aufsicht bestimmen lassen.

Wie viel Geld die Großbanken mit den Tricksereien um Libor und Euribor verdient haben, lässt sich schwer sagen. Um mögliche Gewinne wirklich errechnen zu können, müsse man wissen, in welche Richtung und wann genau Banken den Zins manipuliert hätten, sagt Martin Hellmich, Professor an der Frankfurt School of Finance. Das ist aber kaum möglich.

Am Ende der Kette stehen die Kunden. „Die Manipulation der Zinssätze betrifft Millionen von Verbrauchern“, meint EU-Kommissar Almunia – allen voran Kreditnehmer, die ein Darlehen mit variablem Zinssatz abgeschlossen haben, bei dem sich der Zins nach dem Libor- oder Euribor-Satz richtet. In Europa trifft das auf 40 Prozent der Verbraucherkredite zu, hat die EU-Kommission ermittelt. Auch Hypotheken-Zinsen sind oft an die Interbankenzinsen geknüpft.

Wie groß der Schaden durch die Libor-Manipulationen ist, könne aber niemand sagen, meint die Chefin der Finanzaufsicht Bafin, Elke König. Es gebe im Libor-Fall „gigantische Schadensschätzungen“, die sie nicht nachvollziehen könne. Hinzu kommt: „Wenn der Wert am Montag nach oben und am Dienstag nach unten geht, weil es vielleicht für die Bonuskalkulation des einzelnen Händlers günstig ist, dann zahlt beispielsweise der Häuslebauer, dessen Kredit auf dem Libor basiert, mal mehr und mal weniger“, sagte König dem Tagesspiegel. „Wie wollen Sie da den Schaden für den einzelnen nachweisen?“ Das sieht auch der Frankfurter Rechtsanwalt Klaus Nieding so. „Bereits die Schadensermittlung wird sehr schwierig“, gibt Nieding zu bedenken, der Vorstandsmitglied der Deutschen Schutzvereinigung für Wertpapierbesitz (DSW) ist. „Hierfür muss der hypothetische Libor- Zinssatz ermittelt werden, der ohne Manipulation zustande gekommen wäre. Die Differenz zwischen dem tatsächlichen Libor und dem hypothetisch korrekten Zinssatz wäre dann gegebenenfalls der Schaden.“ Aber woher sollen die Verbraucher wissen, welcher Libor-Satz angemessen gewesen wäre? Das sei „total schwierig“, dämpft auch Edda Castello von der Verbraucherzentrale Hoffnungen auf Schadensersatz. Ein Problem, das nicht nur der Kreditkunde, sondern auch der Goldkäufer habe. Auch für Unregelmäßigkeiten beim Goldpreisfixing könne man die Banken praktisch nicht zur Verantwortung ziehen.

Wie bei Libor und Euribor, so schaut die Bafin auch bei Gold und Silber jetzt genau hin. „Dabei untersuchen wir, ob es Absprachen zwischen Händlern gab und ob die Kontrollprozesse in den Instituten funktioniert haben“, berichtet Präsidentin König. „Das wird noch einige Zeit in Anspruch nehmen.“ Das allein reiche aber nicht. „Wir müssen überlegen, wie wir das System so umgestalten können, dass es auf realen Transaktionen basiert und von Einzelinteressen unabhängig ist“, meint König. „Sollte das noch nicht ausreichen, könnte man auch eine Handelsüberwachung erwägen." Dass bei allen Skandalen die Deutsche Bank dabei ist, wundert König nicht: „Die Deutsche Bank ist nun mal die größte deutsche Bank und steht viel stärker im Rampenlicht als andere Institute.“

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