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Ultimatum: Siemens geht gegen Mr. Siemens vor

Der frühere Konzernchef Pierer soll sechs Millionen Euro zahlen. Der Aufsichtsrat setzt ihm und anderen Ex-Vorständen ein Ultimatum

München - Siemens fordert Schadenersatz von ehemaligen Top-Managern und stellt ihnen ein Ultimatum. Das Unternehmen werde Klage erheben, wenn Ex- Chef Heinrich von Pierer und sechs weitere frühere Vorstandsmitglieder nicht bis Mitte November einem Vergleich zustimmen, beschloss der Aufsichtsrat am Mittwoch in München. Die Aufseher wollen Pierer und Kollegen für Schäden aus der jüngsten Korruptionsaffäre in Regress nehmen, die Siemens unter dem Strich 2,5 Milliarden Euro gekostet hat. Drei Ex-Vorstände haben inzwischen Vergleichen zugestimmt und damit Klagen vermieden: Edward Krubasik, Rudi Lamprecht und Klaus Wucherer.

Der prominentere Teil der ehemaligen Führungsriege um Pierer will aber bislang nichts zahlen. Unter den Topmanagern, denen nun eine Klage droht, sind Pierer-Nachfolger Klaus Kleinfeld, der langjährige Siemens-Finanzchef Heinz- Joachim Neubürger und der wegen der Zweitaffäre um die gekaufte Arbeitnehmerorganisation AUB zu einer Bewährungsstrafe verurteilte Johannes Feldmayer. Für die Ex-Vorstände stehen Vergleichssummen von je zwei bis sechs Millionen Euro im Raum, insgesamt also 20 bis 25 Millionen Euro – im Vergleich zu dem Milliardenschaden, der Siemens entstand, eine eher symbolische Dimension.

Der Spitzenwert mit sechs Millionen Euro entfällt dem Vernehmen nach auf Pierer, der lange als der deutsche Vorzeigemanager galt und „Mr. Siemens“ genannt wurde. Ihm und seinen Anwälten wird eine besonders starre Haltung nachgesagt. Auch Kleinfeld, bei dem es um zwei Millionen Euro gehen soll, sei ein schwieriger Fall. Bei anderen Vorständen sei ein Vergleich wahrscheinlicher.

Pierers Kölner Anwalt Winfried Seibert wollte den jetzigen Beschluss des Siemens-Aufsichtsrats nicht kommentieren. „Solange nichts in trockenen Tüchern ist, sind wir stumm.“ Im Umfeld des juristischen Beistands der Manager wird das Siemens-Ultimatum als „Drohgebärde“ interpretiert, um die angestrebten Vergleiche zu erzwingen. Es werde wohl so lange verhandelt, dass Klagen noch in letzter Minute verhindert würden.

Bis zu 100 Millionen Euro kann Siemens als Schadensausgleich von der Assekuranz eintreiben. Diese Summe wird wegen einer Manager-Haftpflichtversicherung fällig. Eine entsprechende, mit Versicherern jüngst erzielte Einigung segnete der Aufsichtsrat jetzt ab.

Das jetzige Ultimatum an Pierer, Kleinfeld und Kollegen hängt mit den Fristen für die kommende Hauptversammlung am 26. Januar 2010 zusammen. Dort soll den Anteilseignern eine Einigung mit den längst in Ungnade gefallenen Ex-Vorständen präsentiert werden. Soll das gelingen, müssen die sieben noch widerspenstigen Topmanager bis Mitte November einlenken. Bei Klagen drohen Schadenersatzforderungen, die das gesamte Privatvermögen der hoch vermögenden Ex-Vorstände übersteigen könnte, ist im Umfeld der Streitparteien zu hören. Im Fall Pierers werden aber allein dessen Pensionsansprüche an den Konzern auf etwa zehn Millionen Euro geschätzt und sein gesamtes Privatvermögen auf eine höhere zweistellige Millionensumme.

Spekulationen, wonach Siemens gegen Pierer und die anderen eine Milliardenklage anstrebe, gelten unter Rechtsexperten als unwahrscheinlich. „Man kann jemanden nur auf das verklagen, was er hat“, betonte ein Jurist. Bei einer Klage in Milliardenhöhe wären die Gerichtskosten und damit das Prozessrisiko immens.

Bei einem Vergleich könnten die ehemaligen Spitzenmanager in jedem Fall größere Teile ihres Privatvermögens retten, müssten dafür aber einen erheblichen Imageverlust in Kauf nehmen. So war Pierer einmal als Kandidat für das Amt des Bundespräsidenten im Gespräch. Vor allem für ihn wäre der Sturz tief. Der Mitautor eines Buchs mit dem Titel „Zwischen Profit und Moral“ stand 38 Jahre lang in Diensten von Siemens, davon 13 Jahre an der Vorstandsspitze.

Darauf, dass Siemens Aufsehen erregende Prozesse in der Öffentlichkeit scheut, kann die frühere Führungsriege nicht hoffen. Denn der Aufsichtsrat ist gesetzlich dazu verpflichtet, sie in Regress zu nehmen und könnte sonst selbst von Aktionären in Haftung genommen werden. Den zehn Ex-Vorständen wird bislang keine persönliche Verstrickung in dem Bestechungsskandal vorgeworfen, wohl aber Nachlässigkeit bei internen Kontrollen.

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