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Wirtschaft: Über Gebühr

Bei vielen kommunalen Dienstleistungen müssen sich Verbraucher 2005 auf höhere Kosten einstellen

Berlin - Auf die Deutschen kommen im nächsten Jahr deutlich steigende Preise für kommunale Dienstleistungen zu. In 20 deutschen Großstädten werden vor allem Strom, Gas und der öffentliche Nahverkehr teurer, ergab eine Umfrage des Tagesspiegels am Sonntag. Bei Wasser und Abwasser halten sich die Steigerungen dagegen in Grenzen. Volkswirte befürchten, dass diese vom Staat beeinflussten Preise auch die allgemeine Inflationsrate nach oben treiben.

Die stärksten Aufschläge müssen die Bürger bei den Gaspreisen hinnehmen. Die Versorger haben entweder bereits kurz vor der Jahreswende die Preise erhöht oder wollen dies in den nächsten Monaten noch tun. Im Schnitt aller 20 Städte liegt die Erhöhung bei gut fünf Prozent. An der Spitze liegt Rostock mit einer Zunahme von bis zu 16 Prozent. Etwas geringere Steigerungen gibt es bei den Strompreisen. Hier ist Dresden der Spitzenreiter mit einem Aufschlag von acht Prozent. Zudem haben viele Versorger neue Preise bereits geplant, sie aber noch nicht veröffentlicht. Wegen der allgemeinen Verteuerung der Energie rechnen Experten auch hier mit steigenden Kosten für die Verbraucher.

Gut drei Prozent mehr müssen die Deutschen im kommenden Jahr für die Benutzung von Bussen und Bahnen einkalkulieren. Auch hier schlagen höhere Treibstoffpreise zu Buche – das führt etwa in Mannheim zu Fahrschein-Verteuerungen von 4,9 Prozent.

Während in der Wasserver- und -entsorgung die Tarife der Versorger nur in Ausnahmefällen – etwa in Berlin – ansteigen, gibt es bei den Müllgebühren saftige Anhebungen. Hannover und Kiel verlangen jeweils 20 Prozent mehr für die Müllabfuhr. Noch tiefer in die Tasche greifen müssen die Bürger Wolfsburgs. Hier steigen die Abfallgebühren um knapp 74 Prozent. Grund: Die Umstellung von Deponierung auf Verbrennung. Bundesweit gehöre die Stadt immer noch zu den „kostengünstigsten Kommunen“, heißt es beschwichtigend im Stadtrat. Es gibt auch positive Beispiele: Die Stuttgarter müssen im Schnitt zwölf Prozent weniger für die Leerung ihrer Mülltonnen zahlen, das entspricht einer Entlastung von 9,8 Millionen Euro.

Die bundesweite Lobby der Kommunen wehrt sich gegen den Verdacht, maßlos die Gebühren anzuheben. „Die Städte sanieren ihre Haushalte nicht durch Drehen an der Gebührenschraube“, sagt Stephan Articus, Hauptgeschäftsführer des Deutschen Städtetages. Der subjektive Eindruck stetig steigender Gebühren sei falsch, 2004 seien die Gebühreneinnahmen der Kommunen nur um ein bis 1,5 Prozent angestiegen. „Die Kommunen erhöhen nicht leichtfertig ihre Gebühren, sondern orientieren sich in den großen Bereichen der Abwasser- und Abfallbeseitigung am Kostendeckungsprinzip. Wenn zum Beispiel im Umweltbereich zusätzliche Auflagen gemacht werden, führt das zu steigenden Kosten und wirkt sich auch auf die Gebühren aus.“

Experten wenden ein, dass die Kommunen nicht optimal wirtschafteten. Frank Neumann von der Unternehmensberatung Kienbaum kennt sich aus mit kommunalen Verwaltungen und städtischen Betrieben. Er glaubt, dass nicht allein teurere Rohstoffe für steigende Strom- und Gaspreise verantwortlich sind. „Es stellt sich die Frage, ob die Versorgungsbetriebe immer die optimale Größe haben.“ Viele kommunale Betriebe beschäftigten nur 30 bis 100 Mitarbeiter, leisteten sich aber trotzdem eine Personalabteilung oder andere Verwaltungsstellen.

Ökonomen fürchten derweil die volkswirtschaftlichen Folgen der Preistreiberei. Zumal Preise für Museen, Theater, die Ausstellung von Pässen oder Führerscheinen noch gar nicht berücksichtigt sind. „Seit Jahrzehnten steigen die staatlich beeinflussten Preise stärker als die allgemeine Inflation“, sagt Winfried Fuest, Finanzexperte beim arbeitgebernahen Institut der deutschen Wirtschaft in Köln. Zwischen 1991 und 2003 verteuerte sich die allgemeine Lebenshaltung um 27,6 Prozent, die administrierten Preise verdoppelten sich mit einem Plus von 48,5 Prozent fast. Fuest: „Das ist nicht gut für das Wachstum.“

2005 kommen neben den kommunalen Gebühren die höheren Krankenkassenbeiträge hinzu und womöglich eine abermals höhere Tabaksteuer. „Das treibt die Inflation weiter und engt den Spielraum der Europäischen Zentralbank für eine Leitzinssenkung ein“, warnt Karsten Junius, Geldpolitik-Fachmann bei der Deka-Bank in Frankfurt am Main.

Mitarbeit: anw/fo/hop/kwi/mot

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