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Wirtschaft: „Trittin macht Außenpolitik“

Der Energiewissenschaftler Carl Christian von Weizsäcker über Ökostrom und AKWs

Herr von Weizsäcker, an diesem Montag trifft sich der Kanzler mit den Spitzenmanagern der Strombranche, um mit ihnen festzulegen, wie wir in Zukunft Strom produzieren. Muss sich die Politik überall einmischen?

In Deutschland ist es gute Tradition, dass sich die Regierung in den Energiemarkt einschaltet. Der Kanzler hat sich intensiv um den Ausstieg aus der Kernenergie gekümmert. Und seit Jahrzehnten wird die heimische Steinkohle gegen ausländische Konkurrenz geschützt. Jetzt geht es um das Thema Ökologie. Wenn es politisches Ziel ist, Klimaschutz zu betreiben, dann ist es auch völlig legitim, in den Markt einzugreifen.

Nach den Stromausfällen in anderen Ländern dürfte auch die Versorgungssicherheit bei diesem Gespräch eine Rolle spielen. Drohen in Deutschland solche Blackouts?

Wir haben ein gut ausgebautes Leitungsnetz und genügend Kraftwerke. Wenn wir jetzt auf dem ökologischen Gebiet nicht zu viel Unsinn machen, glaube ich kaum, dass unser Netz zusammenbricht.

Welchen Unsinn machen wir denn gerade?

Wenn man aus der Kernenergie aussteigt und im selben Zeitraum die Kohlendioxid-Emissionen stark reduzieren will, dann muss man gute Beziehungen zu Russland pflegen, um an das Erdgas zu kommen. Deshalb macht Minister Jürgen Trittin nicht nur Umwelt- sondern auch Außenpolitik. Die Glorifizierung der erneuerbaren Energiequellen bringt uns nicht weiter.

Trittin will bis zur Jahrhundertmitte etwa 50 Prozent unseres Stroms mit Wind, Sonne und Wasser erzeugen.

Selbst wenn dieses Ziel technisch realistisch wäre. Zu welchem Preis? Das ist volkswirtschaftlich nicht vertretbar, weil das enorme Subventionen voraussetzt.

Wirtschaftsminister Wolfgang Clement verteidigt dagegen die Subventionierung des Steinkohlebergbaus.

Das Geld sollte sich Herr Clement sparen. In Deutschland brauchen wir keine Steinkohleförderung mehr zur Absicherung der Energieversorgung. Versorgungssicherheit ist heute ein europäisches Thema.

Die beiden Minister haben gerade ihren Streit um die erneuerbare Energie beendet. Die Förderung wird kaum reduziert und es werden jetzt auch mittelständische Betriebe von der Abgabe befreit.

Die Subventionierung von Windrädern oder Solaranlagen bleibt unsinnig. Denn die staatliche Förderpolitik wird damit nur zementiert. Außerdem ist es absurd, bei den Stromverbrauchern unter dem Deckmantel des Klimaschutzes abzukassieren und gleichzeitig immer mehr große Stromverbraucher von der Abgabe zu befreien.

Die Kohleförderung wird nur ganz langsam heruntergefahren. Den Politikern fällt es schwer, lieb gewonnene Gewohnheiten aufzugeben.

Deshalb sollten sie das System komplett ändern. Mein Vorschlag: Die Regierung legt eine Quote für Strom aus erneuerbaren Energiequellen fest und lässt dann Wind, Wasser, Biogas, Geothermie, Solarstrom um diese Quote konkurrieren. Jeder Stromversorger wäre verpflichtet, diese Vorgabe zu erfüllen. Kann er das nicht, muss er Ökostrom zukaufen.

Clement und Trittin streiten darüber, ob Klimaschutz auch mit Kohlekraftwerken gemacht werden kann.

Die Klimaschäden durch das Verbrennen von Kohle müssen wir ernst nehmen. Die Frage ist nur, was sind die richtigen Instrumente, um die Kohlendioxid-Emissionen zu reduzieren? Wenn wir, wie Herr Trittin es möchte, dabei ausschließlich auf erneuerbare Energie setzen, dann wählen wir einen sehr teuren Weg. Es gibt bessere.

Welche?

Inzwischen gibt es Techniken, um Kohlendioxid-Emissionen bei fossilen Kraftwerken so abzuscheiden, dass sie nicht in die Atmosphäre entweichen. Die Strategie, alle Kohlekraftwerke durch Windanlagen zu ersetzen, ist nicht praktikabel und nicht finanzierbar.

Wenn Sie den Auftrag bekämen, einen Kraftwerksplan für Deutschland zu entwerfen. Wie sähe der für das Jahr 2050 aus?

Da können Sie nicht planwirtschaftlich rangehen. Wenn ich zu entscheiden hätte, was mit dem Geld der Steuerzahler und der Stromverbraucher passieren soll, dann würde ich auf jeden Fall sehr viel weniger in die Windenergie investieren. Erneuerbare Energie wird sicher noch an Bedeutung gewinnen, aber nicht mehr allzu viel. Kohle und zunehmend Gas werden die Hauptsäulen der Stromproduktion bilden.

Angela Merkel hat angedeutet, im Falle eines Wahlsieges den Atomkompromiss wieder aufzukündigen.

Das kann ich mir schon vorstellen. Vielleicht nicht gleich im Wahljahr 2006. Wenn sich das Klimaproblem weiter verschärft, kommen wir um die alternative Kernenergie gar nicht herum. Strom aus Atomkraftwerken ist praktisch emissionsfrei.

Atomstrom ist doch gegen Kohle oder Gas gar nicht konkurrenzfähig.

Wenn es der Welt wieder besser geht, werden die Preise für Kohle, Öl und Gas steigen. Aufstrebende Nationen wie Indien und China werden die fossilen Rohstoffe massiv beanspruchen. Und dann rechnet sich auch die Kernenergie.

Die Stromkonzerne behaupten, sie könnten bei den aktuellen Preisen ohnehin keine Kraftwerke mehr bauen.

Nach der Liberalisierung 1998 waren die Strompreise so stark abgestürzt, dass sie nicht mehr kostendeckend waren. Kein Energieversorger hätte mehr Kraftwerke gebaut. Jetzt sind die Preise wieder auf einem Niveau, dass die Stromkonzerne keinen Grund mehr zum Klagen haben.

Vom Wettbewerb auf dem Energiemarkt hatten wir uns eigentlich dauerhaft niedrige Preise versprochen.

Liberalisierung ist keine Einbahnstraße nach unten. Anfangs rationalisieren die Unternehmen und es werden teure Überkapazitäten abgebaut. Irgendwann ist das Stromangebot wieder knapp, die Preise steigen. So ist das in der Marktwirtschaft.

Ab Sommer 2004 soll es einen Regulierer für den deutschen Strom- und Gasmarkt geben. Brauchen wir den wirklich?

Wir wären auch ohne ausgekommen. Aber die Regierung wollte sich dem Druck aus Brüssel nicht weiter aussetzen. Ich hoffe, dass der künftige Regulierer nicht unsinnig bürokratisch vorgeht. Er muss dafür sorgen, dass die Strom- und Gasnetze für alle Anbieter offen stehen. Selbst die Höhe der Leitungsgebühren ist nicht so wichtig. Hauptsache ist, alle bezahlen das Gleiche.

Viele Billigstromanbieter sind inzwischen wieder verschwunden und man hat den Eindruck, von Konkurrenz kann derzeit keine Rede sein.

Die Billiganbieter haben vermutlich zu billig angeboten. Zeitweise profitierten sie davon, dass es mehr Kraftwerke gab als gebraucht wurden. Damit es ist jetzt vorbei. Im Übrigen gibt es ein Grundgesetz in der Marktwirtschaft. Wenn man einen Bereich liberalisiert, der bislang vor Wettbewerb geschützt war, dann kommt es anfangs immer zu Konzentrationsprozessen.

Das Gespräch führte Dieter Fockenbrock.

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