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Umwelt: Klimaschutz gratis

Die Zeit scheint günstig für eine konzertierte Aktion: Die energieintensiven Branchen wollen sich elegant von Kosten für den Klimaschutz befreien.

Berlin - Während der Bau von den Konjunkturpaketen profitiert, die Autobranche von der Abwrackprämie und Banken unter Schirme schlüpfen, wittern auch die energieintensiven Branchen Chemie und Stromwirtschaft die Gelegenheit, staatliche Hilfe einzufordern. Gleich zwei prominente Vertreter dieser Wirtschaftszweige haben am Donnerstag auf verschiedenen Veranstaltungen dargelegt, warum man sie von den Kosten für den Klimaschutz befreien müsste. Vor allem der Emissionshandel, der kohlendioxidproduzierende Unternehmen verpflichtet, Zertifikate zu kaufen, ist den Managern ein Dorn im Auge.

Ulrich Lehner, bis vor einem Jahr noch Henkel-Chef und nun Präsident des Chemischen Industrieverbandes VCI, sagte bei einer Verbandstagung an der Berliner Friedrichstraße, dass die chemische Industrie derzeit rund 500 Millionen Euro jährlich für den Emissionshandel aufwenden muss. Das Ende der Fahnenstange sei damit noch lange nicht erreicht, da die Regeln ab 2013 verschärft werden. „Das sind aber eher Camouflage-Regeln, die wesentlichen Inhalte sind noch nicht bekannt“, sagte Lehner.

Gleichwohl konnte Lehner die drohende Belastung sehr konkret beziffern: Seine Branche müsse für 2013 mit einer Belastung von 900 Millionen und ab 2020 mit 1,2 Milliarden Euro rechnen. „Wir sind davon überzeugt, dass diese immensen Beträge, die wir für Zertifikate abführen müssen, in den Forschungsbudgets der Unternehmen sehr viel sinnvoller aufgehoben wären, um mehr für den Klimaschutz zu erreichen“, lautete einer der zentralen Sätze seiner Rede.

Neben der Lockerung des Handels wünscht sich die Chemie auch Steuerbefreiungen. Seit 1995 hätten die Unternehmen um BASF, Bayer und Boehringer Ingelheim ihre Forschungsetats jährlich um vier Prozent erhöht. 2008 habe die Summe 9,1 Milliarden Euro betragen. Lehner schlug vor, dass Unternehmen zehn Prozent ihrer Aufwendungen für Forschung von der Steuerschuld abziehen dürfen. Und schreibe ein Unternehmen rote Zahlen, solle es vom Finanzamt eine Steuergutschrift erhalten, sagte er – und stieß damit ins gleiche Horn wie Siemens-Chef Peter Löscher. Der hatte vor drei Tagen auf einer Veranstaltung des BDI ebenfalls Steuernachlässe für Investitionen in Forschung und Entwicklung gefordert.

Zur gleichen Zeit wie Lehner und in gleicher Sache sprach am Donnerstag auch Johannes F. Lambertz – allerdings vor der Unions-Fraktion des Bundestages. Er ist Vorsitzender der Energie-Kommission des CDU-Wirtschaftsrats, im Hauptberuf aber Chef der Kraftwerksparte des Energiekonzerns RWE. Auch er beteuerte zunächst, dass der Klimaschutz wichtig sei. Nur soll er die Industrie möglichst wenig kosten. Lambertz beklagte einen Investitionsstau von rund 30 Milliarden Euro beim Neubau von konventionellen Kraftwerken. Angesichts des derzeit niedrigen Preises für Kohlendioxid-Zertifikate lohne es sich nicht, alte Anlagen vom Netz zu nehmen und in neue Anlagen zu investieren.

Wie Lehner vom Chemieverband forderte auch Lambertz Geld vom Staat zurück. Bundesregierung und EU-Kommission sollten den Kraftwerksbauern bis zu 15 Prozent der Einnahmen aus der Versteigerung von CO2-Zertifikaten als Investitionsbeihilfen zur Verfügung stellen. Das solle den Neubau von Kohlekraftwerken wirtschaftlicher machen.

Die Politik scheint im Prinzip willig. Umweltminister Sigmar Gabriel (SPD) hatte schon vor ein paar Wochen Sympathie für den Vorschlag bekundet. Das Kabinett hat aber darüber noch nicht entschieden.

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