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Zu viel Geschirr? Oder nicht genug? Wer als Wirt kein funktionierendes Konzept hat, wird nicht mit Erfolg belohnt. Die Fluktuation in gastronomischen Betrieben ist hoch. An manchen Standorten wechseln die Lokalbetreiber ständig. Die Teller auf dem Foto sehen immerhin sauber aus - aber oft mangelt es auch an der Hygiene. Foto: Frank Rumpenhorst/dpa

© dpa

Wirtschaft: Über den Tellerrand hinaus

Um ein Café, Restaurant oder eine Bar zu eröffnen, bedarf es keiner besonderen Ausbildung oder Qualifikation. Will ein Wirt Erfolg haben, muss er aber viel wissen, sonst droht die Pleite. Deshalb sind Weiterbildungen wichtig.

Wenn der Hamburger Starkoch Christian Rach in der RTL-Sendung „Rach, der Restauranttester“ zu Hilfe gerufen wird, dann liegt bereits einiges im Argen. Da fehlt Gasthausbesitzern offenbar jegliche Idee, wie man schmackhafte Gerichte zubereitet oder Gäste zuvorkommende behandelt, das Essen kommt aus der Tiefkühltruhe und aus dreckigen Küchen. Dass irgendwas schief läuft, merken die Gastronomen aber erst, wenn die Gäste ausbleiben – und sich oft bereits Schulden aufgetürmt haben. Rachs Aufgabe besteht dann darin, mit harten Worten und fachlichen Tipps den Karren aus dem Dreck zu ziehen.

Andreas Muchow ist so etwas wie die Berliner Ausgabe von Christian Rach. Er arbeitet seit 2005 als Gastro-Coach und Unternehmensberater und war als solcher schon im Fernsehen zu sehen. Außerdem leitet er die deutschlandweit zertifizierte Gastronomiefachschule Berlin. Muchow weiß, wie wichtig es ist, dass sich Inhaber von Gastronomiebetrieben, aber auch ihre Angestellten ständig weiterbilden: „Wenn das Personal schlecht geschult ist, merken das die Gäste.“ Viel sei schon gewonnen, wenn sich die Kellner mit ihrem Unternehmen identifizieren, wenn sie die Gerichte und Getränke probiert haben und dem Gast eine kompetente Empfehlung aussprechen können. Das erfordere qualifizierte Schulungen.

In der Gastronomie und Hotellerie werde häufig mit un- und angelerntem Personal gearbeitet. „Viele arbeiten jahrelang ohne einen qualifizierenden Berufsabschluss in der Branche.“ An der Gastronomiefachschule können sie diese Abschlüsse nachholen. So kann sich eine Serviererin mit viereinhalbjähriger Berufserfahrung in drei Monaten zur „Geprüften Restaurantfachkraft“, beziehungsweise zur „Professionellen Serviererin“ mit IHK-Abschluss weiterbilden lassen. „So tun sich neue berufliche Perspektiven auf, zum Beispiel in der Sternegastronomie", sagt Andreas Muchow. Auf die Ausbildung können weitere Fortbildungen aufgesattelt werden, zum Beispiel zum Restaurantmeister. „Damit erlangt man sogar das Fachabitur“, sagt er.

Für alle Weiterbildungen an der Gastronomiefachschule übernimmt die Agentur für Arbeit für Arbeitssuchende über den Bildungsgutschein die Kosten. Angestellte können die Lehrgänge durch das Programm WeGebAU, das die Weiterbildung von gering qualifizierten und älteren Arbeitnehmern in kleinen und mittleren Unternehmen fördert, finanziert bekommen. Eine interessante Spezialisierung ist laut Andreas Muchow auch die Weiterbildung zum Hygienebeauftragten nach dem „Hazard Analysis and Critical Control Points-Konzept“ (HACCP) für Köche, Kellner, Restaurant- oder Hotelfachleute. „Diese Mitarbeiter unterweisen ihre Kollegen in Fragen der Hygiene bei der Lagerung und Zubereitung von Lebensmitteln“, sagt Muchow. „Die Qualifikation ist auch eine gute Grundlage, um sich selbstständig zu machen.“

Wer nichts wird, wird Wirt – diesen Spruch hört Sandra Warden vom deutschen Hotel- und Gaststättenverband (DEHOGA) gar nicht gerne. „Als erfolgreicher Wirt muss man unheimlich viel wissen“, sagt die Geschäftsführerin. „Die meisten Wirte sind Kleinunternehmer und müssen sich damit in ganz unterschiedlichen Bereichen auskennen. Das beginnt bei betriebswirtschaftlichen Belangen, geht übers Kochen bis hin zur Einrichtung des Lokals und der Zusammenstellung der Speisekarte.“ Der wahre Kern des Spruchs sei allerdings, dass für die Gastronomie keine Zugangsberechtigung erforderlich ist. Um ein Café, Restaurant oder eine Bar zu eröffnen, bedarf es keiner besonderen Ausbildung oder Qualifikation. Man muss nur geeignete Räume finden, eine Gaststättenerlaubnis beantragen und schon kann es losgehen. Der DEHOGA sieht das kritisch: „Weil vielen Existenzgründern die Grundlagen fehlen, gibt es eine hohe Fluktuation“, sagt Sandra Warden. Mehr als die Hälfte der Neugründungen im Gastgewerbe scheitert in den ersten fünf Jahren. Eine Gründung braucht Zeit. Ein bis zwei Jahre tüfteln erfolgreiche Gastronomen an ihrem Konzept. Sie analysieren, was es bereits am Markt gibt, kalkulieren Kosten und den Bedarf an Personal. „Auch die Frage ‚Was kann ich als Wirt leisten' ist wichtig, denn in kleinen und mittleren Unternehmen ist er die zentrale Persönlichkeit“, sagt Sandra Warden. Damit der Traum vom eigenen Restaurant nicht in die Pleite führt, bietet der DEHOGA Landesverband Berlin Hilfe für Existenzgründer an. Zum Seminarangebot gehört etwa ein ganztägiges Kompaktseminar, das zum nächsten Mal am 19. Februar stattfindet. Darin geht es unter anderem um Konzessionen und Genehmigungen, GEMA-Gebühren, Hygieneanforderungen, Personalfragen und Arbeitsrecht. Im zweitägigen Kurs „Ein Team erfolgreich führen" beschäftigen sich die Teilnehmer mit Kommunikationsstrategien und dem Delegieren von Aufgaben. An der Gastronomiefachschule Berlin können Existenzgründer den Kurs „Fit für das Gastronomiegewerbe“ belegen. Er dauert vier Wochen und wird alle drei Monate angeboten.

Auch die IHK Berlin bietet Unterstützung an. Auf der Website finden Existenzgründer Checklisten für die Gründung ihres Unternehmens. Seminare bereiten Existenzgründer auf ihre Aufgabe vor. Es gibt Auskünfte zu steuerlichen Fragen und Informationen zur rechtlichen Situation. „Als Wirt hat man es mit zahlreichen Vorschriften zu tun. Das beginnt bei der Gaststättenverordnung, führt weiter über den Infektionsschutz bis hin zum Lärmschutz und dem Nichtraucherschutzgesetz“, sagt Brigitte Block von der IHK Berlin. Wirte müssen außerdem auf bestimmte Inhaltsstoffe in Speisen und Getränken aufmerksam machen, um Diabetiker und Allergiker zu schützen.

Wer bereits eine Ausbildung im Gastgewerbe hat oder über eine entsprechende Berufserfahrung verfügt, der kann sich an der IHK in zwei Richtungen weiterqualifizieren: entweder in der fachlichen Richtung mit der modularen Ausbildung zum Küchen-, Restaurant- oder Hotelmeister oder mit einem betriebswirtschaftlichen Schwerpunkt zum Fachwirt im Gastgewerbe. Alle enden mit einer Prüfung, die auch dazu qualifiziert, eigenes Personal auszubilden – mit allen Qualitäten, die einen Besuch von Christian Rach hoffentlich für immer überflüssig machen.

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