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Wirtschaft: Übernahmerichtlinie: Die Tragödie der EU-Regelung

Die EU-Übernahmerichtlinie ist tot. Nach zwölf Jahren Arbeit, unendlichen Kompromissen und dramatischen Abstimmungen wurde sie im Handumdrehen mit 273 zu 273 Stimmen vom Europäischen Parlament am Mittwoch zunichte gemacht.

Die EU-Übernahmerichtlinie ist tot. Nach zwölf Jahren Arbeit, unendlichen Kompromissen und dramatischen Abstimmungen wurde sie im Handumdrehen mit 273 zu 273 Stimmen vom Europäischen Parlament am Mittwoch zunichte gemacht. Sie erreichte nicht die nötige Mehrheit. Wäre die Richtlinie durchgekommen, gäbe es in Europa eine einheitliche Regelung für Firmenübernahmen, Aktionäre hätten EU-weit gleiche Rechte, die Pflicht der Unternehmen, wichtige Entscheidungen publik zu machen, wäre klar definiert. Aber es herrschte Stimmengleichheit und alles ging anders aus.

Die Gewinner sind die Gewerkschaften, die Übernahmen oder Fusionen missbilligen, die sie nicht abgesegnet haben, und die Unternehmensbosse, die ihren Posten halten wollen, selbst wenn sie einen Konzern zu einem attraktiven Übernahmekandidaten heruntergewirtschaftet haben. Eine unheilvolle Kombination? In jedem Fall. Aber katastrophaler war die Koalition der linken Abgeordneten, die die Gewerkschaften und jene Konservativen unterstützten, die den Managern den Rücken stärkten. Es ist ein seltenes Phänomen, dass die deutsche CDU und Spaniens Sozialistische Partei auf der selben Seite stehen. Aber genau das war am Mittwoch der Fall.

Und der wahre Verlierer? Das ist der gewöhnliche Anleger. Er ist nicht reich, aber er unterstützt mit seinen Euros die Expansion und Fusion von Unternehmen, finanziert die neue Telekom-Infrasturuktur oder ein Dutzend anderer Dinge, die so bedeutend für Europa sind. Im Gegenzug bekommt er ein paar Anteile an einem erfolgreichen Unternehmen. Doch wird dieser Mitbesitzer nicht immer anständig von den Unternehmenschefs behandelt - und Dank des Wirrwarrs an Kontrollgesetzen in den 15 EU-Mitgliedstaaten kommen sie damit durch. Nirgendwo werden die Aktionäre so sehr brüskiert wie in Deutschland oder den Niederlanden. Nach holländischem Gesetz können Firmen ohne die Zustimmung ihrer Aktionäre neue Aktien ausgeben, um eine Übernahme abzuwehren. Andererseits können die Firmenbosse Übernahmegebot annehmen, bei denen verschiedene Beträge pro Aktie bezahlt werden, so dass eine Bank mit einem großen Aktienpaket die Hand aufhalten kann, während der normale Aktionär meist leer ausgeht. Einheitliche Übernahmerichtlinien hingegen schützen den Kleinanleger; Europa wäre einem Binnenfinanzmarkt einen weiteren Schritt näher.

Was die Gegner der Übernahmerichtlinie betrifft: Ihr Tag wird kommen. Wenn die gesetzlichen Rentenpläne unter dem Gewicht der vor der Pension stehenden Babyboomer zusammenbrechen, werden sich die Europäer zunehmend privat absichern und infolge dessen auf den Aktienmarkt zurückgreifen. Stellen sie dann fest, dass Europa ein Flickwerk verschiedenster Regelungen ist, die wenig Schutz für den Kleinanleger bieten, werden sie sich fragen, warum niemand etwas gegen die Misere unternimmt. Sie werden in jedem Fall sehr wütend sein, wenn sie erfahren, dass ein kleiner Haufen Politiker und Manager hinter verschlossenen Türen einen Kampf ausgefochten haben, um einen sinnlosen Status Quo zu retten. "Es ist tragisch, mit ansehen zu müssen, wie dem allgemeinen Interesse Europas durch bestimmte kleinere Interessen geschadet wird", kommentierte der EU-Binnenmarktkommissar Frits Bolkestein.

In ein paar Jahren werden sich die Abgeordneten des Europaparlaments den Wahlen stellen. Immer mehr ihrer Wähler werden dann Aktionäre sein. Wir wären gern dabei, wenn die Wähler sie fragen: "Auf wessen Seite steht Ihr eigentlich?"

Aus dem Wall Street Journal. Übersetzt, ge

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