zum Hauptinhalt

TV-Konzern: Chaosprogramm bei Pro Sieben Sat1

Vorstandschef Guillaume de Posch schmeißt hin. Offenbar schlachten Finanzinvestoren den Konzern aus

Der Münchner TV-Konzern Pro Sieben Sat 1 verliert mit Unternehmenschef Guillaume de Posch einen weiteren Topmanager. Er werde Deutschlands größte TV-Gruppe Ende des Jahres auf eigenen Wunsch verlassen, teilte Pro Sieben Sat1 ohne weitere Begründung mit. Einen Nachfolger gibt es nicht. Vor kurzem hatten bereits Finanzchef Lothar Lanz und Marketing-Vorstand Peter Christmann das Handtuch geworfen.

De Posch stand fünf Jahre an der Spitze der Firma und wurde zuletzt als Erfüllungsgehilfe der Finanzinvestoren KKR und Permira kritisiert, die Pro Sieben Sat1 mehrheitlich kontrollieren. Darin sehen Insider und Börsianer auch den Grund für de Poschs Ausscheiden. Denn nicht nur Kleinaktionäre werfen dem Investorenduo vor, Pro Sieben Sat1 zum Schaden des Konzerns auszuschlachten.

Zuletzt verordneten die Mehrheitsaktionäre trotz Gewinneinbruchs 2007 in der Summe eine Dividende von 270 Millionen Euro, das Dreifache des Jahresgewinns. Zuvor hatten sie verfügt, dass Pro Sieben Sat1 für gut drei Milliarden Euro die europäische TV-Gruppe SBS erwirbt. Auch SBS wurde von KKR und Permira kontrolliert, womit das Duo de facto an sich selbst verkaufen konnte. Börsianer hatten den Kaufpreis als viel zu hoch kritisiert. Pro Sieben Sat1 sitzt nun auf 3,4 Milliarden Euro Schulden und musste Anfang 2008 einen Absturz in die Verlustzone hinnehmen, was den Aktienkurs um ein Viertel einbrechen ließ.

De Poschs Abgang brachte jetzt einen weiteren Rückgang um rund fünf Prozent. Denn Pro Sieben Sat1 ist nun seinen Großinvestoren vollends ausgeliefert. „Wir haben Guillaumes Entscheidung mit Bedauern zur Kenntnis genommen“, sagte Aufsichtsratschef Götz Mäuser, der für das Investorenduo das Gremium leitet. In den Vorstand der TV-Gruppe rückt nun zwar Andreas Bartl auf, der bislang die deutschen TV-Aktivitäten gemanagt hat und dabei Erfolgssendungen wie „Schlag den Raab“ oder „Germany’s next Topmodel“ entwickelte. Einen neuen Vorstandschef muss Pro Sieben Sat1 aber erst noch suchen.

Für Börsianer kommt das Ausscheiden de Poschs nicht überraschend. Er verlasse das Haus, weil er wie Lanz und Christmann das auf KKR und Permira zurückgehende Missmanagement nicht mehr verantworten könne, vermutete ein Analyst. Kaum war nämlich Anfang 2007 der Jahresgewinn des vergangenen Jahres statt zur Tilgung der Schulden als Dividende ausgeschüttet worden, wurde Anfang dieser Woche die skandinavische Pay-TV- Gruppe C-More für mehr als 300 Millionen Euro verkauft – zum Abbau der horrenden Schulden. Das Konzernmanagement sieht Pro Sieben Sat1 dagegen offiziell als kerngesundes Unternehmen und in einer optimalen Ausgangslage für spannende Entwicklungen.

Der Ausstieg von de Posch mag auch Resignation vor der eigenen, unbefriedigenden Geschäftspolitik sein. Beim Werbezeitenverkauf hat der Konzern nach wie vor Probleme. Bereits im ersten Quartal 2008 hatte Pro Sieben Sat1 operativ einen Gewinnrückgang erlitten und war vor Steuern in die Verlustzone gerutscht. Für das zweite Quartal, sagte de Posch, müsse mit einem weiteren Rückgang gerechnet werden. Trotzdem soll im Gesamtjahr der operative Gewinn gesteigert werden. Dieses hohe Ziel zu erreichen, ist de Posch offenbar nicht weiter zugetraut worden. Immerhin ist der Belgier seit 1993 im Fernsehgeschäft, seitdem er bei der Compagnie Luxembourgoise Telédiffusion (jetzt RTL Group) eingestiegen war.

Immer wenn am Standort des Fernsehkonzerns in München das Stühlerücken in der Chefetage beginnt, kommt am Senderstandort Berlin Unruhe auf. In der Hauptstadt arbeiten der Familiensender Sat1 und die Nachrichtenstation N 24, für die gerade am Potsdamer Platz ein neues multimediales Studio gebaut wird. Die Mitarbeiter sind, wie zu hören ist, von der Personalie wenig überrascht, „so viele Manager sind in letzter Zeit doch gegangen“. Weitere Einsparungen im Programm und zusätzlicher Personalabbau würden nicht erst seit der Ankündigung von de Poschs Abgang und des Aufstiegs des früheren Pro-Sieben-Chefs Andreas Bartl befürchtet. Vielleicht kommt die nächste Botschaft für Berlin wieder aus München – diesmal aber von Premiere. Dessen Chef Michael Börnicke wird nicht müde, sein Kaufinteresse an Sat1 zu betonen.

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false