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Das Ringen um den zuletzt verschärften Sparkurs bei Volkswagen eskaliert auch mit dem Betriebsrat.

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Update

Trotz Krise bei Volkswagen: VW-Vorstände bestehen offenbar auf Boni

Der Abgasskandal belastet den Autokonzern schwer - dennoch wollen die VW-Chefs laut einem Bericht nicht auf ihre Boni verzichten. Der Betriebsrat befürchtet einen Jobabbau und fordert Garantien.

Der VW-Betriebsrat hat ein „Vertrauensproblem“, Aktionärsvertreter schütteln den Kopf und das Unternehmen wiegelt ab: Top-Manager des VW-Konzerns bestehen trotz der Diesel-Affäre offenbar auf ihre – wenn auch gekürzten – Bonuszahlungen. Nach Informationen des "Spiegel" hat sich außerdem Aufsichtsratschef Hans Dieter Pötsch den vorzeitigen Wechsel vom Finanzressort an die Spitze des Kontrollgremiums üppig honorieren lassen. Weil sein besser dotierter Vertrag als Finanzvorstand eigentlich bis 2017 gelaufen wäre, soll sich Pötsch zehn Millionen Euro der entgangenen Bezüge gesichert haben. VW-Chef Matthias Müller hatte noch Ende 2015 in einem Interview gesagt, auch die Konzernspitze werde den „Gürteln enger schnallen“ müssen. Der Aufsichtsrat entscheidet in Kürze über die Bezahlung des Vorstands.
„Der VW-Vorstand sollte mit gutem Beispiel und Augenmaß vorangehen“, kritisierte Ulrich Hocker, Präsident der Schutzvereinigung für Wertpapierbesitz (DSW), die möglichen Bonuszahlungen. Dies sei allerdings keine rechtliche, sondern eine moralische Frage. „Die Verträge sind nun mal so vereinbart worden.“ Ob sich die VW-Führung trotz der Diesel-Affäre allerdings strikt daran halten wolle, sei eine „Frage des sozialen Friedens“, sagte Hocker dem Tagesspiegel. „Eine Erklärung des Unternehmens würde jetzt gut tun.“ Man könne „nur mit dem Kopf schütteln“, sagte ein anderer Aktionärsvertreter. „Die Dividende soll ausfallen, und gleichzeitig kassiert die VW- Führung.“ Der „Spiegel“ zitiert einen VW- Betriebsrat mit den Worten: „Dem Management fehlt offenbar jedes Gespür für den Ernst der Lage.“

Matthias Müller (rechts), Vorstandsvorsitzender der Volkswagen AG, und Hans Dieter Pötsch, Aufsichtsratsvorsitzender der Volkswagen AG
Matthias Müller (rechts), Vorstandsvorsitzender der Volkswagen AG, und Hans Dieter Pötsch, Aufsichtsratsvorsitzender der Volkswagen AG

© dpa/Julian Stratenschulte

Wegen der Diesel-Affäre kommen auf VW hohe Kosten zu, der Gewinn dürfte im vergangenen Geschäftsjahr deutlich gesunken sein. Die rund 120.000 nach Haustarif Beschäftigten werden wohl deshalb auf ihren Bonus verzichten müssen. Dies hatte Betriebsratschef Bernd Osterloh zumindest angekündigt. In den Vorjahren waren stets zehn Prozent des operativen Gewinns der Pkw-Sparte auf die Beschäftigten aufgeteilt worden.
VW nannte den Bericht „pure Spekulation“. Ein Sprecher fügte mit Blick auf den Wechsel von Pötsch hinzu: „Der Volkswagen-Konzern steht dazu, die eingegangenen vertraglichen Verpflichtungen aus dem Arbeitsverhältnis jedes Mitarbeiters zu erfüllen – das schließt das Vertragsverhältnis mit Herrn Pötsch als Vorstand ein.“ Pötsch soll kurz nach Bekanntwerden der Diesel-Affäre bei einer internen Veranstaltung in Wolfsburg von einer „existenzbedrohenden Krise für den Konzern“ gesprochen haben.

Betriebsrat hat ein "Vertrauensproblem"

Die Sorge um Arbeitsplätze und Standorte in Deutschland alarmiert auch den Gesamtbetriebsrat. Er forderte am Donnerstag den VW-Vorstand auf, über einen „Zukunftspakt“ zu verhandeln. Das Unternehmen begrüßte dies. „Die Sicherung der Standorte liegt auch im Interesse des Vorstands“, erklärte Personalchef Karlheinz Blessing und versprach rasche und konstruktive Gespräche. Doch das Misstrauen der Arbeitnehmervertreter sitzt tief – vor allem im Verhältnis zum neuen Vorstandschef der Kernmarke VW, Herbert Diess, der 2015 von BMW kam. In einem Schreiben von Betriebsratschef Bernd Osterloh ist von einem „gravierenden Vertrauensproblem“ die Rede. „So haben wir den Eindruck, dass der Diesel-Skandal hinterrücks dazu genutzt werden soll, personelle Einschnitte vorzunehmen, die bis vor wenigen Monaten kein Thema waren“, heißt es in dem Brief von Osterloh, den auch die Betriebsratschefs aus Emden, Hannover, Kassel, Salzgitter, Braunschweig und VW-Sachsen unterschrieben haben. Die Marke Volkswagen werde bewusst schlecht geredet. Es gebe keine Basis mehr für die bisherige Form der Zusammenarbeit, heißt es aus dem Betriebsrat. In einem „Zukunftspakt“ wollen die Arbeitnehmervertreter „feste Produkt-, Stückzahl- und Investitionszusagen für die nächsten Jahre festschreiben“. Osterloh und VW-Markenchef Herbert Diess gerieten seit dem Ausbruch der Diesel-Krise schon mehrfach aneinander. Einen Pakt für sichere Jobs gab es zuletzt vor zehn Jahren, als VW die Vier- Tage-Woche abschaffte und Zugeständnisse mit Mehrarbeit ohne vollen Lohnausgleich errang. „Auch in der damaligen schwierigen Zeit ist es uns über verbindliche Vereinbarungen gelungen, die Zukunft für Unternehmen und Beschäftigte positiv zu gestalten. Dies ist auch heute unser Angebot an den Markenvorstand von Volkswagen“, heißt es in dem Brief. „Wir wollen ein Ende der Spekulationen über die Zukunft von Menschen und Standorten von Volkswagen!“ Auch wegen historischer Wurzeln haben der Betriebsrat um die IG Metall und der Minderheitseigner Niedersachsen starke Positionen im Konzern.

US-Vertragshändler klagt

Dieser sieht sich mit einer neuen, besonders heiklen Klage aus den USA konfrontiert. Zum ersten Mal verklagt ein Händler aus dem eigenen US-Vertragsnetz das Unternehmen. Der Besitzer dreier Autohäuser reichte bei einem Gericht im US-Bundesstaat Illinois Klage wegen Betrugs gegen VW ein, wie die zuständige Anwaltskanzlei Hagens Berman mitteilte. Bei den Vorwürfen geht es auch um unlautere Vertriebspraktiken und Preisgestaltung. Der Handelspartner fühle sich durch den Abgas-Schwindel systematisch getäuscht, so Hagens Berman. Die Kanzlei will die Weichen für eine Sammelklage stellen, der sich weitere Händler anschließen könnten. Die Mehrheit der etwa 650 VW-Autohäuser in den USA distanzierte sich allerdings in einer Stellungnahme des Verbands der Vertragshändler von dem Rechtsstreit. Die Händler fordern allerdings als Kompensation für ihre Nachteile durch den Abgas-Skandal ein klares Bekenntnis zum US-Markt und finanzielle Unterstützung des Konzerns. mit dpa

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