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Wirtschaft: Überraschender Wechsel von Rüsselsheim nach Rußland

FRANKFURT .Die Gerüchte halten sich seit einem Jahr hartnäckig, nun hat David Herman Klartext gesprochen.

FRANKFURT .Die Gerüchte halten sich seit einem Jahr hartnäckig, nun hat David Herman Klartext gesprochen.Mitte des Jahres wird der Opel-Chef nach sechs Jahren das Unternehmen verlassen und für die Opel-Mutter General Motors (GM) nach Moskau gehen, um als Vice-President das Autogeschäft der Amerikaner in der GUS anzukurbeln.Nachfolger soll der 51jährige Gary L.Cowger werden, derzeit Produktionschef von GM in der Europa-Zentrale in Zürich.Ob der Wechsel nach Moskau wirklich ein Herzenswunsch von Herman ist, wie er in einem Brief an den Aufsichtsrat betont, oder ob dies nicht doch die Konsequenz der Unstimmigkeiten zwischen der GM-Zentrale in Detroit und der Rüsselsheimer Tochter ist, bleibt indes offen.Zumindest der Opel-Betriebsrat hat Zweifel.Die Arbeitnehmervertreter wollen ihr Votum in der Aufsichtsratssitzung am 9.Juni, auf der über Hermans Entlassungsgesuch entschieden werden soll, von den derzeit stattfindenden Strukturgesprächen mit GM abhängig machen."Bevor über Personalfragen entschieden werden kann, müssen Fragen der Eigenständigkeit und Kompetenz der Adam Opel AG einvernehmlich gelöst werden", teilte der Betriebsrat mit.

Cowger wurde zum 1.Januar 1998 zum Vizepräsident von GM-Europa ernannt.In dieser Position ist er verantwortlich für die Gesamkoordination von Fertigung und Teileherstellung aller Opel/Vauxhall-Fahrzeuge in Europa, die zehn Fabirken in 14 Ländern umfaßt.Cowger studierte Maschinenbau am GM-Institut in Flint/Michigan.Im Laufe seiner Karriere beim weltweit größten Autohersteller war er für verschiedene GM-Produktionen zuständig, bevor er 1994 als Vorstandsvorsitzender zu GM-Mexico ging.

Herman stand seit mindestens einem Jahr im Clinch vor allem mit seinem Vorgänger Louis Hughes, inzwischen Chef der Europa-Zentrale von GM in Zürich.Herman pochte auf eine größere Eigenständigkeit von Opel, votierte für eine unabhängige europäische Modell-Politik und hohe Qualitätsstandards, nachdem es immer mehr Klagen und Rückrufaktionen gegeben hatte.In Rüsselsheim klagte man generell über eine Vernachlässigung von Opel wegen der von GM betriebenen Globalisierungsstrategie.Vor allem auch deshalb, weil GM bei diesem Weg auf in Rüsselsheim entwickelte Modelle, wie etwa den Corsa, und dort entworfene Produktionskonzepte baut.Die Opel-Fabrik in Eisenach gilt nicht nur als produktivste in Europa, sie ist auch Vorbild für neue GM-Werke in Osteuropa, Asien und Lateinamerika.

Mitte April schien die Position von Herman gestärkt: GM teilte mit, daß Europa-Chef Hughes zusammen mit 30 anderen Managern aus Zürich zurück in die Zentrale nach Detroit versetzt wird.Doch es war nicht einmal ein Punktsieg für Herman.Nach Ansicht von Insidern war schon länger klar, daß es nur eine Frage der Zeit war, wann der 52jährige, gebürtige New Yorker gehen würde.Herman hatte schon länger sein Interesse an einer Tätigkeit in Moskau bekundet.Er bringt dafür beste Voraussetzungen mit: Seine Familie stammt aus Weißrußland, er spricht fließend russisch.Und vor 20 Jahren war er schon einmal für die "Verkaufsentwicklung UdSSR" für GM tätig.Auch als Opel-Chef hat sich Herman für das Engagement von Opel und GM in Osteuropa eingesetzt.Im Herbst soll die Produktion im neuen Opel-Werk im polnischen Gleiwitz anlaufen, wo künftig der Astra gebaut wird.Herman ist auch für die Kooperationsgespräche mit Autoherstellern in Rußland und der Ukraine zuständig.

Bei den rund 44 000 Beschäftigten von Opel in den Werken Rüsselsheim, Kaiserslautern und Bochum sowie bei den 2000 Mitarbeitern der Opel-Tochter in Eisenach genießt Herman einen guten Ruf, auch wenn in seiner Amtszeit rund 8000 Stellen weggefallen sind.Der Opel-Chef hat sich immer für den Standort Deutschland eingesetzt und in zwei Standortverträgen den Beschäftigten den Rücken gestärkt.Zuletzt einigte sich der Opel-Vorstand im Januar mit dem Betriebsrat auf einen Standortvertrag bis Ende 2002.Darin werden betriebsbedingte Kündigungen ausgeschlossen und Investitionen in Höhe von rund 1,2 Mrd.DM für die westdeutschen Werke festgeschrieben.

Die Bilanz von Hermans sechsjähriger Arbeit für Opel fällt trotzdem zwiespältig aus.Der Marktanteil von Opel in Deutschland ist 1997 um 0,6 auf 15,6 Prozent geschrumpft.Auch die Geschäftszahlen lösen nicht gerade Begeisterung aus.1997 hat Opel mit rund 30 Mrd.DM zwar den höchsten Umsatz in der Unternehmensgeschichte erreicht.Wegen des Standortvertrages allerdings rutscht der Autohersteller mit 150 bis 250 Mill.DM in die Miesen.Immerhin: Der neue Astra hat am Markt gut eingeschlagen, die Wartezeit beträgt rund drei Monate.

ROLF OBERTREIS (MAIN)

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