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Wirtschaft: Über vier Millionen Arbeitslose – keine Wende in 2003

Die sechs führenden Forschungsinstitute erwarten in ihrem neuen Herbstgutachten keinen starken Aufschwung

Berlin (brö). Auch im kommenden Jahr wird die Arbeitslosigkeit in Deutschland nicht unter die Marke von vier Millionen Menschen sinken. Die sechs führenden Wirtschaftsforschungsinstitute gehen in ihrem am heutigen Dienstag erscheinenden Herbstgutachten davon aus, dass in diesem Jahr 4,05 Millionen und im kommenden Jahr 4,1 Millionen Menschen einen Job suchen werden, erfuhr der Tagesspiegel am Montag. Damit stiege die Arbeitslosigkeit von 9,5 auf 9,6 Prozent. Grund ist das weiterhin schwache Wirtschaftswachstum: Im laufenden Jahr werde das Bruttoinlandsprodukt (BIP) nur um 0,4 Prozent wachsen, 2003 um 1,4 Prozent. Forscher halten jedoch mindestens eine um rund zwei Prozent stärkere Wirtschaftsleistung für nötig, damit mehr Arbeitsplätze entstehen. Im Frühjahr waren die Konjunkturexperten noch von 0,9 beziehungsweise 2,4 Prozent Wachstum ausgegangen. Die Koalition geht offiziell immer noch von rund 0,75 Prozent Wirtschaftswachstum in diesem und rund 2,5 Prozent im nächsten Jahr aus. Regierungskreise erwarten allerdings eine Reduzierung dieser Erwartung.

Wegen sinkender Steuereinnahmen und hoher Ausgaben für die Arbeitslosigkeit bleibt die Finanzlage des Staates schwierig – die Institute gehen von einer Schuldenquote von 3,2 Prozent des BIP aus. Allein in den ersten drei Quartalen hat der Bund so viele neue Schulden gemacht wie Finanzminister Hans Eichel (SPD) eigentlich für das gesamte Jahr geplant hatte. Von Januar bis September betrug die Nettokreditaufnahme 25,8 Milliarden Euro, schreibt die Bundesbank in ihrem neuesten Monatsbericht. Eichels Etat sieht für das Gesamtjahr 2002 aber nur eine Neuverschuldung von 21 Milliarden Euro vor. Der Finanzminister hatte vergangene Woche bereits eingestanden, dass die Bundesrepublik die MaastrichtSchuldengrenze der Europäischen Union von drei Prozent des BIP in diesem Jahr nicht einhalten kann. Eine leichte Besserung sehen die Forscher der sechs Institute für das kommende Jahr. Wegen des etwas höheren Wachstums soll die Defizitquote auf 1,9 Prozent zurückgehen.

Fünf der sechs Forschungsinstitute wollen die Bundesregierung dazu auffordern, den Stabilitäts- und Wachstumspakt einzuhalten und die Staatsfinanzen weiter in Ordnung zu bringen. In einem Minderheitenvotum plädiert das Deutsche Institut für Wirtschaftsforschung Berlin (DIW) hingegen für mehr Flexibilität bei der Konsolidierung. Unterdessen bekräftigte der Präsident der Europäischen Kommission, Romano Prodi, seine Kritik am Stabilitätspakt der EU. Es sei dumm, blindlings an den Stabilitätskriterien festzuhalten, sagte Prodi am Montagabend vor dem Europäischen Parlament in Straßburg. Die Staaten müssten die sich ändernden wirtschaftlichen Bedingungen berücksichtigen können.

Noch weiter als die Institute korrigierte der Bundesverband deutscher Banken (BdB) seine Erwartungen nach unten. Der BdB erklärte am Montag, er sehe Anzeichen für eine weitere Abschwächung in Deutschland und glaube nur an ein Plus von 0,3 Prozent in diesem Jahr. Dies signalisierten die Indikatoren über Lage und Stimmung. Die von der Regierung geplanten Steuer- und Abgabenerhöhungen belasteten die Konjunktur und den Standort Deutschland weiter. Die Erholung der Weltwirtschaft als auch der deutschen Wirtschaft werde später erfolgen und schwächer ausfallen, als noch vor wenigen Monaten erwartet. Deshalb müsse die Europäische Zentralbank nun ihre Geldpolitik ändern und die Leitzinsen senken, damit die Unternehmen wieder mehr investierten.

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