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Wirtschaftsmacht. Der Pensionsfonds Oyak ist unter anderem Partner von Firmen wie Renault und Axa. Foto: Reuters

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Türkei: Der diskrete Wohlstand der Generäle

Ein Pensionsfonds beschert türkischen Militärs erhebliche wirtschaftliche Macht. Der Fonds Oyak ist Partner von Firmen wie Renault und Axa.

Dass sich die türkische Armee nicht nur für die Landesverteidigung, sondern auch für Kopftücher und andere politische Themen interessiert, ist hinlänglich bekannt. Dass sie sich darüber hinaus aber auch noch um Autos und Schokoladenriegel kümmert, wissen selbst viele Türken nicht. Trotz zahlreicher demokratischer Reformen in dem EU-Bewerberland ist die wirtschaftliche Macht der Militärs ungebrochen. Über den Pensionsfonds Oyak mischt das Militär mit milliardenschweren Geschäften in der Wirtschaft mit.

Eigentlich ein Unding, findet der Politikwissenschaftler Ismet Akca, der eine der wenigen wissenschaftlichen Untersuchungen über das Thema verfasst hat: „In einer modernen parlamentarischen Demokratie ist das inakzeptabel“, sagte er dem Tagesspiegel. Doch weder die türkische Regierung noch die EU haben bisher viel Druck auf die Generäle gemacht. Denn das könnte wirtschaftliche Erschütterungen auslösen, die weder in Ankara noch in Brüssel erwünscht sind.

Nach dem Gesetz bildet der Pensionsfonds der Streitkräfte (Oyak) die Altersversorgung von rund 250 000 aktiven und früheren Offizieren in der Türkei. Sie zahlen zehn Prozent ihres Solds in den nach dem 1960er Putsch eingerichteten Fonds ein. „Ein Haus und ein Auto“, lautet das Motto des Fonds bis heute, doch Oyak ist inzwischen weit mehr als nur ein Ruhestandskissen für Berufssoldaten. Oyak ist eine Wirtschaftsmacht mit Vermögenswerten von umgerechnet rund 14 Milliarden Euro, die Anteile an 60 Unternehmen hat und 28 500 Menschen beschäftigt. Der Fonds ist Partner von Renault in der Autoindustrie, er vermarktet die Produkte der Keksfirma Eti, er zählt die Konservenfirma Tukas zu seinen Unternehmen. Es ist, als ob ein Pensionsfonds der Bundeswehr nebenher noch Tomatenmark verkaufte.

Und das ist nicht alles. Wie der Politologe Akca in seiner Studie für das sozialwissenschaftliche Forschungsinstitut Tesev schreibt, verlässt sich Oyak nicht nur auf seine Mitgliedseinnahmen. Aufgrund spezieller Steuervorteile habe der Pensionsfonds gewöhnlichen Wirtschaftsunternehmen einiges voraus, kritisiert er. Oyak selbst wollte sich gegenüber dieser Zeitung nicht äußern. In seinem Geschäftsbericht betont der Fonds jedoch, er sei „keine Institution, die keine Steuern bezahlt“. Laut Akca ist das aber nur die halbe Wahrheit: Unternehmen, die zu Oyak gehörten, müssten zwar Steuern zahlen, der Fonds selbst aber nicht. Zudem gebe es Hinweise darauf, dass Oyak in der Vergangenheit bankrotte Unternehmen unter seinem Dach einfach auf den Staat übertragen konnte.

Oyak kennt die Vorwürfe. Der Fonds sei „nicht Teil der türkischen Streitkräfte“ und erhalte auch keine staatlichen Subventionen, unterstreicht der Geschäftsbericht. Aber Akca sieht darin nur ein Ablenkungsmanöver. Die meisten Posten in den Leitungsgremien seien mit Militärs besetzt, schreibt er. Die Armee habe bei Oyak die Zügel in der Hand.

Das wirtschaftliche Engagement wirft hochpolitische Fragen auf. Ein Problem sieht Akca in den Pensionen und billigen Krediten des Fonds für seine Mitglieder, die seiner Meinung nach dazu beitragen, dass sich die Militärs vom Rest des Landes abschotten und als Elite betrachten. Dies stärke den „prätorianischen Militarismus“ und sei ein Hindernis für die Demokratisierung des Landes. Dennoch sei das Thema „keine große Sache“ in der türkischen Öffentlichkeit, sagte Akca. „Die meisten Normalbürger in der Türkei wissen nicht einmal, dass Oyak etwas mit der Armee zu tun hat.“

Die Türkei spiele das Thema Oyak auch der EU gegenüber herunter, sagt Akca. Ein Grund dafür sind die weitreichenden wirtschaftlichen Verflechtungen: Sollte der Fonds gezwungen werden, sich aus seinen Investitionen zurückzuziehen, könnte das vielen großen türkischen Unternehmen schaden.

Die Europäer haben womöglich ohnehin kein großes Interesse daran, den türkischen Militärs das Wirtschaften zu verbieten. Entsprechende Passagen seien aus EU-Berichten getilgt worden, denn auch diverse Länder der Europäischen Union wollten Oyak schonen, kritisierte der Kolumnist Abdullah Bozkurt in der Zeitung „Today’s Zaman“. Schließlich arbeite der türkische Militärfonds mit den französischen Unternehmen Renault und Axa zusammen. Das Ergebnis sei eine „zynische Position“ der EU-Kommission, die sich ändern müsse.

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