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Tierfreie Zone. In Berlin – Prenzlauer Berg befindet sich der Supermarkt Veganz, der angeblich erste Supermarkt Europas, der ausschließlich vegane Produkte anbietet. Die Umsätze sind hoch, bald sollen neue Filialen dazukommen.

© dapd

Truthahn aus Weizen-Eiweiß: Mit veganen Produkten lässt sich tierisch gut Geld verdienen

In Berlin gibt es erste vegane Restaurants und auch Europas ersten Supermarkt für Lebensmittel und Waren ohne Tier-Beteiligung. Weitere sollen jetzt eröffnen. Gastronomen und Händler haben vor allem Nichtveganer im Blick.

Tische aus Massivholz, weich gezeichnet vom Licht moderner Kronleuchter. Die Gäste im Restaurant Kopps in Berlin-Mitte tragen Rollkragenpullis. Man spricht mit gedämpfter Stimme. Björn Moschinski wirkt in seinem eigenen Restaurant irgendwie fremd: Der 33-jährige Koch hat Dreadlocks auf dem Kopf und eine Trainingsjacke an. Und er lacht laut.

Im Kopps hat Moschinski zwei Pole zusammengebracht: veganes Essen und gehobenen Stil. Die Speisekarte richtet sich vor allem an Fleischesser. Angeboten wird Cordon Bleu, Roulade und Truthahn – hergestellt aus Weizen-Eiweiß und Soja, die zusammen eine fleischähnliche Substanz ergeben. Auch die meisten seiner Köche seien keine Veganer, sagt Moschinski. „Die sind so baff über die Bandbreite der veganen Küche, dass sie Angst haben, sich daran zu gewöhnen.“

Er selbst lebt seit etwa 18 Jahren vegan, verzichtet also auf tierische Produkte jeglicher Art. Anders als Vegetarier praktizieren Veganer eine Lebensweise, die auch die Nutzung von Tieren ablehnt – also auch Milchprodukte, Eier, Honig, Leder und Wolle sowie Kosmetika mit tierischen Anteilen.

Björn Moschinski ist ein vitaler Mann. Nach einer Ausbildung zum Elektroniker und einem Grafikdesignstudium ist er über Umwege zum veganen Catering gekommen, weil sich ein befreundeter Regisseur regelmäßig über das Essen am Set beschwerte. Im September 2011 gründete Moschinski das Kopps.

Das Geschäft mit dem Veganismus läuft gut. Seit dem Erscheinen von Jonathan Safran Foers Sachbuch „Tiere essen“ vor zwei Jahren sind viele Menschen auf die Bewegung aufmerksam geworden. Die Nachfrage nach veganen Produkten in Deutschland übersteigt inzwischen das Angebot. Auch klassische Lebensmittelketten versuchen im Geschäft mitzumischen. Edeka bietet etwa seit kurzem vegane Frikadellen und Schnitzel an. Und 2009 kaufte der US-amerikanische Konzern Dean Foods den Sojamilchhersteller Alpro auf und erweitert nun das vegane Produktsortiment, zum Beispiel um Joghurts. Als Grund für die gute Marktentwicklung nennt Christian Vagedes, Vorsitzender der Veganen Gesellschaft Deutschland, ein gestiegenes Ernährungsbewusstsein. Mittlerweile hätten viele erkannt, dass Tierprotein ein gefährlicher Stoff sei, der Herzerkrankungen, Fettleibigkeit und Krebs verursachen könne.

Die Deutsche Gesellschaft für Ernährung warnt vor einer rein veganen Ernährung.

Daraus einen vollständigen Verzicht auf alle tierischen Produkte abzuleiten, ist aus medizinischer Sicht aber problematisch. Die Deutsche Gesellschaft für Ernährung warnte 2011 in einer Studie vor einer rein veganen Lebensweise. Es könne zu einer Unterversorgung insbesondere mit Vitamin B12 kommen. Auch Thomas Bobbert, Arzt an der Klinik für Endokrinologie, Diabetes und Ernährungsmedizin an der Charité Berlin, sagt, wenn man nicht über gutes Ernährungswissen verfüge, könne man sich eine Mangelernährung zuziehen. Bei genügend Kenntnissen und notfalls Supplementierung von Nährstoffen sei die Gefahr aber gering. Veganer sehen das anders. Der Starkoch Attila Hildmann erklärte kürzlich, eine vegane Lebensweise sei nicht nur gesund, sondern wirke sich positiv auf die Sexualität aus: „Vegan ist das neue Viagra.“ 

Das Geschäft mit dem Veganismus blüht jedenfalls. 2011 eröffnete im Stadtteil Prenzlauer Berg mit Veganz der europaweit erste Supermarkt, der ein veganes Vollsortiment anbietet. Über 6000 Produkte hat Geschäftsführer Jan Bredack aus verschiedenen Weltregionen zusammengesucht, es gibt veganen Parmesan, Käse und vegane Kondome. Bredack ist klassischer Entrepreneur. Sieben Jahre lang war er bei Mercedes in leitender Funktion angestellt, zuletzt war er für den Bau des ersten Werks in Russland zuständig. Den Manager sieht man ihm noch an. Bredack ist fokussiert, er spricht in präzisen Sätzen. Ausgestiegen sei er letztlich, weil er sich mit seiner ökologischen Einstellung bei Daimler fremd gefühlt habe. Aus dem Stand schaffte Veganz einen Jahresumsatz von 1,5 Millionen. „Bei solchen Zahlen ist eine Expansion fast zwingend“, sagt er. 720 Quadratmeter Verkaufsfläche hat er in der Warschauer Straße in Friedrichshain angemietet, wo bald ein zweiter Markt öffnen soll. Parallel wird in Leipzig, Frankfurt und Wien gebaut. Weitere Märkte in München, Hamburg und Zürich seien in Planung.

Bredack und Moschinski stehen beispielhaft für eine Reihe von Unternehmern, die das Geschäft mit veganen Produkten massentauglich gemacht haben. Beide erreichen ihren größten Umsatz durch das Geschäft mit Nichtveganern. Auch, weil sie zwar eine Mission haben, aber nicht missionieren. „Ich versuche, den Veganismus in die Mitte der Gesellschaft zu holen“, sagt Bredack und öffnet eine Packung Käse zur Probe. Während die Kunden probieren, lächelt er.

Das Restaurant Kopps ist fast immer von Donnerstag bis Sonntag ausgebucht. Vor kurzem veranstaltete Moschinski ein veganes Catering für einen großen Verlag und kochte bereits mehrmals für einen großen Lkw-Hersteller.

Während Moschinski erzählt, taucht ein weiblicher Gast neben ihm auf. „Was du im Fernsehen über die Rechte von Tieren gesagt hast, hat mich sehr berührt“, sagt sie. „Ich hatte Tränen in den Augen. Wenn ich in Berlin wohnen würde, würde ich jeden Tag kommen.“ Später erklärt Moschinski, die Frau sei extra aus der Pfalz angereist, um im Kopps zu essen.

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