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Erster Erfolg: Bundeswirtschaftsminister Sigmar Gabriel (SPD) hatte tariflichen Schutz für die Kaiser's Tengelmann-Mitarbeiter gefordert.

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Übernahme von Kaiser's Tengelmann: Edeka einigt sich mit Verdi in Berlin

Erster Tarifvertrag nach der Ministererlaubnis. Im Streit um seine angebliche Befangenheit geht Wirtschaftsminister Sigmar Gabriel jetzt in die Offensive.

An Verdi und Edeka soll die Übernahme von Kaiser’s Tengelmann nicht scheitern. Am Donnerstagabend verständigten sich beide Seiten auf einen Tarifvertrag für Berlin und setzten damit eine erste Vorgabe aus der Ministererlaubnis um, mit der Bundeswirtschaftsminister Sigmar Gabriel (SPD) die Übernahme der Kaiser’s Filialen mit 15.649 Beschäftigten erlaubt hatte. In Berlin sind es 5668 Arbeitnehmer in 120 Filialen, die zum Teil mit deutlichen Gehaltserhöhungen rechnen können und deren Arbeitsplätze in den kommenden fünf Jahren sicher sind – sofern der Tarifvertrag überhaupt wirksam wird. Daran gibt es Zweifel, nachdem das Oberlandesgericht Düsseldorf vor gut zwei Wochen die Ministererlaubnis vorläufig außer Kraft gesetzt hatte. Begründung: Der Minister sei befangen gewesen und habe „Sechs-Augen-Gespräche“ mit den Chefs von Edeka und Kaiser’s Tengelmann geführt, und zum Zweiten sei die mit der Ministererlaubnis verfügte Arbeitsplatzsicherung ohne „Gemeinwohlbelang“. Dieses Argument hatte vor allem bei Gewerkschaften für Fassungslosigkeit gesorgt.

Kündigungsschutz und mehr Geld

„Arbeitsplatzsicherheit, Tarifbindung und gute Arbeitsplätze – dafür sorgt die Ministererlaubnis“, sagte die Berliner Tarifverhandlungsführerin von Verdi, Erika Ritter, am Freitag auf Anfrage. Am Donnerstagabend hatte sie sich nach unzähligen Verhandlungen mit Edeka auf einen Tarif verständigt, der neben dem Kündigungsschutz auch mehr Geld für bestimmte Beschäftigtengruppe vorsieht. So fallen die 552 Arbeitnehmer der Kaiser’s Berlin GmbH, in der die ehemaligen Betriebe von Meyer Beck aufgegangen sind, künftig unter den Flächentarifvertrag. Das führt zu einer Gehaltsanhebung. Und die rund 1500 Aushilfen, die Kaiser’s in Berlin beschäftigt, bekommen künftig nicht mehr den Mindestlohn von 8,50 Euro, sondern Ritter zufolge einen tariflichen Stundenlohn von 12,18 Euro im West- und 11,81 Euro im Ostteil der Stadt. Das Gericht müsse nun entscheiden, „ob die Absicherung von tausenden von Beschäftigten und Vereinbarungen zu guten Arbeitsbedingungen mehr Gewicht haben als geringfügige Marktverschiebungen“, meinte Ritter.

Woanders wird noch verhandelt

Verdi ist damit in Berlin der erste Tarifabschluss gelungen. In Bayern werden die Verhandlungen in der kommenden Woche und in NRW am 10. August fortgesetzt. Vor allem die Lage in NRW ist schwierig, weil es dort Doppelstrukturen von Kaiser’s und Edeka gibt, und das Edeka-Management sich bislang nicht auf eine Beschäftigungssicherung für alle einlassen wollte.
Durch die Niederlage von Gabriel und Edeka/Tengelmann vor dem Oberlandesgericht Düsseldorf steigt aber offenbar die Kompromissbereitschaft auf der Seite von Edeka: Wenn das ganze Übernahmeprojekt überhaupt noch eine Chance hat, dann sollten sich zumindest die Tarifparteien bald verständigen. Auch der Verkäufer Tengelmann will das Thema endlich abhaken. Tengelmann-Chef Karl-Erivan Haub hatte Edeka aufgefordert, die Tarifgespräche bis Ende Juli abzuschließen; das wurde nur in Berlin erreicht. Haub macht Tempo, denn Kaiser’s produziert Verluste. Aufgrund der geringen Größe und des entsprechend geringen Beschaffungsvolumens liegen die Einkaufspreise für Kaiser’s um rund zehn Prozent über denen der großen Lebensmittelfilialisten Edeka, Rewe, Aldi und Lidl/Kaufland.

Wollen gemeinsame Sache machen: der orstandsvorsitzende von Edeka, Markus Mosa (l) und der Geschäftsführer von Kaiser's Tengelmann, Karl-Erivan Haub.
Wollen gemeinsame Sache machen: der orstandsvorsitzende von Edeka, Markus Mosa (l) und der Geschäftsführer von Kaiser's Tengelmann, Karl-Erivan Haub.

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Noch ein drittes "Geheimtreffen"

Doch eine schnelle Lösung, wie Haub sie wünscht, ist nicht in Sicht. Im Gegenteil: Über die vom Oberlandesgericht Düsseldorf als „Geheimgespräche“ eingestuften, bereits bekannten Treffen von Gabriel mit Edeka-Chef Markus Mosa und Tengelmann-Geschäftsführer Haub hinaus hat es wenigstens noch ein weiteres Treffen gegeben, das erst jetzt öffentlich geworden ist. Am 22. Dezember kamen Mosa und Verdi-Chef Frank Bsirske im Beisein von Gabriel zusammen. Das Treffen habe „dem Meinungsaustausch beider Herren über die Erfolgsaussichten möglicher Tarifverhandlungen“ gedient, heißt es in einer Antwort des Ministeriums auf eine Anfrage der Grünen-Abgeordneten Katharina Dröge. Es habe aber „keinen Einfluss auf den Fortgang des Verfahrens zur Ministererlaubnis“ gehabt.

Grüne: "Alles auf den Tisch packen"

Für Gabriel-Kritiker ist das jedoch ein weiterer Beweis, dass bei der Ministererlaubnis gemauschelt wurde. Der Kartellsenat in Düsseldorf hatte die Sondererlaubnis aufgehoben, weil das Gericht den Minister für befangen hält. Als Beleg führt das Gericht zwei Geheimgespräche mit Haub und Mosa im Dezember an sowie das wettbewerbsrechtlich unproblematischere Kaufangebot Rewes für die 431 Kaiser’s Tengelmann-Filialen. „Jetzt muss Sigmar Gabriel endlich alles auf den Tisch packen“, forderte der Grünen-Fraktionsvorsitzende Anton Hofreiter. Im Bundeswirtschaftsministerium kann man die Aufregung nicht verstehen. Gabriel habe bereits Mitte Juli betont, dass er und seine Mitarbeiter verschiedene Gespräche mit Antragstellern und Gewerkschaften geführt haben, um sich ein Bild zu machen. Gut möglich also, dass in den nächsten Tagen noch weitere Treffen bekannt werden. Immerhin umfasst der Fall Edeka/Tengelmann 20.000 Seiten und 19 Aktenordner.

Gabriel geht jetzt in die Offensive

Nach der herben Niederlage vor Gericht geht das Bundeswirtschaftsministerium in die Offensive. Dem Tagesspiegel liegt ein Antrag vor, nach dem das Gericht Tatsachenbehauptungen in seinem Beschluss ändern soll. So legt das Ministerium Wert darauf, dass Gabriel am 1. Dezember Mosa und Haub getrennt getroffen und gesprochen hat. Nur bei dem Folgetreffen am 18. Dezember seien beide Unternehmenschefs gleichzeitig anwesend gewesen. Zudem habe es sich keinesfalls um Vier-, beziehungsweise Sechs-Augen-Gespräche gehandelt, sondern es seien jeweils die verfahrensleitenden Beamten anwesend gewesen. Auch der Vorwurf des Gerichts, die Stellungsnahme der Edeka-Anwälte zum Rewe-Angebot sei als vertraulich behandelt worden, stimmt nicht, sagt das Wirtschaftsministerium. „Sie war Bestandteil der Verfahrensakte und wurde im Rahmen der Akteneinsicht vom 19. Januar 2016 zur Verfügung gestellt“, heißt es in dem Antrag. Hinzu kommt: „Gespräche mit den Parteien eines Zusammenschlussvorhabens oder mit den für die Meinungsbildung und Entscheidungsfindung relevanten Dritten sind in Fusionskontrollverfahren üblich und zulässig“, heißt es zu dem Vorwurf, Gabriel habe Geheimverhandlungen geführt. Auch beim Bundeskartellamt oder der EU-Kommission würden Einzelheiten einer Zusagendiskussion nicht mit anderen Marktteilnehmern geteilt oder zeitgleich diskutiert.

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