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Wirtschaft: Turbulenter Herbst an der Börse: Kursstürze, Achterbahnfahrt und am Ende ein Sprung nach oben

Der Oktober hat wie in den Vorjahren seinem Ruf als Angstmonat erneut alle Ehre gemacht. Im Schlepptau seiner US-Verwandten rauschte Deutschlands wichtigster Börsenindex zu Monatsbeginn in die Tiefe.

Der Oktober hat wie in den Vorjahren seinem Ruf als Angstmonat erneut alle Ehre gemacht. Im Schlepptau seiner US-Verwandten rauschte Deutschlands wichtigster Börsenindex zu Monatsbeginn in die Tiefe. Zur Monatsmitte drehte die Stimmung unter den Anlegern dann aber urplötzlich vom Depressiven ins Manische: Vom Tiefpunkt bei 6465 Punkten schoss der Dax um über 600 auf 7077 Zähler, das war ein sattes Plus von 9,4 Prozent. Gemessen am Punktestand vor vier Wochen bleibt damit immer noch ein Plus von gut vier Prozent. Allerdings wiesen die 30 Standardwerte keineswegs eine homogene Entwicklung auf. Während die große Masse dahindümpelte und sich marginal veränderte, konnten einige Werte zweistellig zulegen: An der Spitze Bayer mit einem Kursgewinn von mehr als 20 Prozent, gefolgt von RWE (plus 18 Prozent) und VW (plus 17 Prozent). Zweistellige Verluste mussten SAP (minus 16 Prozent), Adidas (minus 13 Prozent) und Schering (minus zehn Prozent) hinnehmen.

Adidas-Salomon litt vor allem unter dem Börsengang der Post. Angesichts einer voraussichtlichen Marktkapitalisierung von über zehn Milliarden Euro für die Aktie Gelb droht Adidas mit bescheidenen 2,4 Milliarden in die zweite Börsen-Bundesliga abzusteigen. Auch eine erneute Kaufempfehlung der Bankgesellschaft Berlin half dem Papier nicht: Am Ende blieb ein Monatsminus von 13 Prozent. Gerupft gingen auch Fresenius Medical Care (FMC) und Schering in den November. "Branchenrotation" hieß die Erklärung der Analysten. Der Hersteller von Dialyse-Produkten war, den schwachen Märkten zum Trotz, seit April immerhin um gut 35 Prozent geklettert. Im Oktober nun gab die Aktie rund neun Prozent ab. Der Berliner Pharmakonzern hatte im Jahr zuvor sogar knapp 90 Prozent gewonnen und damit alle anderen Dax-Papiere geschlagen. Als "enttäuschend" klassifizierten die Anleger - seit 12. Oktober auch an der New Yorker Börse - vor allem die aktuellen Neunmonatszahlen von Schering: Das Betriebsergebnis war nur um zwei Prozent auf 474 Millionen Euro gestiegen. Wenig Gefallen fand man zudem an der Verschiebung des Börsengang der Biotech-Tochter.

Ganz anders dagegen der zweite Pharma-(und Chemie-) Riese im Dax: Die Bayer-Aktie stand mit einem Plus von gut 21 Prozent kräftig unter Dampf. Ins Lager der Leverkusener brachte die Anleger ein geplantes Joint Venture mit US-Konkurrent Dupont sowie aufkommende Übernahmefantasien. Die Schweizer Roche-Holding, so hieß es, sei an Bayer interessiert. Schützenhilfe kam zudem von der Bankgesellschaft Berlin und der Deutschen Bank, die das Papier beide für "unterbewertet" hielten.

Der Essener Energiekonzern RWE errang im Monatsverlauf mit einem Plus von 18 Prozent die Silbermedaille in punkto Wertentwicklung - trotz konträrer Analysteneinstufungen (Bankgesellschaft Berlin: "Underperformer" - Merck Finck: "Outperformer"). Gefallen haben den Anlegern offenbar die rigiden Sparpläne von RWE-Boss Dietmar Kuhnt. Der Vorstandschef kündigte an, weitere unrentable Kraftwerke zu schließen, bis 2004 jährlich 2,6 Milliarden Euro einzusparen und die Beschäftigtenzahl um 6500 zu kürzen. Als positiv für die Kursentwicklung stuften Marktbeobachter auch die Übernahme des britischen Wasserversorgers Thames Waters ein, der RWE zur drittstärksten Kraft im europäischen Wassermarkt macht.

Fröhlichere Gesichter können sich nach Ablauf des Oktober auch die Telekom-Aktionäre wieder erlauben. Die monatelang schwer gebeutelte Aktie eroberte die Marke von 40 Euro zurück und gewann, bei relativ hohen Umsätzen, zwölf Prozent. Nicht gestört hat die Anleger dabei, dass der Neunmonatsgewinn operativ um die Hälfte eingebrochen ist und im dritten Qaurtal nur knapp der Break-even erreicht wurde. Der durch Verkäufe von Beteiligungen und Kalbelfirmen sowie den Börsengang von T-Online kosmetisch auf 8,4 Milliarden Euro aufgedonnerte Nettogewinn dürfte dabei geholfen haben. Auch gab es am Markt Gerüchte, befreundete Banken hätten dem Kurs der T-Aktie vor dem Börsengang der verschwisterten P-Aktie ein wenig auf die Beine geholfen, um verschreckte Kleinaktionäre wieder zu besänftigen.

Bei den Automobilwerten legte erneut VW zu, während die Konkurrenz aus Stuttgart und München eher zaghaft vorankam. Die Wolfsburger wagten sich mit einem Plus von gut 17 Prozent wieder knapp an die 60 Euro heran, sind damit von Hoch im Juli 1998 (gut 100 Euro) aber immer noch weit entfernt. Der Grund für die Rallye: Nach Ausweis der Neunmonatszahlen sieht Daimler-Chrysler aktuell nur noch die Rücklichter von VW. Während Daimler mit den Verlusten von Chrysler kämpft, feiert Ferndinand Piëch Erfolge. Beim Ergebnis nach Steuern steht VW schon jetzt knapp vor dem Jahresergebnis aus dem VW-Top-Jahr 1998.

Die Hightechs im Dax, allen voran SAP, präsentierten sich dagegen erneut schwindsüchtig. Der Softwarekonzern konnte zwar bei der Vorlage seines aktuellen Zahlenwerk wieder Solides (27 Prozent Umsatzplus und - erstmals in diesem Jahr - eine Steigerung des operativen Ergebnisses) vorweisen, doch genügte dies den Investoren nicht. Angetrieben von der Oktober-Hysterie an der Nasdaq ließ man die SAP-Aktie fallen. Die Quittung: minus 16 Prozent im Monatsvergleich.

Veronika Csizi

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