zum Hauptinhalt
Börsenkrise

© dpa

Turbulenzen an den Finanzmärkten: Kapital in der Klemme

Die plötzliche Vorsicht der Banken bremst das Geschäft mit Fusionen und Übernahmen. Die als Heuschrecken gebrandmarkten Private-Equity-Fonds werden bescheiden.

Die Leute mit den dicksten Geldbeuteln sind plötzlich bescheiden geworden. Finanzinvestoren, Investmentbanker und Beteiligungsmanager, die im ersten Halbjahr für 2,4 Billionen Dollar Unternehmen rund um den Erdball gekauft, verkauft oder fusioniert haben, geben sich bei den Vorhersagen für die zweite Jahreshälfte wortkarg. Drei Billionen, vier Billionen, fünf … Vor wenigen Wochen wäre ihnen eine Jubelprognose für das Gesamtjahr noch leichtgefallen. Doch Optimismus ist auf dem Finanzmarkt nicht mehr gefragt.

Mit der Blase auf dem amerikanischen Immobilienmarkt sind auch die Pläne vieler Unternehmenskäufer geplatzt. Faule Kredite klammer Hausbesitzer haben Hypothekenfinanzierer, Banken und Hedgefonds in Schieflagen gebracht. Die Zinsen steigen, Risiken werden plötzlich genauer geprüft, Kredite zögerlicher vergeben. „Die Finanzierung der Transaktionen wird teurer, das wirkt sich auf die Renditen der Private-Equity-Deals aus“, beschreibt Martin Schwarzer, Branchenexperte beim Beratungsunternehmen Pricewaterhouse-Coopers (PWC), die Folgen für das Beteiligungsgewerbe. „Die Aktivität der Private-Equity-Firmen wird durch die Schwierigkeiten am Kreditmarkt kurzfristig sicherlich abnehmen“, bestätigt Alexander Gehrt, Leiter des Fusionsgeschäftes der Schweizer Großbank UBS in Deutschland.

Am Aktienmarkt hat sich das Thema M & A (Mergers & Acquisitions), das monatelang als Kurstreiber gedient hatte, zur Spaßbremse gewandelt. Der Dax hat in zwei Wochen fast 600 Punkte verloren. Dass es hier nicht nur um Psychologie geht, zeigen die Probleme, die Investmentbanken und Finanzinvestoren mit aktuellen Übernahmen haben. So gelang zwar am Freitag der Verkauf von Daimlers US-Autosparte Chrysler an den Investor Cerberus. Wegen der „sehr volatilen US-Kreditmärkte“ mussten Daimler und Cerberus aber deutlich tiefer in die Tasche greifen als geplant. Chrysler erhält von beiden eine Kreditlinie von insgesamt zwei Milliarden Dollar. Andere große Deals hängen in der Luft.

Die von der Immobilienkrise gebeutelten Kreditabteilungen der Großbanken erweisen sich plötzlich als Nadelöhr. „Es sind rund 350 Milliarden Dollar an Krediten im System, die von Banken vergeben wurden und bei denen die weitere Syndizierung auf Schwierigkeiten stößt“, sagt UBS- Banker Gehrt. „Es braucht Zeit, um diesen Überhang abzubauen.“ Konnten die Geldhäuser Risikokredite noch vor kurzem mühelos an Hedgefonds weiterverkaufen (syndizieren), ist die Wertschöpfungskette nun unterbrochen. Aggressive Finanzierungspläne, bei denen Übernahmen mit bis zu 80 Prozent durch bankenfinanzierte Kredite gestemmt wurden (leveraged buy-outs), gehören vorerst der Vergangenheit an. Viele Banken, sagt Experte Gehrt, seien früher bei der Kreditvergabe bei den quantitativen und qualitativen Konditionen „eher großzügig“ gewesen. „Man wird sicher nicht mehr die Konditionen sehen, die wir vor Beginn der Marktunruhen hatten.“

Wirklich überraschend kommt das für Insider allerdings nicht. Das zuletzt übertrieben laxe Finanzierungsgebahren der Banken stieß Vorsichtigen schon länger auf. So wurden nach Angaben der Ratingagentur Standard & Poor’s Übernahmen in Europa zuletzt im Durchschnitt mit dem Sechsfachen des operativen Gewinns (Ebitda) des jeweiligen Übernahmekandidaten durch Kredite fremdfinanziert – vor sechs Jahren lag der Multiplikator bei 4,4. „Man hat sich abends beim Bier tief in die Augen geschaut und gesagt: Das kann auf Dauer nicht gut gehen“, sagt ein Insider.

Dass die Übertreibungen auf dem Kreditmarkt nun ein Ende haben, wird von vielen Experten begrüßt. Und es wundert nicht, dass die, die am M & A-Geschäft verdienen, nicht von einem Kollaps, sondern lieber von einer Korrektur sprechen wollen. „Wir hatten 2006 ein gutes Jahr, und auch 2007 wird noch gut. In Zukunft wird es aber etwas konservativer vorangehen“, sagt Martin Schwarzer von PWC. Doch auch, wenn sich die aktuelle Kreditklemme lösen lässt und das Geschäft sich wieder erholt: die fantastischen Renditen, die zuletzt mit dem Kauf und Verkauf von Unternehmen verdient wurden, sind passé. Bei strategisch wichtigen Branchen und Firmen, sogenannten „must- have-assets“, müssten Private-Equity-Investoren künftig schon einmal „mit 15 statt mit den üblichen 25 Prozent zufrieden sein“, sagt UBS-Mann Gehrt.

Für die Firmen, um die es geht, muss das kein Nachteil sein. „Einige große Unternehmen werden nun weniger Angst vor feindlichen Übernahmen durch Finanzinvestoren haben müssen, denn deren Finanzierung dürfte eher schwer werden“, sagt Christopher Kummer, Direktor des Instituts für Fusionen, Akquisitionen und Allianzen in Wien. Zwar dürften die zu erzielenden Unternehmenspreise sinken. Dafür kämen künftig aber wieder mehr strategische Investoren zum Zuge, glaubt Kummer. Die hungrigsten Heuschrecken, so scheint es, werden von der Immobilienkrise auf Zwangsdiät gesetzt.

Zur Startseite