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Wirtschaft: Trotz Kriegsende sehen die Firmen schwarz Ifo-Geschäftsklima sinkt auf Jahrestief/Regierung erwartet nur noch 0,75 Prozent Wachstum/Aktien steigen kräftig

Berlin (brö). Das schnelle Ende des IrakKrieges hat nicht für bessere Stimmung in der deutschen Wirtschaft gesorgt.

Berlin (brö). Das schnelle Ende des IrakKrieges hat nicht für bessere Stimmung in der deutschen Wirtschaft gesorgt. Der Ifo-Geschäftsklima-Index für Westdeutschland sank im April auf den tiefsten Stand seit mehr als einem Jahr. Die Bundesregierung befürchtet nun ein schwächeres Wachstum der deutschen Wirtschaft und reduzierte ihre Prognose von 1,0 auf 0,75 Prozent. Die Aktienmärkte zeigten sich davon nicht beeindruckt, der Deutsche Aktienindex Dax legte um mehr als vier Prozent zu.

Die deutsche Börse profitierte vom starken Handelsbeginn an der Wall Street. Insbesondere Finanz- und Versicherungstitel waren auf dem hiesigen Markt stark gefragt. So legten Münchener Rück und Allianz um jeweils rund acht Prozent zu.

Zum neuesten Geschäftsklima sagte Ifo-Präsident Hans-Werner Sinn am Montag in München, der bereits in den Vormonaten zu beobachtende Rückgang in den alten Bundesländern habe sich im April verstärkt. „Damit sind die Anzeichen für eine Wende zum Besseren weiter ausgeblieben“, sagte Sinn. Der Index, der ein Frühindikator für die Entwicklung der deutschen Wirtschaft ist, sank im April auf 86,6 Punkte, im Vormonat waren es noch 88,1 Punkte gewesen. Das Institut ermittelt den Wert durch monatliche Umfragen unter 7000 Unternehmen. Viele Experten hatten mit besseren Stimmungswerten gerechnet, weil der konjunkturlähmende Krieg in Irak rasch zu Ende gegangen und die Ölpreise gesunken waren. 60 Prozent der Antworten seien nach dem Fall Bagdads eingetroffen, teilte das Ifo mit.

Betroffen von der schlechteren Stimmung seien nahezu alle Bereiche, aber besonders die Industrie, teilte das Institut mit. Während die Firmenchefs die aktuelle Lage nur unwesentlich schlechter als im März beurteilten, schätzten sie die Aussichten für die kommenden sechs Monate deutlich schlechter ein. Nur im Großhandel stieg die Zuversicht. Bessere Werte meldete die ostdeutsche Wirtschaft. Hier blieb der Wert für das Geschäftsklima konstant. Zwar befinden auch die Manager in den neuen Ländern die Lage für schlechter als zuvor, dafür schätzen sie die kommenden Monaten besser ein.

„Vermutlich sind es nicht so sehr die weltpolitischen Ereignisse, die die Unternehmen pessimistisch machen, sondern es ist die Politik vor der eigenen Haustür“, sagte der Konjunkturexperte Andreas Scheuerle von der Deka Bank in Frankfurt (Main). Die Perspektiven für dieses Jahr blieben „sehr gedämpft“. Die Wirtschaftsvereinigung OECD hatte vor kurzem ihre Aussichten für Deutschland auf 0,3 Prozent taxiert, die führenden Wirtschaftsinstitute gingen von 0,5 Prozent aus. Die möglichen Folgen der Lungenkrankheit Sars für die Konjunktur sind bei diesen Berechnungen noch nicht berücksichtigt.

Die rotgrüne Bundesregierung ist indes relativ optimistisch. Wirtschaftsminister Wolfgang Clement (SPD) senkte die Prognose der Koalition für dieses Jahr von 1,0 auf etwa 0,75 Prozent, wie er am Montag in Berlin sagte. Es gebe Hinweise, dass die Wirtschaft in den ersten drei Monaten gegenüber dem Vorquartal um 0,25 Prozent gewachsen sei. Dass es im zweiten Quartal zu einem Rückgang komme, wie es die Wirtschaftsforschungsinstitute in ihrem Frühjahrsgutachten unterstellt hatten, nannte der Minister „schwer nachvollziehbar“. Die Lage auf dem Arbeitsmarkt bleibt nach diesen Prognosen weiter angespannt. Clement geht von 4,5 Millionen Erwerbslosen im Jahresdurchschnitt aus. Eine bessere Entwicklung soll es erst im kommenden Jahr geben: Ein Wachstum von rund 2,0 Prozent werde im kommenden Jahr zu einem Rückgang der Beschäftigungslosigkeit auf 4,4 Millionen Menschen führen, sagte der Minister.

Das geringere Wachstum wird neue Einnahmeprobleme für den Bundeshaushalt bedeuten. Finanzminister Hans Eichel (SPD) will nach der nächsten Steuerschätzung Mitte Mai entscheiden, ob ein Nachtragshaushalt notwendig ist. Derzeit wird die Lücke in seinem Etat auf mindestens zehn Milliarden Euro geschätzt. Schuld daran sind geringere Steuereinnahmen wegen des schwachen Wachstums sowie Mehrausgaben in Folge der hohen Arbeitslosigkeit. CDU-Chefin Angela Merkel verlangte am Montag einen Nachtragsetat für dieses Jahr und warf der Regierung Versagen vor. Sie habe „ihren Haushalt auf falschen Fakten aufgebaut“.

Zur Bekämpfung von Wachstumsschwäche und Arbeitslosigkeit verlangte die Ökonomen-Arbeitsgruppe „Alternative Wirtschaftspolitik“ in einer Studie die Erhöhung mehrerer Steuern sowie eine schärfere Bekämpfung von Wirtschaftskriminalität und Steuerhinterziehung. Damit ließe sich ein öffentliches Investitionsprogramm mit Ausgaben von 75 Milliarden Euro pro Jahr finanzieren, forderten die Wissenschaftler von der Universität Bremen.

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