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Trotz Rekordgewinne: Kein Lohnnachschlag im Aufschwung

Wer profitiert vom Aufschwung? Die meisten Tarifverträge laufen mindestens bis zum Frühjahr 2011. Aktuell gibt es nur Verhandlungen bei der Bahn.

Berlin - Wer profitiert vom Aufschwung? Diese Verteilungsfrage wird zunehmend gestellt, da die Firmen dabei sind, 2010 die Rekordgewinne aus den Jahren vor der Krise zu übertreffen. Also ein Nachschlag für die Beschäftigten? Mithilfe der Statistik könnte man bei dieser Schlussfolgerung landen. Denn im April, so jedenfalls die jüngste Auswertung des Statistischen Bundesamtes, lagen die Tarifentgelte nur um 1,9 Prozent über dem Vorjahresmonat. Das war der schwächste Anstieg seit Oktober 2007. Und ist doch auch nicht so schlecht für einen Zeitraum, der die schwerste Krise seit den 30er Jahren umfasst. Doch wohlgemerkt: Die Statistiker erfassen nur die Tarifeinkommen. Immer mehr Betriebe richten sich nicht nach einem Tarif und überhaupt tragen inzwischen Millionen Beschäftigte für erbärmliche Entlohnung ihre Haut zu Markte. An diesen Menschen geht die Tarifpolitik vorbei. Ihnen hilft nur ein gesetzlichen Mindestlohn.

Aber auch die meisten Tarifbeschäftigten können in absehbarer Zeit nicht mit einem Zuschlag rechnen. In wichtigen Branchen gibt es Tarifverträge mit Laufzeiten, die weit ins nächste Jahr und darüber hinaus reichen. Aktuell am spannendsten ist die Entwicklung bei der Bahn, wo die drei Gewerkschaften fünf beziehungsweise sechs Prozent mehr Geld und vor allem einen Branchentarif haben wollen, der neben dem staatlichen Bahnkonzern auch die privaten Wettbewerber der Bahn umfasst. Wenn ein solcher Tarif zustande käme, beträfe der einige hunderttausend Beschäftigte. Aber die Materie ist kompliziert, weil es auf beiden Seiten verschiedene Akteure gibt. Deshalb ziehen sich die Verhandlungen vermutlich bis weit in den Herbst. Da die Entgeltarifverträge beim DB-Konzern aber jetzt auslaufen, müssten die Bahnbeschäftigten bis zum Abschluss der Verhandlungen zu lange auf eine Tariferhöhung warten. Dieses Problem lösen die Tarifpartner womöglich durch eine Einmalzahlung für die kommenden Monate.

Ansonsten gibt es in diesem Jahr Tarifverhandlungen noch in der Eisen- und Stahlindustrie mit gut 100 000 Beschäftigten und im öffentlichen Dienst der Länder mit etwa 600 000. Zumindest die Länderverhandlungen werden sich bis weit ins nächste Jahr hinziehen. Dann kommt auch wieder mehr Schwung ins Tarifgeschehen: Im Frühjahr laufen die Verträge in der chemischen Industrie, für den Bau und in Teilen des Einzelhandels aus. Die wichtigste Branche, die Metall- und Elektroindustrie, hat für das kommende Jahr bereits eine Erhöhung um 2,7 Prozent fest vereinbart. Diese beachtliche Ziffer musste die IG Metall allerdings mit einer Nullrunde bei den Prozenten in diesem Jahr bezahlen; für 2010 bekommen die rund 3,3 Millionen Metaller nur eine Pauschalzahlung von 320 Euro.

Die nächsten Metalltarifverhandlungen stehen dann erst im Frühjahr 2012 an. Das gilt auch für den öffentlichen Dienst bei Bund und Gemeinden. Die rund 1,2 Millionen Arbeiter und Angestellten bekommen in mehreren Stufen in diesem und im nächsten Jahr 2,3 Prozent und eine Einmalzahlung von 240 Euro. Auch hier gibt es die nächsten Verhandlungen erst im Frühjahr 2012.

Große Tarifkonflikte sind also in nächster Zeit ebenso wenig zu erwarten wie üppige Einkommenserhöhungen. Deshalb ist folgender Satz auch nicht mehr als ein Pflichtritual. „Es wäre fatal, den beginnenden Aufschwung durch überzogene Lohnforderungen zu gefährden“, warnen die Arbeitgeberverbände. Das tun sie immer. Alfons Frese

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