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Wirtschaft: Trotziger Optimismus der Biotechniker

Genetisch veränderte Pflanzen: Bei uns verpönt, aber weltweit im TrendVON HARTMUT WEWETZERDer Verbraucher ist ein von Schadstoff- und Vergiftungsängsten gehetztes Wesen.Sein Mißtrauen bekommt dieser Tage besonders die grüne Gentechnik zu spüren.

Genetisch veränderte Pflanzen: Bei uns verpönt, aber weltweit im TrendVON HARTMUT WEWETZER

Der Verbraucher ist ein von Schadstoff- und Vergiftungsängsten gehetztes Wesen.Sein Mißtrauen bekommt dieser Tage besonders die grüne Gentechnik zu spüren.Während es der roten Gentechnik gelungen ist, weitgehende Zustimmung zu ernten - wer hat schon etwas gegen neue Impfstoffe oder Medikamente? -, stoßen gentechnisch veränderte Lebensmittel, obwohl gesundheitlich unbedenklich, bei drei von vier Deutschen auf Ablehnung.Bei gentechnisch ausgerichteten Pflanzenzüchtern und den Herstellern von Pflanzenschutzmitteln türmen sich also die Probleme.Grund genug für diese, sich auf der Grünen Woche unter der trotzig-optimistischen Überschrift "Grüne Gentechnik in der Landwirtschaft - Die Zukunft hat schon begonnen" der Öffentlichkeit zu stellen. Was bei uns verpönt ist, hat weltweit offenbar Konjunktur.Ohne Gentechnik, so der Tenor der Veranstaltung, werde in zehn Jahren in der Pflanzenzüchtung nichts mehr gehen.Jozef Schell vom Max-Planck-Institut für Züchtungsforschung sagte, daß in den USA 1996 auf 200 000 Hektar gentechnisch veränderte Pflanzen angebaut wurden.1997 waren es bereits acht Millionen Hektar, und für 1998 wird gar das Dreifache des letzten Jahres erwartet.Jede zweite Sojabohne könnte 1998 gentechnisch modifiziert sein.Favoriten der Gentechnik-Züchter sind zur Zeit herbizidresistentes Soja und Raps wsowie insektentoleranter Mais, daneben aber auch genetisch veränderte Kartoffeln, Weizen, Tomaten, Reis und vieles mehr.Gearbeitet wird an besserer "inhaltlicher" Qualität der Pflanzen, an ihrer Widerstandsfähigkeit und am Erzielen eines höheren Ertrags. Die grüne Gentechnik ergänzt die klassische Züchtung.Sie ist um vieles schneller, weil erwünschte genetische Veränderungen nicht abgewartet, sondern gezielt hervorgerufen werden.Meist wird dazu ein Abschnitt mit Erbinformation in die Pflanzen eingeschleust.Das globale Interesse an gentechnisch beschleunigter Züchtung wächst und wächst.Neben den USA, Kanada, Argentinien und Japan sind inzwischen auch bevölkerungsreiche Schwellenländer wie China, Indien und Pakistan auf den Plan getreten.Insofern ist die Behauptung von Gerhard Prante, Chef des deutschen Zucht-Unternehmens AgrEvo, nicht ganz von der Hand zu weisen, daß die Pflanzen-Biotechnik eine wachsende Rolle bei der Welternährung spielen wird.Für das Jahr 2025 sei eine Weltbevölkerung von acht Milliarden Menschen zu erwarten (heute 5,6 Milliarden), der Bedarf an Nahrungsmittelkalorien werde sich bis dahin verdoppeln, der landwirtschaftliche Nutzfläche pro Kopf auf 0,17 Hektar absinken (1950: 0,51 Hektar).Die weltweiten Ernteverluste betragen 42 Prozent.Prante ist überzeugt, daß gentechnisch eingebauter Pflanzenschutz die Agrarproduktion ertragreicher, ressourcenschonender und umweltverträglicher gestaltet. Herbizidverträgliche und gentechnisch veränderte Sojabohnen, wie sie mittlerweile auch nach Europa kommen, sparten zwischen neun und 39 Prozent Herbizide ein, sagte Prante.Beim insektenresistenten Gentechnik-Mais werden sogar Dreiviertel der chemischen und biologischen Bekämpfungsmittel eingespart.Aber auf der Veranstaltung wurde kritisiert, daß es an gentechnischen Produkten mangelt, die für den Verbraucher eine echte Verbesserung darstellen und ihm damit den Nutzen der grünen Gentechnik verdeutlichen.Doch auch daran arbeite man, wurde versichert. In Deutschland zugelassen ist bislang nur gentechnisch verändertes Soja von Monsanto und Gen-Mais von Novartis.Im Hickhack um die Kennzeichnung hat sich die Lebensmittelwirtschaft nun entschlossen, freiwillig zu deklarieren."Hergestellt aus genetisch verändertem Soja" soll es auf der Produktverpackung heißen.Erst Mitte des Jahres wird eine verbindliche "Durchführungsbestimmung" aus Brüssel endgültige Klarheit schaffen, sagte Christiane Toussaint vom Bund für Lebensmittelrecht und Lebensmittelkunde.Den öffentlichen Streit um das Für und Wider wird aber auch die Kennzeichnung nicht beenden.

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